Donnerstag, 19. Januar 2012

E-Mail in die Firma oder Der unerbittliche Lauf der Zeit

Lieber Bernhard!

Soeben bin ich aufgestanden. Es ist 10:30 Uhr. Ich kann mich nicht erinnern, je länger geschlafen zu haben. Jetzt stehe ich da und weiß nicht recht, was mit mir anzufangen - allein zu Hause, ist doch der Donnerstag immer enkelfrei. In dieser Not greife ich zu meinem bewehrten Gegenmittel: Ich schiebe eine CD in die Anlage und lass die Egerländer Musikanten aufspielen.

Warum gerade die? Weil es keine anderen Klänge auf dieser Welt gibt, die es so vortrefflich schaffen, mir die Gegenwart (für kurze Zeit) vom Hals zu halten und mich zurück in meine Jugendzeit zu versetzen. Ein weiter Weg, biografisch und geografisch, auf dem ich einigen Menschen aus diesem Orchester begegnete, ein Weg, der mich schließlich in unsere vier Ringe führte. Bilanz

Gestern Abend habe ich diese vier Ringe verlassen. Ich bin noch nie so langsam auf meinem alten Drahtesel nach Hause gefahren - bepackt mit Geschenken und vielen, vielen guten Wünschen. Und ich habe wieder mal bilanziert auf diesem nächtlichen Weg durch Ingolstadt - auf der Nordwest-Südost-Achse. Es waren viele Menschen, denen ich als Arbeiter, Musiker und IGM-Vertrauensmann in dieser Firma mit den vier Ringen begegnet bin. Gute und böse und sogar tragische Figuren waren dabei. Es liegt wohl in meinem Wesen, dass mich eben diese, also die Menschen, stets mehr interessiert haben als die Millionen Werkstücke, die durch meine Hände gingen. (Ich habe jeden Tag Buch geführt. Das Heft liegt vor mir: meine ganz persönliche Produktionsbilanz).

Ein Mensch, dem ich immer wieder begegnete - unter verschiedenen beruflichen Konstellationen -, warst du. Und spätestens seit gestern Abend weiß ich auch, dass wir zumindest abschnittsweise auch emotional gemeinsam unterwegs waren. Ich hege nämlich den "schrecklichen Verdacht", dass du meine außerberuflichen Vorlieben an meine Vorgesetzten "verraten" hast.

Vielen Dank dafür! Die Kollegen vom Pleuel haben mir eine wunderschöne Abschiedsfeier beschert und der Meister hatte die Gelegenheit, in seiner kurzen, aber herzlichen Ansprache nicht wie so oft nur trockene Betriebsbiografiedaten, die in irgendeinem Computerordner gespeichert sind, vorzutragen, sondern auch ein paar Worte über einen Menschen zu verlieren, den ja in dieser Abteilung kaum jemand kennt, war ich doch nur ein knappes Jahr hier tätig.

Es ist mir jetzt - wo ich doch so ausgeschlafen bin - erst richtig bewusst, dass ich ab sofort in einem neuen Lebensabschnitt stehe. Aber das Bisherige ist nicht tot. Dafür hat Gott oder die Natur uns mit der Erinnerung ausgestattet. In ihr leben Menschen weiter. Einer dieser Menschen wird für mich Bernhard-Anton W. sein.

Lieber Bernhard, ich wünsche Dir im Kreise deiner Familie alles Gute für die Zukunft und beruflich einen Werdegang, der Deinen Vorstellungen entspricht.

Jetzt gehe ich in den Hauptbahnhof, kaufe mir eine Zeitung, sitze mich ins Café und lausche den "geistreichen" Gesprächen von Seppi und Peppi - wenn sie gerade da sind.

Alles Gute
Toni

 PS: Wenn Du vorbeischaust, grüße bitte die Pleuel-Mannschaft recht herzlich von mir.

2 Kommentare:

  1. Lieber Toni,
    ich wünsche Dir beste Gesundheit und viel Schaffenskraft in diesem neuen Lebensabschnitt.
    Liebe Grüße
    Sepp Zippel

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    1. Danke Sepp!
      Gute Wünsche aus dem Breisgau kommen bei mir immer gut an, sind sie in der Regel doch wie Euer Wetter - immer um ein paar Grade wärmer als im Rest der Republik.
      Bitte übermittle den Eisenbahnern meine Grüße. Sie sind bei mir jetzt noch öfter unterwegs als bisher.
      Mit freundlichem Gruß
      Toni

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