Samstag, 27. Oktober 2012

Seppi und Peppi unterhalten sich über die Georgier


Seppi und Peppi sitzen im Bahnhofscafé des nicht mehr ganz so bedauernswerten Bahnhofs einer deutschen Großstadt. Es schneit in die Sommerzeit. Da will man nicht einmal einen Hund hinausjagen.

- Hast du den DONAUKURIER schon gelesen?
- Ja. Meinst du „die CSU in Schockstarre“? Nein, der Schmarrn interessiert mich nicht. Du wirst doch nicht glauben, dass der Wähler sich das bis nächstes Jahr merkt. Der hat doch ein schwächeres Gedächtnis als ein Wurm. Ich meine die Georgier.
- Die Georgier?
- Ja, die haben gerauft.
- Mit wem?
- Mit niemand. Unter sich. Zwei Cellisten haben einem Geiger die Nase eingeschlagen.
- Die haben ja auch größere Instrumente. Wollte der Geiger auch Cello spielen?
- Nein. Wegen dem Lavard Skou Larsen.
- Wer ist das?
- Der Kapellmeister.
- Der geigt wohl auch, was? Und da glaubten die Cellisten sich diskriminiert, weil der die Geige bevorzugt. War es so?
- Hör auf mit der Schwafelei. Die sind wirklich total zerstritten wegen diesem Kapellmeister. Einige wollen ihn und andere nicht.
- Die Cellisten wollen ihn nicht, nehme ich an.
- Ja. Er hat angeblich gesagt: „Ihr seid ein drittklassiges Orchester, und wenn ihr euch anstrengt ein zweitklassiges.“ Das lassen sich die Professoren aus Tbilisi natürlich nicht gefallen. Also, zumindest einige aus dem Orchester, laut Zeitung, etwa die Hälfte der Georgier.
- Und die Gegner wollten die Anhänger vom Larsen jetzt etwas rustikal bekehren.
- So kann man das sehen.
- Zigeuner.
- Nein, Georgier, gebildete Professoren aus Tbilisi.
- Nicht jeder Zigeuner ist ein Musikant, aber jeder Musikant ein Zigeuner.
- Hm. Wo hast du das her?
- So hat man bei uns gesagt.
- Wo, bei euch?
- Na, dort unten im Banat.
- Man soll doch das Wort Zigeuner gar nicht benutzen. Das ist doch diskriminierend.
- Hier, bei uns, in einer Political-Correctness-Welt, aber nicht dort, wo die Menschen sich noch keine Mühe machen, sich anders zu geben, als sie wirklich sind. Wenn da einer zum anderen „du Zigeiner“ gesagt hat, dann war das nicht selten die Anerkennung von dessen Bauernschläue. Wurde jemand hereingelegt, sagte er über seinen Widersacher oft im Spaß oder Zorn – das war von dem Seriositätsgrad der Situation abhängig – „der Zigeiner“. Für Streiterei wurde regelmäßig das Wort „Zigeinerei“ benutzt.
- Also sind die Musikanten alle Zigeuner? Auch die Georgier?
- Ja.
- Haben die Musikanten sich bei euch auch immer gestritten?
- Und wie! Meinen Kapellmeister haben sie mal krankenhausreif geschlagen. Und nicht nur ihn.
- Die eigenen Leute? Nein, die Gegenpartei. Die von der anderen Dorfkapelle.
- Die Georgier haben sich aber gegenseitig verprügelt. Das ist nicht das Gleiche.
- Doch. Musikantenrauferei ist Musikantenrauferei. Nur in Ingolstadt hat die jetzt eine andere, höhere Qualität erreicht. Wir sprechen hier von einem professoralen Raufniveau, denn diese Georgier haben alle höhere Bildungsweihen.
- Bist du jetzt stolz auf die Musikanten in deinem Dorf.
- Klar! Das waren echte Musikanten, fast auf dem Niveau der Georgier, ja, ich würde sagen, sogar besser, denn der zusammengeschlagene Geiger konnte zwar nicht mitspielen, aber von "bewusstlos geschlagen" wie in meinem Dorf, ist im DONAUKURIER keine Rede.
- Und wie wird das jetzt weitergehen mit den Georgiern?
- Wer miteinander raufen kann, wird sich eines Tages auch wieder zusammenraufen. Das war in meinem Dorf auch so. Die mussten zwar alle ihre Heimat verlassen, um nach einer Generation gemeinsam Feste zu feiern – mit Spanferkel und so -, aber sie haben es nach fast 60 Jahren immerhin geschafft. Was die damaligen Protagonisten im Himmel dazu sagen, ist noch nicht bekannt. Die Ferne scheint auf jeden Fall eine versöhnliche Wirkung auf die Musikanten aus meinem Dorf gehabt zu haben.
- Und die Georgier sind ja auch fern der Heimat. Also meinst du, dass nach einer Generation wieder Friede einkehren wird?
- Schau mer mal!

Der Schnee ist in Regen übergegangen. Gruselig. Einfach nur gruselig. „Greisliches Wedder“ hieß das im Banater Musikantendorf, damals, als es noch Banater Schwaben gab. Ich meine echte, mit „Schunke in der Speis un Wein im Keller, mit raaflustiche Musikante un  Handballiste vun Weltformat“.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen