Seppi und Peppi sitzen im Bahnhofscafé des nicht
mehr ganz so bedauernswerten Bahnhofs einer deutschen Großstadt. Es schneit in
die Sommerzeit. Da will man nicht einmal einen Hund hinausjagen.
- Hast du den DONAUKURIER
schon gelesen?
- Ja. Meinst du „die CSU
in Schockstarre“? Nein, der Schmarrn interessiert mich nicht. Du wirst doch
nicht glauben, dass der Wähler sich das bis nächstes Jahr merkt. Der hat doch
ein schwächeres Gedächtnis als ein Wurm. Ich meine die Georgier.
- Die Georgier?
- Ja, die haben gerauft.
- Mit wem?
- Mit niemand. Unter sich.
Zwei Cellisten haben einem Geiger die Nase eingeschlagen.
- Die haben ja auch
größere Instrumente. Wollte der Geiger auch Cello spielen?
- Nein. Wegen dem Lavard Skou Larsen.
- Wer ist das?
- Der Kapellmeister.
- Der geigt wohl auch,
was? Und da glaubten die Cellisten sich diskriminiert, weil der die Geige
bevorzugt. War es so?
- Hör auf mit der
Schwafelei. Die sind wirklich total zerstritten wegen diesem Kapellmeister.
Einige wollen ihn und andere nicht.
- Die Cellisten wollen ihn
nicht, nehme ich an.
- Ja. Er hat angeblich
gesagt: „Ihr seid ein drittklassiges Orchester, und wenn ihr euch anstrengt ein
zweitklassiges.“ Das lassen sich die Professoren aus Tbilisi natürlich nicht
gefallen. Also, zumindest einige aus dem Orchester, laut Zeitung, etwa die
Hälfte der Georgier.
- Und die Gegner wollten
die Anhänger vom Larsen jetzt etwas
rustikal bekehren.
- So kann man das sehen.
- Zigeuner.
- Nein, Georgier, gebildete
Professoren aus Tbilisi.
- Nicht jeder Zigeuner ist
ein Musikant, aber jeder Musikant ein Zigeuner.
- Hm. Wo hast du das her?
- So hat man bei uns
gesagt.
- Wo, bei euch?
- Na, dort unten im Banat.
- Man soll doch das Wort
Zigeuner gar nicht benutzen. Das ist doch diskriminierend.
- Hier, bei uns, in einer
Political-Correctness-Welt, aber nicht dort, wo die Menschen sich noch keine
Mühe machen, sich anders zu geben, als sie wirklich sind. Wenn da einer zum
anderen „du Zigeiner“ gesagt hat, dann war das nicht selten die Anerkennung von
dessen Bauernschläue. Wurde jemand hereingelegt, sagte er über seinen
Widersacher oft im Spaß oder Zorn – das war von dem Seriositätsgrad der
Situation abhängig – „der Zigeiner“. Für Streiterei wurde regelmäßig das Wort
„Zigeinerei“ benutzt.
- Also sind die Musikanten
alle Zigeuner? Auch die Georgier?
- Ja.
- Haben die Musikanten
sich bei euch auch immer gestritten?
- Und wie! Meinen
Kapellmeister haben sie mal krankenhausreif geschlagen. Und nicht nur ihn.
- Die eigenen Leute? Nein,
die Gegenpartei. Die von der anderen Dorfkapelle.
- Die Georgier haben sich aber
gegenseitig verprügelt. Das ist nicht das Gleiche.
- Doch. Musikantenrauferei
ist Musikantenrauferei. Nur in Ingolstadt hat die jetzt eine andere, höhere
Qualität erreicht. Wir sprechen hier von einem professoralen Raufniveau, denn
diese Georgier haben alle höhere Bildungsweihen.
- Bist du jetzt stolz auf
die Musikanten in deinem Dorf.
- Klar! Das waren echte
Musikanten, fast auf dem Niveau der Georgier, ja, ich würde sagen, sogar
besser, denn der zusammengeschlagene Geiger konnte zwar nicht mitspielen, aber
von "bewusstlos geschlagen" wie in meinem Dorf, ist im DONAUKURIER keine Rede.
- Und wie wird das jetzt
weitergehen mit den Georgiern?
- Wer miteinander raufen
kann, wird sich eines Tages auch wieder zusammenraufen. Das war in meinem Dorf
auch so. Die mussten zwar alle ihre Heimat verlassen, um nach einer Generation
gemeinsam Feste zu feiern – mit Spanferkel und so -, aber sie haben es nach
fast 60 Jahren immerhin geschafft. Was die damaligen Protagonisten im Himmel
dazu sagen, ist noch nicht bekannt. Die Ferne scheint auf jeden Fall eine
versöhnliche Wirkung auf die Musikanten aus meinem Dorf gehabt zu haben.
- Und die Georgier
sind ja auch fern der Heimat. Also meinst du, dass nach einer Generation wieder
Friede einkehren wird?
- Schau mer mal!
Der Schnee ist in Regen übergegangen. Gruselig.
Einfach nur gruselig. „Greisliches Wedder“ hieß das im Banater Musikantendorf,
damals, als es noch Banater Schwaben gab. Ich meine echte, mit „Schunke in der
Speis un Wein im Keller, mit raaflustiche Musikante un Handballiste vun Weltformat“.
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