Carmen-Francesca Banciu
Foto: Delagiarmata
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Auf Einladung des Rumänischen Freundeskreises Ingolstadt e. V.
hielt die in Berlin lebende Schriftstellerin Carmen- Francesca Banciu eine Lesung im Altstadttheater der
Donaustadt. 24 Erwachsene, mittlere und ältere Semester, und ein Mädchen waren
zu der Lesung gekommen. Und sie sollten es nicht bereuen, obwohl es übertrieben
wäre, von einer spektakulären Veranstaltung zu reden. Die Lesung und folgende
Diskussion gingen eher sachlich, intellektuell aber durchaus anspruchsvoll über
die Bühne. Ramona Trufin, die
Vorsitzende des veranstaltenden Vereins, stellte die aus dem Banat stammende
Schriftstellerin mit einer sehr reichen und vielseitigen literarischen
Aktivität kurz vor und überlies der Autorin dann das Mikrofon.
Was das Auditorium zu hören bekam, mag sprachlich zwar für
jedermann ansprechend gewesen sein, thematisch aber doch nicht zur leichteren
Kost gezählt haben. Carmen- Francesca
Banciu hat aus den Romanen Vaterflucht
und Das Lied der traurigen Mutter
sowie aus dem Manuskript mit dem Arbeitstitel Lebt wohl ihr Genossen und Geliebten gelesen. Die drei Werke stehen
zwar selbstständig für sich, können aber auch als Trilogie wahrgenommen werden.
Vaterflucht ist
1998 entstanden. Und bereits die ersten Sätze deuten auf ein schwieriges
Vater-Tochter-Verhältnis hin. „Mein Vater lebt in Rumänien und glaubt an die
Zukunft des Sozialismus. […] Nach vierundzwanzig Stunden Zugfahrt schleppe ich
mich wie ein betrunkener Hund hinter meinem Vater her. Bin wieder das Kind. Das
brave. Das demnächst rebellieren wird.“ Dass hier viel im Argen liegt, ist
eindeutig. Und dass es um mehr als um eine persönliche Beziehung geht, wird von
Seite zu Seite deutlicher. Systemzwang, Entmündigung, Beschädigungen aller Art
werden zu Tage gefördert. So ähnlich geht es auch im zweiten Roman zu. Nur dort
ist es die Mutter, die die Kommunismuskeule schwingt. Selbst kurz vor dem
Aufbruch ins Jenseits noch. In Deutschland wurden irgendwann mal Bücher
verbrannt. Im Roman Das Lied der
traurigen Mutter (erschienen 2007) verbrennt
die „traurige Mutter“, die Puppen ihrer Tochter Marie-Marie, doch nicht im
nationalsozialistischen Deutschland, sondern im kommunistischen Rumänien. Die
Folge solcher Vernichtungsideologie kann nur eine sein: Die Tochter geht. Und zwar
in das Land, in dem man der Bücherverbrennung gedenkt, damit sie ewig
Geschichte bleibe. Ob sie, Marie-Marie, das Kind mit den verbrannten Puppen im
Kopf, aber auch wirklich ankommt? Der Arbeitstitel des letzten Bandes der
Trilogie stimmt auf jeden Fall zuversichtlich: Lebt wohl ihr Genossen und Geliebten.
Es gibt längere Lesungen, keine Frage. Aber mit dem Ende
muss ja noch nicht Schluss sein. So war es auch hier. Die Autorin stellte sich
zur Diskussion und die Zuhörerschaft machte rege Gebrauch davon. Die Fragen,
die Autorinnen und Autoren über sich ergehen lassen – ob müssen oder nicht,
bleibt dahingestellt –, ähneln sich weitgehend. Hier wollte schon die erste
neugierige Zuhörerin wissen: „Sind sie verheiratet?“ „Gewesen“, war die knappe
Antwort. Und so ging es eine ganze Weile weiter mit mehr oder weniger
Bekanntem: „Wie viel Fiktion, wie viel Realität, waren das Ihre Eltern, welche
Rolle spielt Ihr Migrationshintergrund, (Den will und kann ich nicht verdrängen.),
kommt bei Ihnen beim Denk- und Schreibprozess auch ein Übersetzungsprozess aus
dem Rumänischen hinzu (Nein, ich bin längst eine Deutsche.)?“, u.s.w.. Und dann, die
Fragen schienen auszugehen, kam diese klare Mädchenstimme. Wie alt mag sie
sein? Zwölf, dreizehn? Da hat jemand ganz genau zugehört. Die Fragen kamen
präzise formuliert – man konnte sich jedes Komma bildlich vorstellen – und
bezogen sich auf konkrete vorgetragene Textstellen. An dem sich schnell
anbahnenden Dialog hätten sogar Leute wie Maxim
Biller und andere Kritiker der Onkel-Tom-Literatur ihre Freude gehabt. Oder
auch nicht, denn zumindest einer der Gesprächspartner hatte ja in diesem
Gespräch auch einen Migrationshintergrund: die Autorin.
Auf jeden Fall scheint die Zukunft der deutschen Literatur
nicht allzu düster zu sein. Denn wer in diesem zarten Alter solche Fragen zu
einem literarischen Text stellt, der wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch
früher oder später zur Feder greifen, falls er/sie nicht schon der Schreibsucht
verfallen ist. Auf jeden Fall ging diese gelungene Lesung mit einem
unerwarteten Höhepunkt zu Ende. Andererseits soll nicht verschwiegen werden,
dass der Literaturabend mehr Aufmerksamkeit verdient hätte. Vielleicht kommt
ein Hinweis in der Lokalpresse am Tag der Veranstaltung doch ein wenig zu spät.
Werbung ist und bleibt das Salz jeden Geschäfts. Auch im Literaturbetrieb, denn
auch hier wird eine Ware zum Verkauf feilgeboten: das Buch. Und das gilt auch
für die Romane Carmen-Francesca Bancius.
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