Sonntag, 13. Juni 2010

Aus den Augen aus dem Sinn oder Ochii care nu se văd se uită

Man merkt es immer wieder: Kaum ist ein Arbeitskollege eine Woche in Rente und schon spricht kein Mensch mehr von ihm. Aus den Augen aus dem Sinn. Nach einem Jahr heißt es oft schon: Das war doch der ...  Na wie hieß er nur? Huber? Nein, der Hubert Ernst. Und so weiter.

Warum sollte es bei den Rumänen anders sein? Bei ihnen heißt es: Ochii care nu se văd se uită - Die Augen, die man nicht sieht, vergisst man. Die Deutschen aus Jahrmarkt sind immerhin schon gut 20 Jahre weg. Ihre Musikantengeschichten haben sie mitgenommen. An die erinnert sich hier nur noch der 86-jährige Vedder Lasi. Und die Namen der damaligen Protagonisten haben die meisten der heutigen Einwohner des Dorfes - mit dem eingemeindeten Dorf Cerneteaz/Zorn 7295 Rumänen, 210 Zigeuner, 5 Ungarn, 0 Deutsche - gar nicht gekannt. Wer schaut schon in alte Zeitungen, fragt alteingesessene Rumänen oder den Vedder Lasi, wie man den ein oder anderen deutschen Namen schreibt?

Zumindest Journalisten sollten das tun, wenn sie mal über ein nicht alltägliches, vielleicht einmaliges Ereignis berichten, in dem die "deutschen Jahrmarkter" von anno dazumal eine wichtige Rolle, ja sogar die Hauptrolle gespielt haben. Nach Aussagen von Beteiligten am Musikantentreffen der damaligen Kaszner-Kapelle, sollen die jetzigen Jahrmarkter Mitgestalter dieses Treffens sich sehr dezent verhalten haben. Die Ansprache des Bürgermeisters Ion Delvai soll kurz, präzise und von besonderem Respekt für die "Ehemaligen" geprägt gewesen sein. (Kurze Politikerreden sind in Deutschland eher eine Seltenheit.) Und was die Jahrmarkter Gemeindeväter aus unserem alten, heruntergekommenen Kulturheim gemacht haben, ist sowieso ein Kapitel für sich. Dafür gebührt den Verantwortlichen im Rathaus wirklich alle Anerkennung - der Bürgermeisterriege, wie auch den Conciliers, wie sie ihre Gemeinderäte nennen.


Die Abendausgabe der rumänischen Zeitung ADEVĂRUL hat bereits einen Tag nach dem Treffen an Pfingsten einen ganzseitigen Bericht veröffentlicht und "Hans Koszner jun." mit der Aussage zitiert: "Am zis că trebuie să revenim în satul natal. Eu am avut 27 de ani când am plecat de aici." Natürlich ist Hans Kaszner jun. gemeint und mit der "fanfara Koszner" die Kaszner-Kapelle. Der Autor dieser Artikel hat bestimmt zum ersten Mal von dieser Blaskapelle gehört.

Gut, Herr Ştefan Both ist ein Rumäne oder Ungare, also kann man ihm solche Namensschnitzer leicht nachsehen. Ob man allerdings die gleichen Maßstäbe beim Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar gelten lassen soll, mag Abwegungssache sein. Da heißt es nämlich in einer "Presseauswertung" für die Zeitspanne 24. - 25. Mai 2010 unter anderem: "Im Rahmen ihres Temeswarbesuches am 25. Mai wird die ehemalige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, Frau Dr. h. c. Susanne Kastner MdB, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses und Vorsitzende der Deutsch-Rumänischen Parlamentariergruppe sowie des Deutsch-Rumänischen Forums und des Vereins 'Rumänien-Soforthilfe', politische Gespräche mit dem Temescher Kreisratsvorsitzenden Constantin Ostaficiuc und dem Temescher Präfekten Mircea Băcală führen." 

Nur sieben Absätze weiter heißt es: "Die Temescher Gemeinde Jahrmarkt/Giarmata ist eine der ältesten Gemeinden im Banat. /.../ In diesem Jahr wurde zum zweiten Mal hier auch ein deutsches Musikantentreffen organisiert. 300 Gäste wurden erwartet. Für Musik sorgten die Kastner-Kapelle, eine Bläsergruppe, der Vater, Söhne und Enkel angehören und die Egerländer Musikanten aus Deutschland, die Nachfolger der berühmten Böhmischen Blasmusik unter Leitung von Ernst Mosch, der auch in Jahrmarkt gebürtige Bläser angehören."

Uff! Da muss man dann doch einiges klarstellen.
1.) Zumindest mir ist nicht bekannt, dass es in den letzten Jahren schon mal ein "deutsches Musikantentreffen" in Giarmata/Jahrmarkt gegeben hat.
2.) Frau Kastner ist nicht mit einer Kapelle aus Deutschland angereist. Sie ist mit den Kaszners aus Jahrmarkt weder verwandt noch verschwägert. Auf den richtigen Namen der Kapelle haben allerdings letztere einen berechtigten Anspruch: Kaszner-Kapelle.
3.) Musizierende Väter und einen recht lebhaften und wahrlich schon virtuos spielenden Musikersohn (9 Jahre alt) habe ich auf Fotos von diesem Treffen gesehen, von einem Großvater ist mir aber nichts bekannt. Und was den Sohn anbelangt, so gehört der zwar der Kaszner-Familie an und wäre vielleicht irgendwann mal Dirigent in dritter Generation geworden, wenn... ja wenn es die Kaszner-Kapelle noch geben würde.
4.) Die Egerländer Musikanten haben nie zur Kaszner-Kapelle gehört. Das wäre dann doch ein wenig zu viel der Ehre, auch wenn Musiker, die ihre Grundausbildung von Hans Kaszner sen. (1927 - 2008) bekommen haben, heute bei den Egerländer Musikanten musizieren. (Diese falsche Information könnte man mit einem Komma korrigieren.)
5.) Die "Böhmische Blasmusik" war keine Blasmusikkapelle sondern ist ein musikalisches Genre, das dank Ernst Mosch und seinen  Egerländer Musikanten zu Weltruhm gelangte.

Einen schönen Gruß nach Temeswar. Sollte das Konsulat der Bundesrepublik Deutschland in Temeswar mal einen neuen Pressesprecher suchen, ich eile mit unaufhaltsamen Riesenschritten meiner Rente entgegen. Da wäre ein abwechslungsreicher und gut dotierter Nebenjob nicht verkehrt.

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Und so sah es bei diesem schon im Vorfeld viel diskutierten Treffen aus. Das Foto stammt aus dem Archiv von Ewald Streitmatter, einem der beherzten Initiatoren - neben Walter Streitmatter, Jürgen Possler und dem Kopf dieser verrückten und wahrscheinlich gerade darum so gelungenen Veranstaltung im Jahrmarkter "Kamin", Berthold Ebner.

Helmut Kassner (Flügelhorn) und Hans Kaszner
mit der Kaszner-Kapelle im Kulturheim Jahrmarkt

Anton Potche

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