Hans Fallada: Jeder stirbt für sich allein, Roman; Aufbau Verlag, Berlin, 2011; ISBN-10: 3351033494; ISBN-13: 978-3351033491; 704 Seiten; Neupreis bei Amazon: € 19,95.
Als Manfred
Brauneck im Jahre 1991 die vierte überarbeitete und erweiterte Neuausgabe
des Autorenlexikons deutschsprachiger
Literatur des 20. Jahrhunderts bei Rowohlt herausbrachte, bedankte er sich
bei 87 Mitarbeitern und dem Institut für Germanistik an der Universität für
Bildungswissenschaften in Klagenfurt. Keinem dieser Damen und Herren, fast alle
Doktoren und Professoren, wäre damals der Gedanke gekommen, den Roman Jeder stirbt für sich allein als Hans Falladas bekanntestes Werk
anzuführen. In der biografischen Notiz zu Fallada,
Hans (eig. Rudolf Ditzen) *21.7.1893
Greifswald, †5.2.1947 Berlin heißt
es dem damaligen Stand der Dinge gemäß: „Sein größter Erfolg wurde der in mehr
als 20 Sprachen übersetzte, zweimal verfilmte und 1972 durch die Revue von T.
Dorst und P. Zadek auch für das Theater erfolgreich bearbeitete Roman Kleiner Mann, was nun?.“
Der Roman Jeder stirbt
für sich allein wird in der Bibliografie als eines der vielen Werke Hans Falladas erwähnt. Und es war 1991
tatsächlich auch nicht absehbar, dass dieses Buch 19 Jahre später und sogar 63
nach seinem Erscheinen – es war Falladas
letztes Werk – die Bestsellerlisten stürmen werde. Das geschah via eines
erfolgreichen Umwegs über Frankreich, die USA, Großbritannien und Israel.
Der Roman erzählt vom Widerstand im Dritten Reich.
Doch ist es nicht das organisierte Auflehnen gegen das Naziregime, sondern
meistens das stille Aufbegehren Einzelner, Menschen wie du und ich, aus
einfachen Verhältnissen kommend und nur in bescheidenen Maßen oder gar nicht
politisch engagiert. Sie hatten aber das Pech, in einer der schlimmsten
Diktaturen der Geschichte zu leben, und das sogar im politischen Zentrum des
Bösen: in Berlin.
Fallada hatte ein ganz besonderes Gespür für die
Denkweisen der einfachen Menschen. Der Weg der Quangels, des Otto und der Anna,
führt durch viele Alltagsgeschichten von der Teilnahmslosigkeit über das
persönliche Betroffensein in den Widerstand. So entstand eine beeindruckende
und gleichsam bedrückende Milieuschilderung, die den heute lebenden
Generationen das Gegenteil von dem zeigt, was uns Propagandafilme aus jener
Zeit vermitteln. Die Fratze des Bösen ist uns von den Bildern aus den
Konzentrationslagern dank der Alliierten bekannt. Was sich aber in den Kellern der Gestapo
abspielte, wird uns bloß mittels literarischer Fiktion jemals begreifbar sein.
Wie ein Gefängnis von innen aussah, wusste der
Autor aus eigener Erfahrung. Als Dreißigjähriger verbüßte er selbst eine
Haftstrafe. Da war die Gestapo aber noch weit. Ihre Gefängnisse sollten die
Hölle auf Erden werden. Fallada
beschreibt eindringlich, oft schonungslos den langsamen Prozess der
Entwürdigung zum Tode verurteilter Häftlinge. Er lässt den Präsidenten des
Volksgerichtshofes, Feisler (vom echten unterscheidet ihn nur ein
unterschlagenes „r“), in der Richterrobe auftreten, um zu zeigen, dass ein so
niederträchtiges, menschenverachtendes System wie das der Nazis ohne
willfährige Justiz gar nicht möglich war. Das gilt natürlich auch heute noch in
vielen diktatorischen Regimes.
Der Autor zeigt aber auch, dass selbst in der schlimmsten
Zeit der Hitlerdiktatur die Menschlichkeit nicht endgültig ausgemerzt werden
konnte. Es sind die kleinen Gesten – beim alten Kammergerichtsrat Fromm zum
Schluss ins Heroische hochstilisiert -, die ein Bild der Humanität unter der
braunen Bestialität, die das Land überzogen hatte, sichtbar macht.
Man hofft als Leser ja meist bis zum Schluss auf
ein Wunder. Hans Fallada kannte aber
kein Erbarmen. Der Titel des Romans, nimmt das Ende der Hauptgestalten vorweg.
Es konnte auch gar nicht anders sein, wo doch das Lexikon festhält: „Seine
Romane sind mehr soziale Reportage: kritische realistische Gesellschaftsromane,
die geniale Beobachtungsgabe und detaillierte Kenntnis der äußeren Situation
mit Vertrautheit der emotionalen und geistigen Disposition und Sehweise der
Betroffenen verbindet.“
Anton Potche
Anton Potche
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