Samstag, 30. Juni 2012

Juni 2012 - Giarmata in den Medien

AGENDA.RO, Timişoara / Temeswar, 1. Juni 2012
Die Polizisten haben ihre Geschicklichkeit „auf einer Strecke mit Jalons, Toren und ... Ballons“ unter Beweis gestellt, kann man in einem Artikel über eine in Rumänien einzigartige Polizisten-Rallye lesen. 25 Teams waren angetreten und die Geschicklichkeitsprobe fand bei der Einfahrt in Giarmata / Jahrmarkt statt.
+ + + Es Lottringe als Rennstreck, jo, des kann ich mer gut vorstelle. + + +

BANATSPORT.RO, Timişoara / Temeswar,01.06.2012
In der letzten Etappe der 3.Liga, Serie 5 schlug Poli II die Jungs von Millenium Giarmata mit 8:1, nachdem die Jahrmarkter durch ein Tor von Mihălceanu in Führung gegangen waren. Und das waren die Helden aus Giarmata / Jahrmarkt: Mihai - Ţofei, Bungău, Dancia, Lukics, Domşa, Gideon, Oneţ, Rosenblum, Mihălceanu, Leucă. Trainer: Călin Cojocaru.
+ + + Viele Tore. Ist doch schön. + + +

Foto: Ziua de Vest
ZIUA DE VEST, Timişoara / Temeswar,04.06.2012
Die Zeitung widmet dem Kandidaten fürs Jahrmarkter Bürgermeisteramt, Virgil Bunescu (PSD), einen ausführlichen Artikel. Der Journalist Lucian Paulescu hält fest, dass Giarmata / Jahrmarkt bis vor einigen Jahren eine der Vorzeigegemeinden des Kreises Timiş / Temesch war und jetzt auf „einem der letzten Plätze” liegt. Virgil Bunescu geht mit den Gemeindeoberen der letzten acht Jahre nicht gerade zimperlich um. Er sagt, die Gemeinde hätte sich in den zurückliegenden 23 Jahren kaum weiterentwickelt. Auf jeden Fall wolle er ein Bürgermeister für die Zukunft der Gemeinde Giarmata sein.
+ + + Das klingt alles nicht schlecht, nur haben Wahlversprechen weltweit eines gemeinsam – sie bleiben das, was sie sind: Versprechen! + + +

ADEVĂRUL.RO., Timişoara / Temeswar, 05.06.2012
Ştefan G. ist 27 Jahre alt und kommt aus Giarmata. In Temeswar hat er eine 53-jährige Frau überfallen und ihr ein Handy und die Brieftasche entrissen. Zwei beherzte Männer haben ihn bei seiner scheußlichen Tat aber ertappt, ihn überwältigt und der Polizei übergeben.
+ + + So muss Zivilcourage aussehen. Bravo! + + +

ADEVĂRUL.RO., Timişoara / Temeswar, 06.06.2012
Vier Burschen, alle 17 Jahre alt, zwei Temeswarer und zwei Jahrmarkter, wurden in der Nähe der UMT-Sporthalle von Polizisten beim Transport einiger Heizkörper auf einem überdimensionierten Handwagen aufgehalten. Es stellte sich schnell heraus, dass die Ware geklaut war. Die Jungs waren auf dem Weg zu einem Schrotthändler.
+ + + Und ich dachte schon, die wollten für den Winter vorsorgen. Wie das in der Natur halt so üblich ist. + + +

ZIUA DE VEST, Timişoara / Temeswar, 07.06.2012
Zum dritten Mal wird am 10. Juni die Fahrradtour Grün für Fahrräder veranstaltet. Die zu bewältigende Strecke Casa VpB - Galeria 1 – Calea Lipovei - Dumbrăvița – Giarmata - Pișchia - Lac Pișchia – Murani - Pișchia – Giarmata - Dumbrăvița - Calea Lipovei - Galeria 1 ist 37 km lang.
+ + + Viel Spass! + + +

ADEVĂRUL.RO., Timişoara / Temeswar, 10.06.2012
Aus Jahrmarkt wurde eine Unregelmäßigkeit bei den Wahlen bekannt, berichtete die Online-Ausgabe der Zeitung schon am Nachmittag des Wahltages. Eine Frau, die dort nichts verloren hatte, soll sich im Wahllokal dienlich gezeigt haben und die Wahlzettel gestempelt haben. Der Bürgermeister soll die Unregelmäßigkeit bemerkt und eingestellt haben.
+ + + Ob seine Korrektheit ihm wohl den Job rettet? + + +

DE.BANAT.RO., Timişoara / Temeswar, 10.06.2012
Mitglieder der Liberaldemokraten (PDL) haben die Schließung des Wahllokals Nr. 3 in Jahrmarkt verlangt. Die geheimnisumwitterte Frau soll geflüchtet sein. Es wurde auch der verdacht geäußert, dass Wahlunterlagen gestohlen wurden.
+ + + Wie heißt das so schön? Bananenrepublik oder auf Rumänisch „democraţia dâmboviţeană” + + +  

DE.BANAT.RO., Timişoara / Temeswar, 10.06.2012
Die Liberaldemokraten im Kreis Timiş / Temesch haben Unregelmäßigkeiten bei der Kommunalwahl in 30 Wahllokalen beanstandet. Nicht nur Jahrmarkt gehört dazu, auch das eingemeindete Dorf Cerneteaz / Zorn.
+ + + Beanstandungen der Wahlverlierer gehören zum guten Ton – in Rumänien. + + +

ZIUA DE VEST, Timişoara / Temeswar, 12.06.201
Die Arbeiten an dem Autobahnabschnitt Jahrmarkt – Temeswar machen Fortschritte, während es Ausschreibungsprobleme für die Strecke Temeswar – Lugosch/Lugoj gibt. Der Baypass, wie die weitläufige Umgehungsautobahn zwischen Jahrmarkt und dem Knotenpunkt bei Kilometer 54+000 auf der Nationalstraße 6 (Temeswar – Lugosch) genannt wird, soll 210 Millionen Lei kosten, wovon 178 Millionen von der EU kommen und 31 Millionen aus Bukarest.
+ + + Leute, baut, baut, baut, solange es noch Geld aus Brüssel gibt. + + +

