Mittwoch, 11. Dezember 2013

Geschichte, Geschichten und Informationen aus der Blasmusiklandschaft

MUCKE – Magazin für böhmische und mährische Blasmusik; November/Dezember 2013; DVO Druck und Verlag Obermayer GmbH; ISSN 2192-3302; 3,70 €; http://www.mucke-magazin.de/ 

Als Bläser im „musikalischen Ruhestand“ (Christine Engel) braucht man keine Mucken mehr. Umso mehr kann man sich aber darüber freuen, wenn eine neue MUCKE im Briefkasten liegt. Sie erst mal im Schnelldurchgang zu überfliegen, um sich dann den Inhalt in Ruhe zu Gemüte zu führen, ist für einen Ehemaligen mit südosteuropäischen Wurzeln wie mich immer eine hochemotionale Angelegenheit, denn er vergegenwärtigt sich eigentlich mit jeder Seite, dass sein ausgeklungenes Musikantenleben Teil einer geschichtlichen Entwicklung war und ist, die Mitteleuropa mit Südosteuropa über Grenzen und Zeiten hinweg verbunden hat und noch immer verbindet, trotz Kriegen, Blockbildungen und einem Eisernen Vorhang. Dieses auf den ersten Blick unscheinbare, aber stets unüberhörbare Bindeglied heißt schlicht und einfach Blasmusik.


Die MUCKE ist ein Magazin für böhmische und mährische Blasmusik und ein überzeugender Beweis dafür, dass Blasmusik fester Bestandteil der deutschen Kulturlandschaft ist und es trotz aller (immer leiser werdender) Unkenrufe auch bleiben wird. Dass einer so regen Kulturszene wie der Blasmusik – von der Kinderblaskapelle bis zum professionellen Bläserensemble – eine Orientierung gebende Zeitschrift wie die MUCKE gut zu Gesicht steht, dürfte außer Frage stehen.

Die Ausgabe November/Dezember 2013 ist in drei Teile gegliedert. Mit den Events – gemeint sind natürlich Veranstaltungen – wird man gleich dem Hauptzweck der Zweimonatszeitschrift gerecht: Blasmusik lebt durch Groß- und Kleinveranstaltungen, entwickelt sich dank Wettbewerben und Workshops – gemeint sind natürlich Fortbildungsmaßnahmen - immer weiter, gewinnt an musikalischer Qualität und dadurch an Akzeptanz in der Bevölkerung. Dass man auch in der Blasmusik nicht auf dem Platz tretet, zeigen schon die neudeutschen Benennungen, ohne die auch dieser Musikzweig – und auch die MUCKE – nicht auskommen. Vor allem staunt man als Leser aber über die Vielzahl und Verschiedenheit der Konzertangebote – und ahnt natürlich, dass es sich hier nur um einen kleinen Teil der landesweiten Blasmusikaktivitäten handeln kann. Und wie kann man besser – hier wäre auch wohl „bescheidener“ zulässig – auf die zwischenkulturellen Ebenen, auf denen sich viele Musiker schon immer bewegt haben, hinweisen: Oberstudienrat Peter Schad, der musikalische Leiter der Oberschwäbischen Dorfmusikanten, des Musikvereins Steinhausen sowie des Liederkranzes Alttann hat den historischen Roman Dann gehen wir halt nach Ungarn veröffentlicht. (Klingt das nicht nach Südosteuropakollonisation im 18. Jahrhundert?) Das erfährt man, nur so nebenbei, in einem ausführlichen Bericht von Christian Mayr zum Jubiläumskonzert der Oberschwäbischen Dorfmusikanten in Ravensburg. Sie wurden 30 Jahre alt! Vor vielen Jahren brachte eine deutsche Zeitschrift mal eine Serie mit der Überschrift Dreißigjährige haben die Welt verändert. Darin ging es um Leute wie Jesus, Beethoven u.v.a. Ein gutes Alter, kann man da nur sagen.

Wie kann man den der Szene vorbehaltenen Teil der Zeitschrift hoffnungsvoller beginnen als mit der Ankündigung Kapellengründung „Holzless – What a böhmisch“. Wie war das doch mit dem Neudeutsch? Eigentlich egal. Wichtig ist sowieso nur die Musik. Und das ist auch hier Blasmusik, junge Blasmusik.

