Donnerstag, 2. September 2010

Meine und Sarrazins Türken

Da wäre der nette türkische Arbeitskollege, der stets freundliche Ibrahim, oder die muslimische Familie aus der Nachbarstraße, die das alte Häuschen wieder in Schuss gebracht hat - die Frau grüßt immer so freundlich "Grüß Gott", was ich immer so passend zu ihrem Kopftuch finde, da auch meine Oma ein Leben lang Kopftuch getragen hat -, oder der stolze türkische Rentner, mit dem ich mal einige Wochen zusammen gearbeitet habe und der mir auf meinem Weg in die Spätschicht schon von Weitem mit einem freundlichen "Hallo Kollege" zuwinkt, oder das türkische Mädchen im Treppenhaus der Schwiegereltern, das partout keine Lust hat, mit seinen Eltern die Sommerferien in einem "fremden Land", nämlich der Türkei, zu verbringen, oder nicht zuletzt die türkische Familie, mit der wir vor Jahren in der gleichen Wohnanlage wohnten, und in deren Laden meine Frau auch heute sehr gerne einkauft. Das sind meine Erfahrungen mit Türken.

Aber da gibt es auch das junge, hübsche, weltoffene, freundliche und meist fröhliche Mädchen aus dem benachbarten Mehrfamilienhaus, das in einer Blitzaktion in der Türkei verheiratet wurde, seit damals Kopftuch trägt, nicht mehr "bayrisch" spricht, plötzlich sehr zurückgezogen, um nicht zu sagen eingeschüchtert wirkte, und dann auch mit der Großfamilie weg in ein anderes Viertel mit größerem Ausländeranteil gezogen ist. Auch diesen Fall haben wir in der Nachbarschaft gehabt. Ohne Thilo Sarrazins Buch Deutschland schafft sich ab gelesen zu haben, lässt der Medienzirkus mich vermuten, dass dieses Beispiel einer der Auslösefaktoren seines Buches sein könnte.

Was mir auffiel, ist die verdeckte Zustimmung in den Medien. Alle schimpfen, Politiker wie Leitartikler, nur jeder findet dann doch irgendetwas in dem Buch - ich hoffe, sie haben es auch gelesen -, das nicht gerade so anstößig ist. Nur zwei Beispiele: Bei Christoph Slangen heißt es im DONAUKURIER (Ingolstadt): "Mit vielen Beobachtungen der Bildungs- und Integrationsmisere hat Sarrazin ja durchaus Recht." Oder die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), meint: "Natürlich darf man die Dinge auf den Punkt bringen. Wer die Probleme nicht benennt, wird auch nicht zu Lösungen kommen." Und so geht es durch die ganze Medienlandschaft. Auch in der Sendung bei Kerner war das spürbar.

Also gibt es diese nicht gerade integrationsfreundlichen Muslime in unserer Gesellschaft. Man sollte lieber alles daran setzen, um diesen Leuten klar zu machen, dass eine Integration in die deutsche Gesellschaft keineswegs der Verlust ihrer Identität bedeutet. Selbst wenn sie in ihrem Alltag eine "Parallelgesellschaft" aufrecht erhalten, ist das noch kein Drama für Deutschland, solange beide Gesellschaften friedlich nebeneinander existieren und sich hie und da beeinflussen. Wenn Parallelen sich nie berühren, können sie auch nicht kollidieren und laufen immerhin schön friedlich nebeneinander her. Ledigliche Blicke über die Grenzen sind nicht nur erlaubt, sondern auf jeden Fall erwünscht.

So könnten viele von Sarrazins Türken zu meinen Türken werden. Da tut sich für Politik und Medien ein spannendes Aufgabenfeld auf, das man aber mit anderen Methoden beackern muss, als mit eifernden Sarrazin-Schelten.

Anton Potche

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