OPINIA TIMIŞOAREI, Timişoara / Temeswar, 12.06.2012
In einem Jahrmarkter Wahllokal sollen doppelt so viele gestempelte Wahlzettel gezählt worden sein, als Wähler ihre Stimme abgegeben haben. In Zorn hat eine Person die mobile Wahlurne gleich neunzehn Mal angefordert. Wahrscheinlich hat sie auch immer gewählt, sonst wäre das ja nicht beanstandet worden.
+ + + So etwas kennt man schon aus der Bibel - das mit der wundersamen Vermehrung. Und heilig waren die Jahrmarkter doch immer. Warum sollen die Giarmataer es nicht auch sein? Und die Cerneteazăr dazu. + + +

ZIUA DE VEST, Timişoara / Temeswar, 13.06.2012
In Giarmata wurde Hoidrag Dumitru verhaftet. Er hat sich auf dem Dachboden eines Anwesens von Verwandten versteckt. Der Delinquent stammt eigentlich aus Caransebeş / Karansebesch.
+ + + Komisch, dass er sich gerade in Giarmata vor dem Zugriff der Polizei sicher fühlte, wo er doch bereits 2010 in dieser Gemeinde einen Wohungseinbruch verübt hat. + + +

TION.RO, Timişoara / Temeswar, 14. Juni 2012
Am 10. Juni fanden die Kommunalwahlen in Rumänien statt. Das Zentrale Wahlbüro hat aber erst am 14. Juni die endgültige Liste mit den 99 gewählten Bürgermeistern im Kreis Timiş bekanntgegeben. In Giarmata wurde Virgil Bunescu von der USL (Sozial-Liberale-Union) – ein Parteienbündnis – gewählt.
+ + + Dem bisherigen Rathauschef, Ioan Delvai, hat nicht einmal das heilige Feuer von Jerusalem geholfen. Glaube ist eins, Politik etwas anderes. + + +

BANATSPORT.RO, Timişoara / Temeswar,14.06.2012
Ioan Delvai war ein Fußballfan. Der neue Bürgermeister, Virgil Bunescu, ist es auch. Also bleibt die Liebe für das runde Leder „in der Familie”, was zur berechtigten Hoffnung beim Fußballverein Millenium Giarmata führt, dass die Mannschaft zusammenbleibt, auch wenn der bisherige Hauptsponsor, Georgică Cornu, sein Engagement beendet hat.
+ + + Bei den vollmundigen Wahlversprechen vor der Kommunalwahl wird ja für die Kicker unter der „Walachegass“ auch noch etwas übrig bleiben. + ++

Seppi und Peppi unterhalten sich über den deutschen Fußballversager

Deutschland – Italien 1:2. Zwei Tage danach im Bahnhofscafé des trostlosesten Bahnhofs einer deutschen Großstadt. 34 Grad über Null.

- Läuft der noch immer frei herum?
- Wer?
- Na, wer wohl? Dieser Versager?
- Versager? Ein Versager ist doch kein Verbrecher.
- Schwachsinn. Du mit deiner Philosophie. Wer seinem Land diese Schande antut, gehört hinter Gitter.
- Meinst du vielleicht die Merkel mit ihrem Nachgeben in Brüssel?
- Blödsinn. Wer kann denn da schon von Versagen sprechen, wo sich doch kein Schwein mehr auskennt? Ich meine weltbewegende Ereignisse und kein Krimskrams. Dieser schwäbische Tölpel, wie heißt er nur, na der Löw, der stürzt uns noch alle ins Unglück. Blöder Name. Ese sollte er heißen, nicht Löw. Eine ganze Nation weiß wie’s geht und der baut so einen Stuff. Und was passiert ihm? Nichts! Nicht einmal einsperren, gar nichts, frei herumlaufen, der Versager, dieser.
- Was hat dieser Löw denn verbrochen?
- Ja, sag mal, bist du noch dicht? Hast du dieses Spiel nicht gesehen.
- Doch. Und was ich gesehen habe, war nicht anders als bei anderen Fußballspielen. Eine Mannschaft, die bessere an diesem Tag, hat gewonnen.
- Hast du denn überhaupt keinen Nationalstolz mehr? Die Tränen der deutschen Fans, bedeuten die dir nichts, gar nichts?
- Eigentlich nicht, denn ich habe sowieso noch nie kapiert, wie man beim Sport weinen kann. Vielleicht haben die wegen etwas ganz anderem geflennt. Vielleicht hat, was weiß ich, eine Freundin oder Freund jemand verlassen, er oder sie hat beim Lotto einen Volltreffer gemacht, nur den Schein nicht abgegeben, und solche Sachen. Vielleicht ist ihnen das gerade in den Sinn gekommen, als die da unten Fußball gespielt haben. Du kannst ja auch nicht 90 Minuten lang 100 Prozent bei der Sache sein und denkst halt mal an was anderes.
- Du scheinst kein Ehrgefühl zu haben. Vor Schande haben die geweint. Von den Italienern besiegt zu werden, weißt du überhaupt, was das heißt? Nein, weißt du nicht. Ich werde es dir sagen. Schande heißt das, Schande über uns und unsere Kindeskinder. Und nur wegen diesem Versager. Dieser, dieser ... Nicht einmal eine Mannschaft kann der zusammenstellen. Das war bei uns noch ganz anders. Der hat gedacht, der hatte immer ein taktisches Konzept bereit, unser Trainer, der Lechermann. 15 Pflichtspielsiege in Folge. Damit brüstet der sich noch in der Öffentlichkeit. Den müsste man ... man müsste ihn ... Wir haben eine ganze Saison lang alles geschlagen, was uns über den Weg gelaufen ist. Das waren noch Zeiten. Und Trainer mit Hirnzellen. Dieser Versager. Einsperren. Wegsperren, wie der Bastamann mal gesagt hat, aus dem Verkehr ziehen, bevor er uns alle ins Unglück stürzt. Landesverrat ist das. So etwas wäre unserem Trainer, dem Lechermann, damals nie in den Sinn gekommen, eine so fatale Mannschaftsaufstellung. 
- Wann war denn das?
- Ist schon lange her, sehr lange. Freie Turnerschaft Ringsee. Verstehst? F-Jugend. Das waren Zeiten. Da gab’s noch richtige Trainer und keine Versager. Und der läuft immer noch frei herum. Ich glaube, ich werd’ noch verrückt. Auswandern, auswandern werde ich.
- Finnland, wie wär’s mit Finnland? Dort ist nicht so heiß.

