24. November 2013., 11.00 Uhr, Vergabe des
Marieluise-Fleußer-Preises an Rainald
Goetz (*1954) im Foyer des Stadttheaters Ingolstadt. Der Preis wird seit
1981 vergeben. Zunächst in fünfjährigem Rhythmus, dann in dreijährigem und seit
2011 in zweijährigem. VW & Audi geht es gut.
Da bietet es sich natürlich an, dass man nur drei Stunden später
ein Fleißer-Stück im gleichen Haus spielt, zumal man es sowieso im Programm
hat: Leben müssen ist eine einzige
Blamage. Es ist allerdings kein Stück von Marieluise Fleißer (1901 - 1974), sonder ein Stück über die
Ingolstädter Schriftstellerin. Geschrieben hat es Christoph Klimke (*1959). Und er hat es gut gemacht: eine
konzentrierte Handlung, in der sich Autoren – Brecht ist natürlich allgegenwärtig -, Kritiker und Figuren aus
Fleißer-Stücken begegnen. Und ganz wichtig: Das Stück dauert nur 80 Minuten und
hat keine Pause. Also kann niemand unbemerkt vor Schluss abhauen.
Bettina Storm als Marieluise Fleißer |
Dass Marieluise Fleißer
an ihrer Zeit krankte, ist allseits bekannt. Das Verhältnis zu ihrer Stadt war
nicht das beste. Auch in diesem Stück bekennt sie: „Ich kann meine sogenannte Heimat
und ihre bigotten Bewohner nicht mehr sehen.“ Aus dem Mund von Bettina Storm, klang das schon sehr
überzeugend; wie übrigens auch alle anderen Dialoge und Monologe, die die
Schauspielerin führte und sprach. Sie ist übrigens die Einzige, die in dieser
rundum gelungenen Inszenierung von Johann
Kresnik nur eine Rolle, eben die Hauptrolle, spielt. Alle anderen, Ulrich Kielhorn, Ines Hollinger, Ingrid
Cannonier, Enrico Spohn, Rolf Germeroth, Olaf Danner, Matthias
Zajgier und Anna Hein (hervorragend
als Choreografin und Tänzerin) spielen mehrere Rollen. Das ist hier in
Ingolstadt zum einen ein eingespieltes Team und zum anderen war das schon die
zehnte Aufführung dieses Stückes. Da klappte alles – zumindest für die Augen
und Ohren des Publikums, was das Entscheidendste ist. Dazu trug auch das Duo Deborah Wargon (Geige) und Patrick Schimanski (Schlagzeug) in
großem Maße bei. Es ist schon bemerkenswert, welch herrliche Klangfarben diese
nicht alltägliche Instrumentalbesetzung hervorzaubern kann. Deborah Wargon hat die Musik
geschrieben.
Das ganze Geschehen zwischen den einst real existierenden
und fiktiven Personen spielt sich in einem von Berthold Brechts Konterfei dominierten, sich in die Tiefe
verengenden Raum. Und es hat zu leiden, dieses Konterfei, denn Marieluise Fleißers Beziehung zu Bertold Brecht war alles andere als
ungetrübt. Es ist mehr als die Lebensgeschichte einer unzufriedenen, mit den
Widrigkeiten ihrer Zeit kämpfenden Schriftstellerin, die in diesen Kulissen von
Marion Eiselé eine Darstellung
findet; es ist auch ein Blick auf den deutschen Literaturbetrieb aus der Zeit
der Weimarer Republik bis in die 1970er Jahre.
Das war ein
informativer und genüsslicher Theaternachmittag. Auch für die Darstellerinnen
und ihre Kollegen. Die saßen nämlich schon auf dem Viktualienmarkt bei einem
Bierchen, als ich den nach dem Verlassen des Theaters passierte, um zu meinem
alten Drahtesel zu gelangen, der am Rathaus angekettet war. Das war, zumindest
aus meiner Sicht – Gusten und Ohrfeigen sind ja bekanntlich verschieden –, ein
wohlverdientes Bierchen. Auch bei kaum vier, fünf Grad Celsius über Null.
Anton Potche
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