Montag, 16. März 2015

Darf ich das überhaupt?

Darf ich als Deutscher für einen deutschen Offizier des Dritten Reiches Sympathien entwickeln, ja noch schlimmer, zu ihnen stehen und sich offen vor aller Welt zu ihnen bekennen. Zumal es sich auch noch um einen U-Boot-Kommandanten handelt, der mit einem einzigen Angriff  mehr als Tausend Männer, Frauen und Kinder auf dem Gewissen hat?

Ken Duken und Franka Potente
Quelle: SWR/ARD
Nun steh’ ich da und kann nicht anders. Ich habe den Film Laconia gesehen – eine deutsch-englische Produktion aus dem Jahre 2011 – und bin ergriffen. Und das noch einige Wochen danach. Diese schrecklichen und dann doch wieder so menschlichen Bilder wollen mir nicht aus dem Kopf. Und die Gesichter der Hauptprotagonisten, sie haben sich mir eingeprägt: der britische Offizier Thomas Mortimer (Andrew Buchan), die von der Deutschen Hildergard Schmidt zur Engländerin Hilda Shmith (Franka Potente) mutierte und zwischen die Fronten geratene Schwester eines Münchner Widerstandskämpfers, und besonders Kommandant Werner Hartenstein (Ken Duken). Drei Torbedos hat U 156 auf die Laconia auf seinen Befehl abgefeuert. Mit Erfolg. Ein Erfolg des Grauens - selbst für hartgesottene Seekrieger wie Hartenstein und seine Männer.

Das ist großes Kino, wie hier der Gewissenskampf des deutschen Marineoffiziers festgehalten wird. Nahaufnahmen der Gesichtszüge eines Menschen, der vor einer Entscheidung steht, die für viele Menschen – Zivilisten und italienische Kriegsgefangene – Tod oder Leben bedeuten kann. Was Hartenstein dann tat, ist nicht ohne Grund in die Geschichte eingegangen. Er hat alle, Feind wie Freund, die die sinkende Laconia noch verlassen konnten auf sein U-Boot oder in Schlepptau genommen. Ja, noch viel mehr: Er hat seine Position – 600 Seemeilen von der westafrikanischen Küste entfernt – auch den Amis, Engländern und Franzosen bekannt gegeben, um die Menschen in Sicherheit zu bringen.

Aber es war Krieg und die Fratze dieses scheußlichen Gemetzels zeigte sich auch in diesem Akt seltener Humanität. (Es muss zur Ehrenrettung anderer Kapitäne, unabhängig der Nationalität, erwähnt werden, dass noch ähnliche Fälle bekannt sind.) Sie, die Fratze, saß in einem amerikanischen Bomber, der das U-Boot und seine angehängten Rettungsboote mehr zum Spaß als aus strategischer Notwendigkeit bombardierte, was noch mal einige Opfer brachte.

Man lebt ja mit. Und denkt voraus. Ich habe mich während des Films gefragt, was wohl mit Hartenstein passieren werde, wenn er aus dieser Mission zurück in seinen Heimathafen kommen wird. Schließlich waren wir im Jahre 1942 und Hitler auf der Spitze seiner Macht. Wird die Gestapo ihn erwarten? Nein! Er wurde von Admiral Karl Dönitz (Thomas Kretschmann) ausgezeichnet und fuhr weiter zur See. Aber auch in diesem, für mich zumindest, überraschend positiven Ausgang steckt ein Keim des Bösen, ein Keim des nazistischen Vernichtungswahns. Dönitz hat Hartenstein zwar dekoriert, aber auch als Folge dieses ungewöhnlichen Kriegsvorfalls den sogenannten Laconia-Befehl erlassen, der solche Rettungsaktionen in Zukunft untersagte.

Liest man sich noch ein bisschen in die Materie ein, so wird man feststellen, dass Uwe Janson (Regie) und Alan Bleasdale (Buch) nicht nur sehr gewissenhaft recherchiert haben, sondern auch den realen Begebenheiten so nahe wie nur möglich geblieben sind. Dass ihnen dabei mehr, viel mehr als ein informativer Spielfilm gelungen ist, liegt wohl an der Entscheidung, einen Streifen zu drehen, der sowohl an Titanic als auch an Das Boot erinnert und doch nichts Epigonenhaftes in seinem Ablauf enthält.

Mit solchen Filmen wird die ARD ihrem Bildungsauftrag eines öffentlich rechtlichen Fernsehsenders im wahrsten Sinne des Wortes gerecht. Sie hat Laconia am Samstagabend, dem 7. Februar um 20:15 Uhr zur besten Sendezeit wieder gezeigt (Erstausstrahlung: 2. November 2011). Es geht also auch ohne billiges Gejodel und Gedudel – zumindest ab und zu.

Ich habe an jenem Abend ehrliche Sympathiegefühle für einen Marineoffizier des Dritten Reichs entwickelt, und sogar ohne mich dabei zu fragen, ob das nun der Political Correctness entspricht oder nicht. Denn eins ist klar, hätte es mehr dieser Sorte deutscher Offiziere gegeben, wäre uns der 2. Weltkrieg wahrscheinlich nicht erspart geblieben, aber er hätte bestimmt nicht so lange gedauert.
 Anton Potche

Laconia, D & GB, 2011, Regie: Uwe Janson, Darsteller: Franka Potente, Ken Duken, Andrew Buchan u.a., 180 Minuten

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