Mittlerweile ist auch die Ventilation im Bahnhofscafé ausgefallen. Die Temperaturen steigen weiter an.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Ruhmloser Heldentod in der Nazidiktatur


Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein, Roman; Aufbau Verlag, Berlin, 2011; ISBN-10: 3351033494; ISBN-13: 978-3351033491; 704 Seiten; Neupreis bei Amazon: € 19,95.

Als Manfred Brauneck im Jahre 1991 die vierte überarbeitete und erweiterte Neuausgabe des Autorenlexikons deutschsprachiger Literatur des 20. Jahrhunderts bei Rowohlt herausbrachte, bedankte er sich bei 87 Mitarbeitern und dem Institut für Germanistik an der Universität für Bildungswissenschaften in Klagenfurt. Keinem dieser Damen und Herren, fast alle Doktoren und Professoren, wäre damals der Gedanke gekommen, den Roman Jeder stirbt für sich allein als Hans Falladas bekanntestes Werk anzuführen. In der biografischen Notiz zu Fallada, Hans (eig. Rudolf Ditzen) *21.7.1893 Greifswald, †5.2.1947 Berlin  heißt es dem damaligen Stand der Dinge gemäß: „Sein größter Erfolg wurde der in mehr als 20 Sprachen übersetzte, zweimal verfilmte und 1972 durch die Revue von T. Dorst und P. Zadek auch für das Theater erfolgreich bearbeitete Roman Kleiner Mann, was nun?.

Der Roman Jeder stirbt für sich allein wird in der Bibliografie als eines der vielen Werke Hans Falladas erwähnt. Und es war 1991 tatsächlich auch nicht absehbar, dass dieses Buch 19 Jahre später und sogar 63 nach seinem Erscheinen – es war Falladas letztes Werk – die Bestsellerlisten stürmen werde. Das geschah via eines erfolgreichen Umwegs über Frankreich, die USA, Großbritannien und Israel. 
Der Roman erzählt vom Widerstand im Dritten Reich. Doch ist es nicht das organisierte Auflehnen gegen das Naziregime, sondern meistens das stille Aufbegehren Einzelner, Menschen wie du und ich, aus einfachen Verhältnissen kommend und nur in bescheidenen Maßen oder gar nicht politisch engagiert. Sie hatten aber das Pech, in einer der schlimmsten Diktaturen der Geschichte zu leben, und das sogar im politischen Zentrum des Bösen: in Berlin.
Fallada hatte ein ganz besonderes Gespür für die Denkweisen der einfachen Menschen. Der Weg der Quangels, des Otto und der Anna, führt durch viele Alltagsgeschichten von der Teilnahmslosigkeit über das persönliche Betroffensein in den Widerstand. So entstand eine beeindruckende und gleichsam bedrückende Milieuschilderung, die den heute lebenden Generationen das Gegenteil von dem zeigt, was uns Propagandafilme aus jener Zeit vermitteln. Die Fratze des Bösen ist uns von den Bildern aus den Konzentrationslagern dank der Alliierten bekannt.  Was sich aber in den Kellern der Gestapo abspielte, wird uns bloß mittels literarischer Fiktion jemals begreifbar sein.
Wie ein Gefängnis von innen aussah, wusste der Autor aus eigener Erfahrung. Als Dreißigjähriger verbüßte er selbst eine Haftstrafe. Da war die Gestapo aber noch weit. Ihre Gefängnisse sollten die Hölle auf Erden werden. Fallada beschreibt eindringlich, oft schonungslos den langsamen Prozess der Entwürdigung zum Tode verurteilter Häftlinge. Er lässt den Präsidenten des Volksgerichtshofes, Feisler (vom echten unterscheidet ihn nur ein unterschlagenes „r“), in der Richterrobe auftreten, um zu zeigen, dass ein so niederträchtiges, menschenverachtendes System wie das der Nazis ohne willfährige Justiz gar nicht möglich war. Das gilt natürlich auch heute noch in vielen diktatorischen Regimes.
Der Autor zeigt aber auch, dass selbst in der schlimmsten Zeit der Hitlerdiktatur die Menschlichkeit nicht endgültig ausgemerzt werden konnte. Es sind die kleinen Gesten – beim alten Kammergerichtsrat Fromm zum Schluss ins Heroische hochstilisiert -, die ein Bild der Humanität unter der braunen Bestialität, die das Land überzogen hatte, sichtbar macht.
Man hofft als Leser ja meist bis zum Schluss auf ein Wunder. Hans Fallada kannte aber kein Erbarmen. Der Titel des Romans, nimmt das Ende der Hauptgestalten vorweg. Es konnte auch gar nicht anders sein, wo doch das Lexikon festhält: „Seine Romane sind mehr soziale Reportage: kritische realistische Gesellschaftsromane, die geniale Beobachtungsgabe und detaillierte Kenntnis der äußeren Situation mit Vertrautheit der emotionalen und geistigen Disposition und Sehweise der Betroffenen verbindet.“

Anton Potche

Montag, 25. Juni 2012

Ob Gheorghe Chiochiş wohl öfter mal in seinem Leben an Hans Küchler gedacht hat?

Der Journalist und Heimatkundler mit dem Schwerpunkt Banat, Luzian Geier, hat in der Broschüre Jahrmarkter Heimatblätter - Deportation 1945 (Hrg.: Heimatortsgemeinschaft Jahrmarkt, 1995) den Beitrag Das erste Rußlandopfer publiziert. Darin heißt es zur Deportation der arbeitsfähigen Deutschen aus Jahrmarkt / Banat in die Sowjetunion (Januar 1945): „Es war schon nach der Sonntagsfrühmesse, als die zwei uniformierten Militärangehörigen auch den Jahrmarkter Maurer Hans Küchler aus dem Hause mitführen wollten zur Deportation nach Russland. Der kräftige Handwerker in besten Mannesjahren wehrte sich jedoch, es kam zu einem heftigen Wortwechsel, auch noch vor dem Haustor. Als einer der Militärs das Gewehr durchlud, flüchtete der Mann in den Hof, wo ihn jedoch die Gewehrsalve durch die Torbretter tödlich traf. Und das vor den Augen der Familienangehörigen.“

