Sonntag, 15. Januar 2012

Seppi und Peppi unterhalten sich über Spareripsknochen

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich kein BILD-Leser bin. Natürlich bekenne ich mich auch zu den beschämenden Bildungsmängeln, mit denen ich, durch dieses unverzeihliche Verhalten, meinen Alltag stemmen muss. Gut, eine kleine Entlastung für dieses schreckliche Unterlassen kann ich doch anführen. Es gibt da in unserem Haus auch noch andere Leute; und zwar mit viel gewichtigerer Stimme als die meinige, die klar und deutlich darauf bestehen: Da kommt kein Schmiereblatt rein. Also ins Haus.

Aber heute Morgen, da war es soweit. Ich konnte nicht widerstehen. Beim Brötchenkaufen in der Bäckerei am Bahnhof habe ich in der Buchhandlung eine BILD AM SONNTAG gekauft. Ich wusste nämlich aus den Nachrichten, dass da eine neue Riesenstaatsaffäre auf die Republik zurollt. Eine neue Familie-Wulff-Affäre. Diesmal eine Upgrade-Affäre. Uff! Upgrade im wirklichen Leben, nicht nur im Computer. Sensationell! Welch ein Sonntag! Warum sind nicht alle Tage so?

Brötchen, Zeitung und ab ins Bahnhofscafé des trostlosesten Bahnhofs einer deutschen Großstadt. Nur einmal umblättern und schon eine neue BILD-Watsche für den Bundespräsidenten genießen, bei dampfendem Kaffe und klirrender Kälte draußen. Was kann es Schöneres geben auf dieser Welt? Aber wie so oft im Leben sind Glücksgefühle nur von kurzer Dauer, wirken oft nur einen Augenblick lang.

Nun gut, ich habe den Artikel gelesen. Dass eine Seite weiter Herr Steinmeier redlich um seine Profilierung bemüht ist, hat meine Aufmerksamkeit schon nicht mehr in Anspruch genommen. Vorsicht! Herr Dieckmann lauert! Aber das ist Herrn Steinmeiers Problem.

Mein Problem war in diesem Moment der sich einstellende Missmut – und das bei gutem Kaffee. Schlimmer kann’s ja wohl nicht kommen! Zum Glück waren sie aber auch da, Seppi und Peppi, in meiner unmittelbaren Nähe. So verhalfen mir meine Ohren doch noch zur gewünschten Ablenkung und ließen sogar meine Stimmung langsam wieder ansteigen. Die 1,70 € für die Zeitung waren halt futsch. Aber was soll’s? Seppi und Peppi waren eine kleine Entschädigung für diesen BildamSonntagzeitungskaufreinfall.


- Ich hab dich angerufen. Wart ihr weg?
- Ja, bei Elke und Ewald.
- Eine Feier?
- Klein, aber fein. Die üblichen Leute halt.
- Mit Essen und Trinken, ich weiß schon. Wie gewöhnlich.
- Nicht ganz.
- ??
- Wir haben bezahlt.
- Wie, bezahlt?
- Normal, mit Geld.
- Wie in der Wirtschaft?
- Ja. Glaubst du, ich bin vom Wulff-Syndrom befallen? Und hat Frau Schausten nicht gesagt, das wären jetzt die neuesten Moralmaßstäbe?
- Das Wulff-Syndrom?
- Eben nicht, sondern das Gegenteil davon.
- Aber sag mal, musst du denn wirklich gleich jede Sau reiten, die durch diese Republik getrieben wird?
- Das nicht, aber Streiflicht war auch da und hat erzählt, dass jetzt sogar ein Gesetz kommt, in dem festgeschrieben wird, dass es keine Gastgeberleistungen mehr geben darf ohne Bezahlung.
- Du spinnst doch. Wer soll denn das kontrollieren?
- BILD! Streiflicht hat gesagt, jetzt kommt ein FrBesG und BILD wird beim Verfassungsschutz engagiert. Mit voller V-Mann-Stelle. Und entsprechender Vergütung. Klar.
- FrBesG? Das klingt ja wie ein missratener Furz. Was soll denn das heißen?
- Freundesbesuchsgesetz. Und das wird jetzt schon angewandt, obwohl der Bundestag es noch gar nicht verabschiedet hat. Auf der Heimfahrt hat uns ein Streifenwagen in Großmehring gestoppt und ein junger Mann in Polizeiuniform hat mir Führerschein und Fahrzeugpapiere verlangt.
- Aber das ist an einem Faschingssamstagabend doch das Normalste dieser Welt.
- Schon, aber der Polizist hat auch gefragt, ob ich was getrunken und mich meinen Gastgebern gegenüber auch ordnungsgemäß verhalten hätte.
- Und wie hast du geantwortet?
- Wahrheitsgetreu natürlich. Dass ich, also wir, sogar jeden einzelnen Schälrippchenknochen bezahlt hätten. Nicht viel, aber doch so, dass wir dem FrBesG gerecht wurden. Glaubst du, ich hätte mich getraut zu lügen? Da war nämlich noch ein Mann in Zivil bei dem freundlichen Polizisten, und der hat gar nicht so freundlich dreingeblickt. Das war bestimmt ein BILD-V-Mann.
- Und diese Geschichte soll ich dir jetzt abnehmen? Was wäre denn passiert, wenn diese zwei Herren aus dem Streifenwagen dir Beweise für deine Aussage verlangt hätten?
- Habe ich ja. Da schau her. Wenn das FrBesG in Kraft ist, muss bestimmt jeder Haushalt eine Quittung haben, die er seinen Gästen nach dem Essen und der dann gesetzlich festgeschriebenen Bezahlung aushändigt. Wie eben die Vignette in Österreich. Ohne die geht doch in der Alpenrepublik auch nichts. Weil es diesen Freundesessenszahlungsbeleg aber noch nicht gibt, hat Ewald einen Fotobeleg für seine Gäste vervielfältigt angefertigt und jedem Gast ausgehändigt. Sicher ist sicher. Glaubst du, wir, also Ewald und ich, haben vergebens in Ceauşescus Draculareich gelebt? Wenn diese Republik hier sich demnächst verändert, sind wir vorbereitet. Auf alles!

Ich bin dann gegangen. Die BILD-AM-SONNTAG ist dort geblieben. Hausverbot eben. Auch Peppi und Seppi sind noch geblieben. Und weil das Thema unerschöpflich ist, sitzen sie wahrscheinlich noch immer dort.

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