Liest man in den Geschichtsbüchern der
Fußballweltmeisterschaft nach, dann erfährt man, dass die Deutschen keine
Mannschaft zur ersten WM nach Uruguay schickten. Es gab damals, 1930, noch
keine Qualifikation. Der Franzose Jules
Rimet, Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa von 1921 bis 1954, reiste
vielmehr durch Europa und versuchte die Nationalverbände zu überzeugen, ihre
Auswahlmannschaften über das große Wasser zur ersten Weltmeisterschaft zu
schicken. Ein ermäßigter Erfolg ward ihm da beschert, könnte man aus heutiger
Sicht sagen. In Anbetracht des damaligen Stellenwerts, den der Fußball aber in
Europa und der Welt hatte, kann man sein Bemühen auch als Erfolg bewerten.
Immerhin haben vier Länder ihre Nationalmannschaften nach Südamerika geschickt:
Frankreich, Jugoslawien, Belgien und Rumänien.
Somit waren auch deutsche Fußballer bei der ersten
Fußballweltmeisterschaft dabei. Liest man nämlich die Namen des rumänischen
Aufgebots, so könnte man fast von einer deutsch-rumänisch-ungarisch-jüdischen
Mannschaft reden, die sich am 19. Juni 1930 auf dem Luxusdampfer Conte Verde
einschiffte: Rudolf Bürger, Adalbert Steiner, Alfred Eisenbeisser, Emerich
Vogl, Peter Steinbach, Rudolf Steiner, Rudolf Wetzer – Ion
Lăpuşneanu, Corneliu Robe, Ştefan Barbu, Adalbert Deşu, Constantin
Stanciu, Ilie Subăseanu – Iosif Czako, Ladislau Raffinsky, Alexandru
Borbely, Nicolae Covacs, Elemer Kocis – Samuel Zauber, Andrei
Glanzmann. Trainiert wurde die Mannschaft von Costel Rădulescu - aber nicht auch zusammengestellt. Die Auswahl
soll der rumänische Monarch Carol II,
ein Hohenzoller, höchstpersönlich getroffen haben. Diese Ehre wurde meines
Wissens bisher noch keiner Fußballmannschaft der Welt zuteil. Es muss wohl eine
der ersten Amtshandlungen des Königs gewesen sein, denn er bestieg erst am 8.
Juni 1930 den rumänischen Thron.
Rumänien spielte in der Gruppe 3 mit Peru und Uruguay und
schrieb im Spiel gegen Peru im Estadio Picitos in Montevideo vor 2549
Zuschauern schon mal Geschichte, denn Deşu
schoss in der 1. Spielminute gegen Peru das schnellste Tor der ersten
Fußballweltmeisterschaft. Die Rumänen siegten mit 3:1 (1:0) nach weiteren Toren
von Stanciu (74.) und Kovacs (85.). Für die Peruaner war Souza in der 60. Minute erfolgreich.
Das Spiel soll sehr körperbetont gewesen sein, was ein Grund für die folgende
eindeutige Niederlage der rumänischen Nationalmannschaft gegen den Gastgeber
und späteren Weltmeister Uruguay gewesen sein könnte. Die Gastgeber siegten mit
4:0. Das Spiel fand in Montevideo im Centenario-Stadion vor 70.022 Zuschauern
statt. Auch diese Kulisse könnte die Südosteuropäer vor Ehrfurcht erstarren lassen
haben.
Bundespräsident Joachim
Gauck schreibt in der WM-BILD (6. Juni 2014): „Zur Fairness gehört auch,
dass wir Menschen respektieren und achten, gleichgültig woher sie kommen. Noch
vor gar nicht langer Zeit hatten es Sportlerinnen und Sportler mit
Einwanderungsgeschichte schwer, akzeptiert zu werden. Heute sind Spieler
türkischer und afrikanischer Herkunft Leistungsträger in der Bundesliga und
auch in unserer DFB-Auswahl.“ Zu dieser
Einsicht war man in Rumänien bereits vor 84 Jahren gelangt. Und es hat schon
damals den Rumänen nicht geschadet. Auch bei den folgenden
Fußballweltmeisterschaften 1934 und 1938 war die rumänische Nationalmannschaft
ethnisch reich besetzt. Das ist heute leider nicht mehr so, denn die deutschen
und jüdischen Volksgruppen haben Rumänien verlassen und ungarische Namen sind
in der rumänischen A-Liga auch eher selten.
Anton Potche
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