Geier schreibt also von einem „heftigen Wortwechsel“ und führt weiterhin an, dass es „außer den Augenzeugenberichten bisher keine bekannten Dokumente gab“. Damit bezieht er sich ausdrücklich auf die Zeit bis kurz „vor der Wende“ in Rumänien, also 1988 oder 1989, denn damals konnten die Eintragungen des 1945 in Jahrmarkt tätigen Kaplans Paul Lackner in den Kirchenbüchern, die in einem Staatsarchiv in Temeswar lagerten, fotokopiert werden. Darin schreibt der Kaplan, dass Hans Küchler (geb. 1903) den Gendarmen „gewalttätigen Widerstand leistete, worauf er von diesen erschossen wurde.“

Zwischen „heftigem Wortwechsel“ und „gewalttätigem Widerstand“ gibt es natürlich einen Unterschied, der Fragen aufwirft. Luzian Geier stammt aus Jahrmarkt. Man kann also davon ausgehen, dass er mit den Hinterbliebenen des Opfers gesprochen hat. Haben die ihm nur von einem „heftigen Wortwechsel“ berichtet oder von einer „Gewalttätigkeit“, die er dann aus verständlicher Rücksicht auf noch lebende und in der ehemaligen Dorfgemeinschaft bekannte Nachkommen abgeschwächt hat? Oder hat der Priester gar in der Art des geführten „Wortwechsels“ eine „Gewalttätigkeit“ gesehen? Oder hat der 42-jährige Maurer wirklich auch körperlich Widerstand geleistet? Die Wahrheit spielte damals, als die Deutschen in Rumänien vogelfrei waren, natürlich eine untergeordnete oder gleich gar keine Rolle.

Heute würden Rechtsanwälte aber zwischen „Wortwechsel“ und „Gewalttätigkeit“ genau unterscheiden, dreht es sich doch letztendlich um nicht mehr als den Unterschied zwischen „Mord“ und „Selbstwehr“. Haben die rumänischen Gendarmen einen Mord begangen oder haben sie auf einen gewalttätigen Angriff nur aus einer Abwehrhaltung überreagiert?

Nun scheint es aber doch noch irgendwo Unterlagen zu dem Fall zu geben. Dr. Mircea Rusnac hat eine Arbeit mit dem Titel Deportarea germanilor în Uniunea Sovietică – Cu referire specială la Banat veröffentlicht. (http://www.agero-stuttgart.de/REVISTA-AGERO/ISTORIE/). Und er hält fest: „Cu prilejul ridicării s-au produs şi evenimente dintre cele mai tragice. Astfel, de exemplu, în momentul când urma să fie ridicat (14 ianuarie), germanul Ioan Kukler din comuna Giarmata, judeţul Timiş-Torontal, l-a lovit în cap pe sergentul-major Iulian Vârjeanu. A urmat o luptă, în urma căreia jandarmul însoţitor, sergentul-major Gheorghe Chiochiş, l-a împuşcat mortal pe locuitorul german.” Rusac gibt für diese Information als Quelle das Buch Deportarea etnicilor germani din România în Uniunea Sovietică. 1945, culegere de documente de arhivă întocmită de Hannelore Baier, Forumul Democrat al Germanilor din România, 1994, p. 7 an.

Laut diesem Vermerk hat Hans Küchler sich also wirklich mit Gewalt gewehrt und der rumänische Feldwebel Gheorghe Chiochiş hätte auch nach unserem heutigen Rechtsverständnis alle Chancen mit einer milden Strafe davonzukommen. Dass er damals von seinem rumänischen Dienstherrn nicht gerügt, sondern wahrscheinlich sogar belobigt oder ausgezeichnet wurde, steht außer Frage.

Der Vorfall lässt heute nur mehr erahnen, welche schreckliche Spannung in jenem Winter in den von Deutschen bewohnten Dörfern des Banats vorherrschte. Die Unsicherheit muss beiderseits enorm gewesen sein und die Nerven lagen blank. Wer gegen die Staatsmacht aufbegehrte, war des Todes. Hans Küchler wurde ein Opfer dieser Athmosphäre. Ob Gheorghe Chiochiş jemals Gewissensbisse ob seiner Tat hatte oder als stolzer Diener seines Landes durchs Leben ging, ist nicht überliefert. 

