Das sind Geschichten, wie
sie nur auf dem Balkan möglich sind. Die Nationalliberalen (PNL) in Rumänien
hielten ihren Parteitag ab. Für den Posten des Vorsitzenden gab es nur einen
Kandidaten: Crin Antonescu.
Natürlich hat er am Wochenende die Wahl gewonnen. Auf einem ihm nicht gewogenen
Fernsehsender – in Rumänien gibt es keine unparteilichen Medien – sprach man
von einem Wahlsieg mit 103 Prozent. Gut, die Rumänen sind für ihren
fatalistischen Humor bekannt. Immerhin, von 1434 abgegebenen Stimmen gab es bei
50 ungültigen nur 44 Gegenstimmen. Das wären nach Adam Riese 96,83 Prozent. An
der Hundertprozentmarke knapp vorbeigerauscht, könnte man sagen.
Der Mann braucht diese
Zustimmung aber auch, will er doch im kommenden Jahr Traian
Băsescus Nachfolger im Präsidentenamt werden. Da hat er letzten Sommer ja
schon mal hineingeschnuppert. Leider ging das von ihm und seinem PSD-Freund Victor Ponta initiierte
Amtsenthebungsverfahren mit Volksentscheid in die Hose. Aber die verbalen
Schlachten, bestückt mit allen erdenklichen Schimpfwörtern, dürften noch in
Erinnerung sein. Crin Antonescu ließ
dabei kaum einen Schlag unter die Gürtellinie seines Widersachers aus. Dass die
Sympathie der EU-Oberen ziemlich deutlich auf Băsescus Wagschale lag,
dürfte die Ambitionen des Nationalliberalen noch angeschürt haben.
Die wirklich byzantinische
Färbung bekam dieser Parteitag aber erst bei der Wahl der Stellvertreter. Sage
und schreibe 31 Stellvertretende Vorsitzende hat Crin Antonescu. Und gewählt wurden die im Packet. Der Mann hat
viele Begehrlichkeiten zu bedienen. Als der Chef seine Präsidiumsmitglieder
höchstpersönlich vorstellte, hat er sogar kurz die Übersicht verloren und einen
Freund glatt vergessen. „Sucht ihn mal“, rief er in den Saal. Das macht ihm so
schnell keiner nach.
Crin Antonescu (l.) & Klaus Johannis |
Aber damit war auch dem
als „Dâmboviţa-Politik“ (politică dâmboviţeană) bekannten Begriff noch nicht
voll Genüge getan. Der Ausdruck steht für die in Bukarest schon immer stark
betriebene Personalisierung der Politik mit einhergehender Schwächung der
Parteigremien und der schonungslosen Auseinandersetzung mit politischen Gegnern; während der Byzantinismus sich eher auf die Vetternwirtschaft quer durch alle
Parteien bezieht. In einem solchen Klima ist es auch möglich, dass man mit
einer Parteizugehörigkeit von drei (3) Tagen zum Ersten Stellvertretenden
Vorsitzenden gewählt werden kann. Der Mann, der das geschafft hat (oder dem das
widerfahren ist), heißt Klaus Johannis
und ist kein Geringerer als der deutsche Bürgermeister von Sibiu / Hermannstadt.
Somit wäre er Crin Antonescus rechte
Hand.
Nun kann man gut und gerne
und lange darüber spekulieren, was den parteilosen Johannis - sein bisheriges politisches Mandat beruhte immer auf der
Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) - zu
diesem Schritt bewogen hat. Der Siebenbürger Sachse ist jetzt in seiner vierten
Amtszeit und gilt konkurrenzlos als Rumäniens erfolgreichster Bürgermeister. Sich
diesen Mann, der öffentlich eine gepflegte diplomatische Sprache spricht, neben
einem Sprücheklopfer á la Crin Antonescu
– „Es ist nicht grauenhaft zu verlieren, es ist grauenhaft nicht zu existieren.
Ich existiere, PNL existiert.“ -
vorzustellen, ist nur mit einer gehörigen Portion Fantasie möglich.
Das politische Kalkül des
gewieften Vertreters der Dâmboviţa-Politik liegt hingegen klar auf der Hand. Klaus Johannis könnte dem
(zukünftigen?) rumänischen Präsidenten Crin
Antonescu bei Frau Merckel den
Rücken freihalten – nicht unbedingt kraft seines Amtes, aber immerhin dank
seiner ethnischen Zugehörigkeit.
Wie auch immer, die
politischen Repräsentanten der wenigen noch in Rumänien ausharrenden Deutschen
scheinen 22 Jahre nach dem Sturz des Kommunismus in der neuen Dâmboviţa-Politik
ihres Landes angekommen zu sein. Ovidiu
Ganţ, der langjährige Abgeordnete
der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, hat in den zurückliegenden
Jahren viel Erfahrung auf der Bukarester Politbühne gesammelt. Und das nicht
unbedingt zum Nachteil seiner Schützlinge. Auch der Bürgermeister von Mediaş /
Mediasch, Daniel Thelmann, ein
Mitglied der deutschen Minderheit, hat 2008 den Weg in eine großen Partei (PDL
- jetzt Oppositionspartei) gewählt. Und anders gesehen, gab es nicht genug
Rumäniendeutsche, die in der Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR) aktiv
waren? Bleibt nur, abzuwarten was Klaus Johannis aus seinem Amt macht. Vielleicht gelingt es ihm sogar,
die stark nationale Prägung der PNL etwas abzuschwächen - wenn er lange genug
in seinem neuen Parteiamt überlebt.
Anton Potche
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen