Sonntag, 2. Januar 2011

Eine knappe Dreiviertelstunde Lebensfreude


Lebensfreude nennen Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten ihre letzte CD. Wie seit Jahren üblich, enthält die Scheibe ein ausgewogenes Gemisch aus Alt und Neu. Dass aber auch das nur vermeintlich Alte meist in hörbarem Neuanzug daherkommt, ist ein Hinweis auf die Professionalität dieses Blasmusikorchesters. Es gelingt den Musikern um Hutter nämlich ganz hervorragend, was der 1. Violinist der Wiener Philharmoniker Peter Götzel mal sinngemäß so zum Ausdruck brachte: „Änderung schon, aber Änderung in dem Klangbild, das man von diesem Orchester erwartet.“ Natürlich bezog der Geiger sich auf eines der besten, wenn nicht das beste, Symphonieorchester der Welt.

Zum Glück hat aber jedes Musikgenre seine eigenen besten Solisten, Gruppen und Orchester. Wer bei der böhmischen Blasmusik die Spitze seit einer gefühlten Ewigkeit hält, wissen mittlerweile auch Leute, die mit Blasmusik nichts am Hut haben. Dass Die Egerländer Musikanten ihre Frontmannposition sowohl unter Ernst Mosch als auch jetzt unter Ernst Hutter so erfolgreich verteidigen können, liegt auch an der Unverwechselbarkeit ihres Klangs, der sich zwar auch ändert – wie sollte er auch nicht, formt doch noch immer der Mensch mit seinem Instrument und nicht umgekehrt den Ton -, aber eben „in dem Klangbild, das man von diesem Orchester erwartet“.

Sieben der Titel dieser CD sind „alte“ Neueinspielungen. Und doch hat man nie den Eindruck, dass hier einfach nur Altbackenes pflichtbewusst aufgenommen wurde. Nein. Um nur ein Beispiel, weil es eben jetzt aus meiner Anlage klingt, zu nennen: Egerländer Dorfschwalben. Wie schön sind diese Verzögerungen, Augenblicke des Wartens auf das Weiterklingen. Und auch das Gesangsduo Katharina Praher & Nick Loris, das längst selbstsicher auf den anfangs schier übergroßen Spuren Moschs und seiner Partnerinnen wandelt, hat diesen Änderungsprozess mit heiligem Respekt vor dem markenprägenden Klangbild längst verinnerlicht. Abschiedspolka: Wie toll ist doch dieses Verweilen auf dem ersten „e“ des „Lebens“, um dann in einer Sekundenbruchteilverzögerung das Bestehen der Liebe zu beschwören. Ach, wär ich doch noch einmal 20! So und nicht anders würde ich’s anstellen.

Nein, die Wiener Philharmoniker spielen weiß Gott nicht nur Strauß, Lanner, Hellmesberger & Co., aber ihr Ruf für die Ewigkeit wird mit diesen Namen aus der Romantik verbunden bleiben. So einfach haben Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten es allerdings nicht. Daher müssen sie der Mosch-Ära immer wieder neue Impulse geben, um sie in Erinnerung zu halten, ja um ihr Gegenwart einzuhauchen – und zwar so lange, bis sie den Klassikstatus der Romantik erreicht hat. Denn trotz aller Märsche (von Ernst Hutter, Heinz Hermannsdörfer) beeindruckenden Solistenmedleys und Ausflügen in artverwandte Bläsersätze (Ernst Hutter, Klaus Wagenleiter) muss die traumhafte Unverkennbarkeit der böhmischen Blasmusik – ihre Tanzanregung steht der des Wiener Walzers um nichts nach – erhalten bleiben.

Und es ist erfreulich, feststellen zu können, dass die Walzer- und Polkaseligkeit von zeitgenössischen Komponisten wie Ernst Hutter, Helmut Kassner, Franz Gerstbrein und Nick Loris (präsent auf dieser CD) ein Garant für das Fortbestehen dieses Musikgenres, das mehr Liebhaber hat, als man ihm öffentlich zugestehen will, ist. In ihren Kompositionen feiert Alt und Neu, Tradition und Fortschritt eine vor allem den aufmerksamen Zuhörer beglückende Symbiose.

Ach ja, was ich dafür bezahlt habe? Ich glaube so um die 17 Euro. Wenig ist es wirklich nicht, aber für eine knappe Dreiviertelstunde Lebensfreude immerhin akzeptabel.
Anton Potche
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