Anton Potche

Donnerstag, 21. Juni 2012

So schlittert man in den Wahn

Ivo Andrić: Der verdammte Hof, Erzählung; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main, 1962; ohne ISBN-Nummer; (Bei Amazon.de gibt es ein großes Angebot an Exemplaren in der Preisspanne 0,40 € - 12,80 € - Stand 26. Mai 2012.)
Der Serbe Ivo Andrić (1892 – 1975) hat 1961 den Literaturnobelpreis für seine Novellen, Erzählungen, Essays und vor allem für seine Romane, in denen er das Leben in seiner bosnischen Heimat literarisch schildert, erhalten. In Dolac bei Travnik geboren, ist er mit der Geschichte des Balkans groß geworden. Und diese Geschichte beherrscht auch den Großteil seines literarischen Werkes.
Die Erzählung Prokleta avlija ist 1954 entstanden und 1957 in Deutsch als Der verdammte Hof erschienen. Für die Übersetzung zeichnen Milo Dor und Reinhard Federmann. Der Surkamp Verlag hat 1962 eine neue Auflage herausgebracht.
Auch dieses Buch hat die Geschichte des Balkans als thematischen Hintergrund, doch nicht unmittelbar die bosnische, serbische, albanische oder kosovarische, sondern einen Geschichtsabschnitt jenes Volkes, das im 15. Jahrhundert Europa an seiner Südostflanke massiv bedrohte – die Türken.
Der Aufbau der Erzählung entspricht dem Aus-drittem-Munde-Prinzip. Beim Aufräumen in der Klosterzelle des soeben zu Grabe getragenen Bruder Petar, ein „berühmter Uhrmacher, Waffenmeister und Mechaniker mit großer Leidenschaft“, erinnert der noch junge Bruder Rastislav sich an die Erzählungen des Verblichenen.
Dieser hatte ein Lieblingsthema, und das hieß Der verdammte Hof. In diesem am Stadtrand Istanbuls gelegenen Gefängnis musste der, einer Intrige zum Opfer gefallene, christliche Mönch Petar vor vielen Jahren eine Haftstrafe absitzen. Einige der Menschen, die er dort vorfand oder denen er begegnete, haben ihn nie mehr losgelassen und er erzählte seinen Mitbrüdern immer wieder von ihnen.
Ob es der „Direktor dieser seltsamen und grausamen Institution, Latif Aga, genannt Karadpos“ war, oder der anhängliche Chaim, der eingebildete Frauenheld Zaim und so mancher andere, alle lebten in der Erinnerung Bruder Petars weiter. Das Schicksal eines jungen Mannes, Sohn eines Türken und einer Griechin, aus Smyrna beschäftigte ihn aber in besonderem Maße.
Djamil soll ein sehr belesener Mensch gewesen sein. Die Geschichte der Osmanen lag ihm am Herzen und dafür hat er „zwei Jahre mit Studien in Istanbul“ verbracht. Besonders das Schicksal des gescheiterten Thronanwärters Dschem, ein Sohn Mohammeds II., der Eroberer Konstantinopols, und Bruder Bajezids II., interessierte ihn. Und genau daraus hat ein kleinherziger Bürgermeister aus Smyrna ihm einen Strick gedreht und aus Djamils Hingabe für Dschem eine Verschwörungstheorie gegen das damalige türkische Regime – es könnte so um die zwanzigste Jahrhundertwende gewesen sein – gedreht.
Ivo Andrić erzählt also durch die letztendlich im Wahn endende Leidenschaft Djamils einen Aspekt des eigentlich immerwährenden Machtkampfes um den türkischen Thron im 15. Jahrhundert. Er erzählt, „dass Sultan Mohammed den jüngeren Sohn lieber gehabt und auch gewünscht hatte, dass er sein Nachfolger werde“. Spricht hier serbischer Nationalstolz? Das wäre natürlich auch bei einem Nobelpreisträger nur menschlich. Dschems Mutter stammte nämlich aus „fürstlichem serbischen Geschlecht“. Von den Charakterzügen dieses Sultananwärters erzählt Ivo Andrić nichts.
Umso mehr aber Nicolae Iorga (1871 – 1940) in seiner Geschichte des Osmanischen Reiches (Verlag Gotha, Perthes, 1908 -1913). Er widmet dem schließlich in Rom gelandeten „Dschem, der Freund der Dichter, der selbst in die Geheimnisse morgenländischer Poesie eingeweiht war“, ein ganzes Kapitel. Und darin kann man auch folgende Charakterisierung, die Iorga anderen Quellen entnommen hat, nachlesen: „Man wies ihm eine gut bewachte Wohnung im Vatikan an, den sein Vater Mohammed einst als Sieger zu betreten geträumt hatte, um der gesamten Priesterschaft den Fuß auf den Nacken zu setzen. Hier gewährte man ihm in seinem faulen, Vergnügungen allerart ergebenen Leben allen Vorschub: [...] weil er nach ausgiebigstem Schlafe fünfmal am Tag zu speisen, dabei mit untergeschlagenen Beinen dazusitzen, die Bissen mit den Händen zu nehmen, sich an süßem Weine zu berauschen, die Dienerschaft mit Schlägen und Schwerthieben zu züchtigen und wilde Musik und bald traurige, bald einer vergänglichen Liebe gewidmete unverständliche Verse zu machen pflegte.“
Zu solchen Äußerungen konnte Andrićs Held Djamil sich über seinen angebeteten Dschem natürlich nicht hinreißen lassen. Bei ihm dominierte das Bedauern, und zwar so sehr, dass er zum Schluss glaubte, selbst Dschem zu sein und dessen Prätendenten-Schicksal erleiden zu müssen.

Anton Potche

Montag, 18. Juni 2012

Seppi und Peppi reden vom Semmelnkaufen


Es herrscht Halbdunkel im Bahnhofscafé des trostlosesten Bahnhofs einer deutschen Großstadt.

- Kaufst du deine Semmeln noch immer in der gleichen Bäckerei.
- Bis vor kurzem ja.
- Jetzt nicht mehr?
- Nein.
- Warum? Müller-Effekt? Hast du Bedenken?
- Das nicht, aber mittlerweile pfeifen es doch die Spatzen vom Dach.
- Was?
- Die haben eine Verkäuferin entlassen, weil sie angeblich einem alten Mann einen Kaffee spendiert hat?
- Discountermanieren. Die setzen sich halt durch.
- Nicht vor Gericht. Sie mussten die Frau wieder einstellen. Es hat sich sogar herausgestellt, dass die Geschichte gar nicht wahr ist.
- Das mit der Entlassung.
- Nein. Mit dem Kaffee.
- Dann kannst du deine Semmeln doch wieder dort kaufen.
- Mach ich nie mehr. In der Stadt wird herumerzählt, die Chefin der Bäckerei würde die Verkäuferin jetzt auf Schritt und Tritt schikanieren.
- Es gibt schon krätzige Typen in dieser Branche.
- Nicht nur Mäuse und Kakerlaken. Aber andere backen ja auch noch Brot.

Das Korn dafür wächst schon auf den Feldern. Hoffentlich bleibt es von menschlichen Boshaftigkeiten verschont.


Mittwoch, 13. Juni 2012

Adâncurile şi abisurile unui suflet zbuciumat

Max Blecher: Vizuina luminată – Jurnal de sanatoriu; Editura Art, Bucureşti, 2009; ISBN 978-973-124-359-7

Ce vreme! Şi ce carte! Stau pe insula Rügen în această vară fără vară şi citesc. Nori adânci trec peste insulă. O atmosferă sumbră. Nici urmă de uşurinţa sufletească a unui concediu la mare. Şi totuşi îmi rămâne o consolare. Comparând existenţa mea cu cea a lui Max Blecher, mă pot considera norocos. Nu numai fiindcă mi-a fost dat să trăiesc deja de două ori mai mult decât acest tânăr talentat care a murit la 28 e ani, ci fiindcă a avea ocazia de a scrie un jurnal de sanatoriu nu este nicidecum un privilegiu, chiar dacă îţi paviază drumul în eternitatea literară.

Ştiu, asta se poate interpreta acum ca o meschinărie la adresa unui biet literat român. Eu o consider însă o recunoştinţă la adresa unui mare scriitor care şi 74 de ani după scrierea acestor rânduri de jurnal, reuşeşte să stârnească impresii adânci în sufletul unui cititor. Şi sunt convins că nu sunt singurul care a rămas adânc impresionat de cele citite în acest jurnal.

Cartea are mai multe capitole fără titluri şi care devin spre capătul volumului tot mai scurte, parcă autorul s-ar fi grăbit să ajungă la un sfârşit. Şi totuşi închizi cartea cu impresia că nu e terminată, doar întreruptă. Biografia lui Max Blecher ne arată însă că este într-adevăr vorba de un sfârşit – de scris, dar şi de viaţă.

Ce titluri aş putea să dau acestor capitole, m-am întrebat şi le-am şi notat după fiecare citire. 

1. Jurnalul morţii
Sanatoriul din Berck (Franţa). Un pacient suferă de tuberculoză osoasă. Are doar 19 ani şi va rămâne trei ani acolo. Va părăsi sanatoriul viu, dar nu şi vindecat. Este tânărul Max Blecher. Alţi pacienţi nu au acest noroc. Ca de exemplu un „nou venit cu privirile lui candide şi gesturile lui moi”. Autorul jurnalului descrie cu lux de amănunte „setea” proprie de viaţă, în timp ce în camera alăturată acest nou venit se stinge. Rememorând aceste momente tragice, Max Blecher se întreabă nouă ani mai târziu: „În ce se diferenţiază clipa când moare un om, de celelalte, când nu se întâmplă decât fapte banale şi simple?”

„Putem să evocăm cutare sau cutare amintire şi nimic nu ne indică valoarea mai mare sau gravitatea şi importanţa ei faţă de cealaltă.” Din această constatare putem deduce că evenimente demne de reţinut au fost cu duiumul. Blecher foloseşte unele pentru a exemplifica trăiri interioare. Unul din aceste sentimente este solitudinea, evocată mereu şi mereu de tânărul internat. Câteodată doar moartea poate să spargă această singurătate, o schimbare tristă în monotonia zilelor de rând ale sanatoriului, mai ales dacă e vorba de oameni care ţi-au devenit dragi, ca Boby care „muri în aceeaşi noapte, cu durerile calmate şi cu sentimentul unei mari linişti.”

Cunoştinţele lui Max Blecher la sanatoriul din Berck sunt de scurtă durată, dar cu atât mai intensive. Biografii cu complicaţii personale, cu visuri secrete şi deşarte se desfăşoară în faţa lui. Nevoia de comunicare a omului pe moarte este mare şi câteodată revoltătoare pentru cel care ascultă. Aşa i s-a întâmplat şi cu adolescenta Teddy care, după ce a fost „transportată într-un sanatoriu de lângă Paris [...], muri din imposibilitatea de a se putea hrăni”.

2. Intimitatea scrisului sau Luciditatea durerii
Da, aşa am putea intitula acest capitol. Asistăm la o transformare a procesului de scriere într-o formă trupească. „În clipa când scriu, pe mici canaluri obscure, în râuleţe vii şerpuitoare, prin întunecate cavităţi săpate în carne, cu un mic gâlgâit ritmat de puls se revarsă în noaptea trupului, circulând printre cărnuri, nervi şi oase, sângele meu.”

Cititorul este confruntat cu bolile de care suferea Max Blecher: „plaga care îmi deschidea burta”, „mi se ivi la coapsă o extraordinară complicaţie, o umflătură teribilă plină de materii purulente”, „o straşnică deranjare intestinală”, „picioarele anchilozate la genunchi într-o poziţie foarte proastă”. Astea sunt câteva boli care au apărut în timpul şederii în sanatoriu. Este greu să-ţi imaginez o astfel de situaţie. Cu toate astea a rămas în relatarea lui Blecher o nuanţă de umor, când, de exemplu, compară o rană pe corpul propriu cu „o vulvă roşie superbă ca o floare exotică cu petalele trandafirii şi groase”, pe care o zărea când iapa lui ridica „coada pentru anumite treburi”.

Al 3-lea capitol transportă senzaţii since fiction. I-am dat titlul De la speranţa veşnică la visul eBuy sau De la naturalism la surealism. Max Blecher se află într-un sanatoriu elveţian, la Leysin. Asistăm la o trecere treptată dintr-o stare de imobilitate fizică, într-o fază de speranţă, urmată de vise care arată spre o lume, pe care, cel puţin din vedere economică, o trăim azi: „Radioul de fabricaţie” din visul lui Blecher are ceva comun cu cumpărăturile noastre prin intermediul portalului eBuy.

Nu trebuie să uităm că acest jurnal a fost scris de Max Blecher un an înaintea morţii sale. Cu toate că ultimele capitole indică o fantezie incandescentă, datorată diferitelor boli, se simte şi speranţa tânărului de 28 de ani, de a putea supravieţui şi a putea scrie mai departe. Omul îşi găsise menirea: scrisul literar. Mai avea mult de scris. Pentru asta îi mai trebuia răgaz, răgaz de a trăi. În limba, extraordinar de frumoasă, a lui Max Blecher această dorinţă sună astfel: „Dar aş vrea câteodată să-mi însemn şi toate reveriile şi toate visele nocturne pentru a da cu adevărat imaginea viziunii iluminate care stă înfundată în întunericul meu cel mai familiar şi cel mai intim.” Această mărturisire este deja un aviz cititorului spre capitolul următor, căruia i-am pus titlul Atotputernicia întunericului sau Agonia iubirii împlinite şi a geloziei despărţirii.

Viziuni întunecate – „Totul va putrezi pentru a fi absorbit apoi de întuneric, pentru totdeauna.” – alternează cu momente de exaltare, de o voinţă stranie de viaţă, cum şade bine unui tânăr de vârsta lui Blecher. Şi toate astea sunt împachetate într-o frumoasă poveste de dragoste. 

Cum spuneam deja, capitolele sunt tot mai scurte. Ultimul are doar opt pagini. L-aş intitula Hibernarea întreruptă de şoricei. Cred că aici întrebarea, câtă realitate mai există în acest sfârşit de jurnal, este justificată. Cele întâmplate în sanatoriul din Techirghiol au o puternică nuanţă himerică şi o semnificaţie simbolică deosebită.

Jurnalul se termină cu propoziţia: „Eram pe ciment, dârdâiam de frig şi nu ştiam ce să fac.” Notele biografice de la începutul cărţii consemnează faptul că în anul 1937 Max Blecher a mai lucrat la Vizuina luminată. La 31 mai 1938 a încetat din viaţă.

[Binz pe insula Rügen, 10.07.2011]
Anton Delagiarmata

Freitag, 8. Juni 2012

Musik am Pfingstmontag (2)

Gleicher Ort, gleiche Zeit, gleicher Anlass. Doch ging es diesmal viel gesitteter zu. Der Reiseschriftsteller Josef Hofmiller wäre von jedem „ketzerischen Einfall“ verschont geblieben. Die Kirche Maria de Victoria war zu dieser OrgelMatinee am Pfingstmontag im Jahre des Herrn 2012 nicht überfüllt. Aber gut gefüllt. Und es gab zum Unterschied vom Vortag nichts zu sehen, nur zu hören.

Das allerdings war den Weg zu dieser Kirche in der Ingolstädter Innenstadt wert. Johann Ludwig Krebs (1713 – 1780) stand auf dem Programm. Seine Fantasia und Fuga F-Dur sprüht nicht unbedingt vor Lebensfreude. Die Jann-Orgel unter den Händen und Füßen von Christian Ledl verströmte eine eher düstere Atmosphäre. Nicht dass diese Musik traurig stimmen würde, aber irgendwie gemahnend zu Besinnlichkeit, vielleicht sogar ein wenig Demut. Der erfahrene Musiker ist Organist und Chorleiter an der St. Moritzkirche, der einzigen Kirche in Ingolstadt bis zur Fertigstellung der „Oberen Pfarr“ – gemeint ist das Liebfrauenmünster -, von deren „übermächtigen Eindrücken“ unser Schriftsteller sich im „Betsaal der Maria Viktoria“ erholen musste. (Musik am Pfingstsonntag).

Francesco Manfredini (1684 – 1762) – Concerto D-Dur für zwei Trompeten und Orgel hatte sofort eine andere Strahlkraft. Im Zusammenspiel zeigt sich erst die Professionalität eines Musikers. Das Zuhören und Gewähren des Vortritts wenn nötig, gehören zu den Grundvoraussetzungen eines gelungenen Vortrages. Christian Ledl begleitete die zwei Trompeter mit der nötigen Zurückhaltung, aber ohne dem Part der Orgel das königliche Selbstbewusstsein zu nehmen. Hans-Paul Fuss, Lehrer an der Städtischen Musikschule Rottenburg an der Laaber, und sein Sohn Christian Fuss, Student im Fach Trompete an der Musikhochschule München, spielten die zwei Allegro-Sätze sicher und entsprechend virtuos. Der Lento-Mittelsatz ist nicht mit Trompete besetzt. Ungewöhnlich für ein Trompetenkonzert. Sollte es etwa damit zu tun haben, dass Francesco Manfredinis Vater Posaunist war, also etwas vom Ansatz bei Blechblasinstrumenten verstand?

Das dritte Stück der Matinee war wieder der Orgel vorbehalten. Und wieder hieß der Komponist Johann Ludwig Krebs. Dass dieser Krebs einer der Lieblingsschüler Johann Sebastian Bachs war, hört man seiner Musik natürlich an. Das Trio C-Dur ist aber eher ein lieblicher Melodienreigen. Diese universale Klangfülle bachscher Musikwelt, die manchmal auch ermüdend wirken kann, ist hier nicht eingeflossen. Der Heilige Geist liebt nun mal die kreative Freiheit. Dank gebührt sowohl Komponist als auch Organist für ein wunderschönes kleines Musikstück.

Als nächstes folgte Vivaldissimo für zwei Trompeten und Orgel. Eine anspruchsvolle Geschichte, die der viel gespielte Komponist Enjott Schneider (*1950) da geschrieben hat. Die Trompeten schienen sich gegenseitig anzutreiben, regelrecht zu jagen, den Berg hinauf, in steile Höhen, wo die Luft eng wird. Aber Vater und Sohn haben es schließlich geschafft. Auch mit der fachlich sehr soliden Unterstützung der Orgel.

Der letzte Programmpunkt dieser Pfingstmontagsmatinee stellte unter Beweis, dass, erstens, gute klassische Musik nicht nur von Koryphäen komponiert werden kann, sondern auch von Amateuren und dass, zweitens, Viersatz-Stücke nicht unbedingt lang sein müssen. Von 1653 bis 1728 lebte ein Mann namens Jean-Baptiste Loeillet, der angeblich im Laufe seines Lebens in Genf Barbier, Wundarzt und sogar Hellebardier gewesen sein soll. Gewiss ist das aber nicht, sowie nichts sicher in der Biographie dieses Menschen ist, nicht einmal seine Geburts- und Sterbedaten. Und schon längst nicht seine zahlreiche Nachkommenschaft. Vielleicht hatte der gute Mann von Musik gar keine Ahnung und die ihm zugeschriebenen Werke stammen von einem oder auch mehreren seiner Nachkommen. Wie auch immer, was unter dem Namen Jean-Baptiste Loeillet existiert, hat musikalische Qualität, sonst hätte es nicht bis in unsere Tage überlebt. Deutlicher sind die musikalischen Werdegänge der drei Protagonisten in der OrgelMatinee um Zwölf – nachzulesen im Programmheft. Und deutlich klang auch die Musik des schleierhaften Franzosen oder Wallonen aus dem  17./18 Jahrhundert. Sein (oder auch nicht sein) Concerto D-Dur für zwei Trompeten und Orgel ist trotz seiner Kürze ein anspruchsvolles Werk. Die klassische Form langsam – schnell – langsam – schnell verlangt natürlich besonders den Trompetern einiges ab. Aber die Erfahrung des Älteren – Hans-Paul Fuss war im Alter seines Sohnes Solotrompeter an der Staatsphilharmonie im siebenbürgischen Hermannstadt – gepaart mit dem Elan und der Virtuosität des Jüngeren ließen dieses Werk zum Höhepunkt der Matinee am Pfingstmontag werden. 


Es ist ein Glücksfall für eine Stadt, eine solche Einrichtung wie die Orgelmatinee um Zwölf am Leben erhalten zu können. (Die Konzerte sind kostenlos.) Und das schon seit 1990. Besonders für junge Künstler ist sie eine hervorragende Bühne, eine große Chance, Erfahrung für den hierzulande wegen dem hohen Niveau sehr schwierigen Beruf des Berufsmusikers zu sammeln. Christian Ledl ist im Raum Ingolstadt ein bekannter Name. Christian Fuss ist auf dem besten Weg einer zu werden. Die Unterstützung seines erfahrenen Vaters, Hans-Paul Fuss, ist ihm sicher. Und Josef Hofmiller würde sich über 
diese Konstellation bestimmt freuen.
Anton Potche

Montag, 4. Juni 2012

Musik am Pfingstsonntag (1)