Eine Zeitschrift, die etwas von sich hält, geht nicht ohne einen Kolumnenplatz an die Öffentlichkeit. Die MUCKE hat ihren MUCKER DES MONATS. Er ist in dieser Nummer dem Tiroler Blechbläserensemble Viera Blech vorbehalten. 2004 haben sich vier Tiroler gefunden und gemeinsam musiziert. „Der Name Viera Blech ging aber nicht etwa auf das Gründungsjahr der Gruppe zurück, sondern wirklich auf die ursprüngliche Anzahl der Musiker“, schreibt Christian Mayr. Wachstum ist aber nicht nur in der Wirtschaft das A und O des Erfolgs – trotz einiger warnender Stimmen -, sondern anscheinend auch in der Musik, speziell der Bläsermusik. Siehe nur Ernst Mosch (1925 - 1999) und Ernst Hutter mit ihren Egerländer Musikanten. Die vier von der Viera Blech sind heute zu siebent. Wie die Jungs so durchs Musikantenleben kommen, ist schon lesenswert. Das sind Profis durch und durch… und vergessen schon mal die Tuba auf der Autobahn. Wie das geht? MUCKE weiß darüber zu berichten.

Ein krasser Unterschied zu der 10-jährigen Geschichte des Viera Blech scheint der folgende Beitrag zu sein. Aber nur auf den ersten Blick, denn der Titel sagt schon Grundsätzliches über die Blasmusik aus: Vereint durch die Blasmusik. Die aus der Allgäuer Blasmusikszene kommende und in Oberbayern sesshaft gewordene Journalistin Christine Engel hat sich in Archivmaterial vertieft, Proben besucht und so manches Gespräch geführt, um aus einem immensen geschichtlichen Fundus das Wesentliche für einen Zeitschriftenbeitrag herauszuarbeiten. Sie ist auf den Spuren der Blasmusik im heutigen Rumänien gewandelt. Doch nicht um so berühmten Gruppen wie Ciocârlia nachzuspüren, sondern um den Wegen der böhmischen und mährischen Blasmusik nach Siebenbürgen und ins Banat, den einstigen Regionen Habsburgs, zu folgen. Von einem Blasmusikmikrokosmos ausgehend – dem Dorf Jahrmarkt (heute Giarmata), nordöstlich von Temeswar, – ist ihr das Gemälde einer einst sehr aktiven Blasmusikszene anschaulich gelungen, deren Ausstrahlung noch heute, nachdem sie längst aus ihren heimischen Gefilden verschwunden ist (wie das Leuchten eines längst erloschenen Sterns), in unseren Regionen Wirkung zeigt. Dass man dabei auf so sonderbare Wahrheiten stößt, wie dass es „zwischen den beiden Volksgruppen kaum Berührungspunkte gab“, ist nur einer der vielen interessanten Einblicke in eine verschwundene Blasmusikszene, deren ehemaligen Aktive noch heute in vielen Amateur- und Berufskapellen in Deutschland musizieren. Wie war das doch mit den Totgesagten? Sie leben vereint durch die Blasmusik länger. Zumindest so lange, wie die Musikanten der Erlebnisgeneration ihre Instrumente noch zu den Lippen führen können. Die Siebenbürger-Banater-Blaskapelle aus Ingolstadt, Leitung Hermann Mattes, ist der lebende Beweis dafür.

Die Blasmusik hat aber nicht nur Geschichte geschrieben, sie schreibt auch täglich viele und erhaltenswerte Geschichten. Dass sie längst auch als Handyklingelton Einzug ins IT-Zeitalter gehalten hat, erfährt man von Christian Mayer und freut sich über die Ehre, die der altehrwürdigen Hanna-Polka widerfahren ist.

Die letzten Seiten der MUCKE sind für den Service reserviert. Wenn auch der Mittelteil dieser und anderer Ausgaben eindeutig der lesenswerteste ist, so bleibt die Angebotspalette des letzten Teiles der genrespezifischste und besonders für aktive Musikanten sehr wichtig. Martin Hommer findet bei seinen Stückerezensionen den richtigen, auch für Nichtmusiker verständlichen – ein wahrlich nicht zu unterschätzender Aspekt – Ton. Mit Anzeigen aller Art klingt die MUCKE aus. Wie eine gelungene Polka kommt sie daher: mit einem schmissigen ersten Teil, etwas verträumten Trio (bei schönen Polkas gibt’s das) und einem zupackenden Schlussteil – mit vielen interessanten Mucken.

Berns Toni

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen