Mittwoch, 9. Juni 2010

Vagabundierende Musikanten

Als ich gestern Morgen meinen Komputer startete, begrüßte Google mich mit diesem Gesicht. Vagabundierende Musikzeichen, schoss es mir noch spontan durch den Kopf, bevor ich den ersten Suchbegriff eingab.
Zwei Sunden später holte ich ein Päckchen aus dem Briefkasten, das zwei CDs enthielt. Was ist denn das für ein verrückter Tag? Schon wieder Vagabunden und schon wieder musikalische: Notenvagabunden. Dass nicht jeder Zigeuner ein Musikant, aber jeder Musikant ein Zigeuner ist, weiß ich - auch aus eigener Erfahrung - seit mehr als 40 Jahren. Dass aber plötzlich alles, was mit geschriebener Musik zu tun hat, zu vagabundieren beginnt, hat mich dann doch überrascht.

Nun bleiben ja Vagabunden nie lange an einem Ort. Und musizierende Vagabunden, also Notenvagabunden, schon längst nicht. Sie lassen ihre Noten durch Bierzelte, Konzertsäle vagabundieren und ziehen dann ab. Zum Glück legen sie ihren hurtigen Noten aber hie und da auch Fesseln an und bannen sie auf eine CD, von der sie nie für immer entwischen können. Das ist zwar kein feiner Umgang, aber für Musikliebhaber von großem Vorteil. Während die Notenvagabunden sich längst aus dem Staub gemacht haben, bleiben ihre in Töne umgesetzten Noten erhalten.

"Die Kaiserstühler Musikanten gibt es  zwar nicht mehr, aber es waren bis auf einen alles Banater Schwaben", lese ich in dem Begleitbrief zu dieser Postsendung. Sie sind natürlich heimtalos geblieben, diese Banater Schwaben. Wenn sie auch ein neues Zuhause in Ortschaften gefunden haben, die ihnen ein Heimatgefühl vermitteln können, ihr Dorfmilieu konnten sie nicht umsiedeln. Das gilt besonders für die Musikanten. Jetzt suchen und finden sie sich seit fast einem halben Jahrhundert, um dann immer wieder auseinander zu gehen und sich neu zu formieren. Die jahrhundertealte, aus der k.u.k.-Zeit stammende Blasmusiktradition ist längst zu Grabe getragen - im Banat klingen vereinzelt noch Reste dieser Zeit in wenigen Ortschaften -, aber ihr Geist, der reüsiert wie eh und je. Diese CD der Notenvagabunden ist der beste Beweis dafür.

Sie trugen einmal den schönen Schwarzwaldnamen Original Kaiserstühler Musikanten und ihr Chef war Werner Salm. Dreizehn Stücke sind auf dieser CD verewigt und die erste Polka lässt bereits aufhorchen: Notenvagabunden. Da wird mit 16-tel-Läufen brilliert, dass einem das Herz lacht. Aber bereits das zweite Stück, Gute Freunde, ist eine Hommage an die böhmische Blasmusik mit ihren dialogfreudigen Tenorhorngegenmelodien und den Gefühle transportierneden Trios. Und so könnte man fortfahren und ins Schwärmen geraten, wenn man über diese CD spricht.

Sie enthält auch gesungene Titel - sehr, sehr gut sogar - und Solostücke. Wahrlich, wahrlich, solch tanzende Finger können nur In froher Runde über Akkordeontasten fliegen. Und hier muss man leider sehr kritisch mit der Gestaltung des Booklets dieser Produktion umgehen. Wer sind die Solisten? Wer sind die Sänger? Kenner der "Banater" Musikszene in Deutschland können es zwar ahnen, aber so mancher Nichteingeweihte würde vielleicht gerne wissen, wer da so virtuos mit seinem Instrument und so gefühlvoll mit seiner Stimme umgehen kann. Lediglich die Komponisten und Arrangeure sind angeführt: W. Salm, H. Schneider, A. Weber, J. Francz, H. Richter-Kühnert, A. Bleiziffer und A. Müller.

Sie sind längst über alle Berge, die Notenvagabunden, aber sie haben uns ihre Tonmarke hinterlassen. Und die ist ein wahrer Ohrenschmaus. Danke dafür! Ich bin überzeugt, man wird so manchen von ihnen in anderen Kapellen begegnen. Sie werden dort ihre, unsere Musik weiterleben lassen.

Obwohl ich keine Ahnung habe, ob die Kontaktadresse noch stimmt, gebe ich sie für interessierte Blasmusikfans gerne weiter: Werner Salm, Breulstraße 21, D-79241 Ihringen; Tel.: 07668 850, Mobil: 0171 1908850, Fax: 07668 950 852


Anton Potche


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