„Nur von dem Betsaal der Maria Viktoria möchte ich noch sprechen, in dem wir uns von den übermächtigen Eindrücken der oberen Pfarr erholten, einem geistreichen, schön-rhythmischen Raum, der an die Kaisersäle in Ottobeuren oder St. Florian anklingt, oder an den Münchener Bürgersaal, ein raffiniert beherrschtes und abgewogenes Stück kirchlicher Salonarchitektur, elegant, repräsentativ wie ein Thronsaal, dabei von einer vornehmen Behaglichkeit, dass man unwillkürlich auf den kezerischen Einfall kommt: hier müsste das G-moll-Quintett von Mozart gut klingen.“

Das war am Pfingstwochenende 2012 so zu lesen im Ingolstädter Lokalblatt DONAUKURIER. Geschrieben hat es der Schriftsteller Josef Hofmiller (1872 – 1933) in seinen Reiseerzählungen Wanderbilder und Pilgerfahrten. Soweit ich weiß, ohne mich allerdings festzulegen, wurde Mozarts G-moll-Quintett in der Ingolstädter Asamkirche Maria de Victoria, die der Essayist und Reiseschriftsteller hier meint, in den letzten 22 Jahren, seit es die außergewöhnlich erfolgreiche OrgelMatinee um Zwölf gibt, nicht aufgeführt. Aber Mozart gab es trotzdem viel – doch nie zur Genüge. Und kezerisch?

Also diesbezüglich hat sich die Welt schon spürbar gewandelt. Zum Guten, würde ich sagen, zum Heiteren in der Kirchenmusik. Weg vom vergeistigten Lauschen hin zum vererdeten Genießen hochkarätiger klassischer Musik. Ob die dann Kirchen-, Orchester-, Chor-, Bläsermusik oder wie auch immer heißt, spielt kaum noch eine Rolle. Wichtig ist, die Menschen strömen in die Kirchen, wenn Konzerte angesagt sind und genießen es schlichtweg, wenn mal die Musikantenstimmung auch in diesen sakralen Gemäuern nicht unbedingt zu Inbrunst verleitet.

Das hätte Herrn Hofmiller bestimmt gefallen, wenn er am Pfingstsonntag anno 2012 das Konzert der OrgelMatinee in der Asamkirche Maria de Victoria zu Ingolstadt miterleben hätte können. Dabei klingt Johann Sebastian Bach doch so sehr nach tiefer religiöser Seriosität. Stimmt, aber nicht nur. Das Choralvorspiel BWV 667 Komm, Gott, Schöpfer, heiliger Geist verbreitet Zuversicht. Münsterorganist Franz Hauk hat von der Orgelempore genau diese Pfingststimmung angekündigt.

Und als er dann in den „Betsaal“ herabstieg und sich ans Cembalo auf dem Altarpodest saß, waren die Voraussetzungen schon für eine Steigerung der lockeren, feiertagsgemäßen Geisteshaltung geschaffen. Das AsamCollegium (in stets variierender Besetzung) war spielbereit. Ebenso ein namhafter Solist: Justus Willberg mit seinem Flautino. Der Fachmann für Alte Musik spielte sehr virtuos und mit sichtbarer Freude das Concerto C-Dur für Flautino, Streicher und basso continuo RV443 von Antonio Vivaldi (1678 – 1714). Die kleine Sopranino-Blockflöte ist in den Händen des nicht nur musikalisch, sondern auch körperlich großen Mannes fast verschwunden. Umso mehr brillierten die Töne, die er aus dem kleinen Instrument zauberte.

Damit war der Solistenreigen für diese OrgelMatinee aber erst eröffnet. Auf dem Programm stand noch als dritter Punkt Johan Sebastian Bachs 2. Brandenburgisches Konzert F-Dur für Blockflöte, Oboe, Violine, Trompete, Streicher und Basso continuo BWV 1047. Die Oboe spielte der allseits bekannte und beliebte Georgier George Kobulashvili (eine andere Schreibweise lautet Georgi Kobulaschwili) und die Solo-Violine Theona Chkheidze. Die junge Georgierin hat 1994 den Mozart-Wettbewerb in Tiflis gewonnen. Also eine prädestinierte Geigerin für einen „kezerischen“ Einfall. Den hatte allerdings an diesem Tag eher der stets bescheiden und schüchtern wirkende Franz Hauk. Das behauptete nämlich der letzte Musiker im Reigen der angekündigten – und hier wirklich auch benötigten - Solisten: Christoph Well.

Der weit übers Bayernland hinaus bekannte Musiker und Kabarettist (Birmösl Blosn) hatte die Lacher sofort auf seiner Seite als er meinte: „Der Franz hat gmoant.“ Der hätte ihn nämlich zu seinem Auftritt, der so und nicht anders ausfallen musste, angestiftet. So und nicht anders sah die eineinhalb Mann lange Orgelpfeife aus, die der schmächtige Trompeter nämlich heranschleppte. Und wie er dann in seinem unverfälschten Bayrisch für die Patenschaftsaktion, die eine neue Chororgel im Liebfrauenmünster Ingolstadt möglich machen soll, warb, das war natürlich allererste kabarettistische Sahne. Doch keinen Augenblick übertrieben oder in billigen Kitsch abgleitend. Ja und Herr Hofmiller?  Der hätte sich bestimmt gewünscht, in unserer Zeit zu leben.

Der Heilige Geist schwebte längst durchs Kirchenschiff und die Aufnahmefähigkeit der Menschen in der übervollen Kirche machte dem Pfingstfest alle Ehre. Christoph Well hatte die Pfeife abgelegt und zu seiner Trompete gegriffen und auch Justus Willberg hatte seine Pfeife mit einer Blockflöte ausgetauscht. Es konnte losgehen. Und das tat es dann auch, das 2. Brandenburgische Konzert. Und wie. Mit einem Allegro. Fulminant. Musikantentum nach allen Regeln der Kunst. Jede Note, noch so hoch, jeder Lauf, noch so schwierig – gelebt, viel mehr als nur gespielt. Und dann das Andante. Gefühl pur. Das Gleiten in den Rausch. Allegro assai. Da geht die Post ab, sagen die Musiker.


Sollte mal ein Reiseschriftsteller – gibt es so etwas überhaupt noch? – Ingolstadt besuchen, dann sollte er eine OrgelMatinee um Zwölf (sonntags) – auch wenn nicht alle das gleiche künstlerische Niveau erreichen – unbedingt besuchen. Es wäre auch für ihn die Chance, unsterblich zu werden. Wie damals für Josef Hofmiller.
Anton Potche