Der Theaterbesucher wird
mit Musik empfangen. Zwei Frauen und ein Mann: Bassgeige, Akkordeon und
Klarinette. Fast ausverkauft. Wieder mal, könnte man sagen. Im Stadttheater
Ingolstadt. Der Vorhang hebt sich. Was heißt das heutzutage schon? Wo doch
alles in Bewegung ist. Vor den Augen des geneigten Publikums.
- v.l.: Olaf Danner, Enrico Spohn, Jonathan Schieren, Richard Putzinger, Renate Knollmann, Carolin Schär, Friedrich Schilha
Schaufensterfoto: Berns Toni
|
Der Zuschauer erlebt
Theater im Theater. Er ist mal vor und mal hinter der Bühne. Und sogar
mittendrin im sich anbahnenden Durcheinander. Besonders wenn er, der Zuschauer,
in der zweiten Reihe sitzt. Denn dort sitzt auch der polnische Flieger
Stanislaw Sobinsky (Anjo Czernich).
Er hat nur Blicke für Maria Tura (Renate
Knollmann). Und er muss zu ihr in die Garderobe. Die Zuschauer in der
zweiten Reihe müssen auf. Sie sind involviert. Komplizenschaft! Das wäre nicht so schlimm,
wenn, ja wenn der Mann der Angebeteten, Josef Tura (Richard Putzinger) nicht gerade auf der Bühne, also vor den
Schauspielergarderoben, in Hamlet das
Zeiten überdauernde „Sein oder Nichtsein“ zum Besten geben würde. So beginnen
Affären. Auch im Theater... oder besonders im Theater.
Doch dann bricht der Krieg
aus und damit die große Tristesse in der Truppe. Der Lärm wird unerträglich.
Flugzeugdonner und Nazigebrüll. Wie gut, dass die Schauspieler dieses
Befehlsgeschrei für ihr nie aufgeführtes Stück eingeübt hatten. Es sollte ihnen
das Leben retten. Denn die Verwechslungskomödie kommt erst jetzt so richtig in
Schwung – echt possenhaft. Und die Zuschauer gehen mit. Sie applaudieren immer
wieder. Der polnische Flieger kommt aus England und berichtet von einer Liste
mit polnischen Untergrundkämpfern, die der für die Nazis spionierende Professor
Silewski (Rolf Germeroth) den in
Posen residierenden deutschen Besatzern übergeben wird. Die Schauspieler sind
längst selber Untergrund oder zählen sich dazu. Es geht ab sofort wirklich um
„Sein oder Nichtsein“. Einige von ihnen stehen auf der Liste. Und wie sie um
ihr Leben kämpfen, reist das Publikum mit.
Diese höchst kurzweilige
Komödie über die Nazis, Sein oder Nichtsein,
– es tut einfach nur gut, zu sehen, wie lächerlich diese einst todbringende
Protzerei wirken kann – ist ein Stück von Nick
Whitby (*1963), dem der Film mit gleichem Titel von Ernst Lubitsch (1892 - 1947) zugrunde liegt. Theateradaptionen nach
Filmen sind ja nicht immer die gelungensten Inszenierungen – das gilt natürlich
auch für Verfilmungen von Theaterstücken -, hier kann man aber von einer
publikumswirksamen Aufführung (Regie: Cornelia
Crombholz, Bühne: Marcel Keller)
sprechen.
Die Schauspieler gehen in
ihren Rollen auf. Ihre Professionalität ist in jeder Geste, jedem Satz
(auch oder besonders in dem geplärrten Befehlsduktus) zu spüren. Und das obwohl
Sein oder Nichtsein an diesem 13.
Februar 2013 zum letzten Mal im Programm des Ingolstädter Stadttheaters steht. Das
Publikum ist dankbar an so einem Sonntagabend. Wenn das Böse erfolgreich ins
Lächerliche gezogen wird, könnte sogar der folgende Montag ein bisschen weniger
blau sein. Stehende Ovationen! Rhythmischer Applaus!
Anton Potche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen