Sonntag, 31. Januar 2016

Januar 2016 – Giarmata in den Medien

Kein Strom in Giarmata
Um 20:15 Uhr ist der Strom in den Ortschaften Giarmata, Giarmata Vii und Dumbrăvița ausgefallen. Der Stromversorger ENEL hat mehr als vier Stunden benötigt, um der Lage Herr zu werden.
(aus TimișPlus.ro, Timişoara / Temeswar; 12.01.2016)

Eine knappe Niederlage
Handball – Nationalmeisterschaft  - Juniorinnen IV – Kreisphase Timiș / Temesch
ACS Leu GiarmataLPS BANATUL  10-12 (5-6)
Die Mädchen aus Giarmata haben bisher sechs Siege eingespielt und liegen damit auf dem vierten Rang der Temescher Gruppe. Gespielt wurde in Sânnicolau Mare.
(aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 17.01.2016)

Die Hoffnung stirbt zuletzt
Fußball - C4 (Liga III – Serie IV)
Auch bei Millenium Giarmata stirbt die Hoffnung zuletzt. Zumindest bei Trainer Răzvan Leucă, wenn er bekannt gibt, dass „das Ziel der Mannschaft die Rettung vor dem Abstieg“ sei. Schaut man sich den Rumpfkader der Giarmataer mit fast ausschließlich jungen und sehr jungen Spielern an, dann kann man dem Spielleiter, er steht selber noch als defensiver Mittelfeldspieler auf dem Feld, einen gewissen Optimismus nicht absprechen. Und so sieht seine am 18. Januar zum ersten Training erschienene Mannschaft aus: Luca, Toma, Mihai Kalanyos, Soare, Domşa, Gârba, Adrian Kalanyos, Florin Olariu, Mihai Olariu, Gaiţă, Butură, Stoica, Corlăţeanu und der zurückgekehrte Roberto Artimon.
(aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 20.01.2016)

Ripensia aus der D-Liga eine Nummer zu groß für Millenium aus der C-Liga
Fußball - C4 (Liga III – Serie IV)
Dieses in Cerneteaz / Zorn ausgetragene Vorbereitungsspiel konnte Ripensia Timișoara klar mit 6:0 für sich entscheiden. Răzvan Leucă, sagte nach dem Spiel: „Jeder Schuss aufs Tor war auch drin. Wir haben noch viel Arbeit mit diesen Junioren.“
(aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 27.01.2016)

Millenium gewinnt ein Vorbereitungsspiel im Kreis Arad
Fußball - C4 (Liga III – Serie IV)
CS Millenium Giarmata gewinnt auswärts gegen Victoria Ineu mit 3:2. Răzvan Leucă hat neben sich auf der Trainerbank auch einen neuen Assistenten: Tibi Butură.
(aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 30.01.2016)

100 Prozent versprochen, 80 Prozent angepeilt, 50 Prozent realisiert
- Im Juni sind die Kommunalwahlen. Bürgermeister Virgil Bunescu will im Amt bleiben. In einem Interview gibt er zu, nur „die Hälfte der Wahlversprechen“ eingehalten zu haben. 80 Prozent seiner Vorhaben für die zu Ende gehende Legislaturperiode hatte er eigentlich angepeilt. (Warum er dann hundert versprochen hatte, sagte er nicht in dem Interview. Weniger wäre doch auch hier mehr gewesen.) Schuld an der 50-Prozent-Marge sind die Betriebe, die bei den Ausschreibungen die Nase vorne hatten, sich dann aber nicht besonders leistungsfähig zeigten. (Wer für die Vergabe der Arbeiten aber letztendlich zuständig war, erfährt der Leser nicht.) Der Bürgermeister ist trotzdem zuversichtlich, dass er mit dieser Bilanz, wieder gewählt wird, denn er weiß, dass er „ein Leben lang immer der Erste sein wollte, und es auch sein wird.“
- Der orthodoxe Priester aus Giarmata, Sorin Vasiu, und der römisch-katholische aus Dumbrăvița, Máthé Lajos, haben mit 200 Schulkindern der Klassen I-VIII aus den zwei benachbarten Ortschaften einen Weihnachtsliederabend veranstaltet, der großen Anklang in der Gemeinde fand und auch aus anderen benachbarten Ortschaften eine positive Resonanz erfahren hat.
(aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar; Januar 2016)

Montag, 18. Januar 2016

Eine Mischung aus Film und Theater

Sergei Michailowitsch Eisenstein wurde 1898 in Riga geboren und ist 1948 in Moskau gestorben. Er war ein russischer Filmregisseur, dem wir so berühmte Filme wie Streik (1925), Panzerkreuzer Potemkin (1925) oder Oktober (1928) verdanken.

Peter Greenaway (*1942) ist ein britischer Filmregisseur. Zu seinem reichen Œvre gehören die Filme Der Kontrakt des Zeichners (1982), Der Bauch des Architekten (1986), Die Bettlektüre (1996) und noch einige mehr. Auf der Berlinale 2015 bekam sein neuester Streifen Eisenstein in Guanajuato gute Kritiken und kam am 12. November in die Kinos. Ich war neugierig auf diese Eisenstein-Story und marschierte los. Hätte ich vorher das Interview mit Greenaway im TAGESSPIEGEL (12.11.2015) gelesen, hätte ich’s vielleicht unterlassen. "Narrativität ist Mist! Das Kino sollte aufhören, ein Sklave der Story zu sein", tut er da kund.

Und so war's dann auch. Ich bekam in einer Exklusivdarbietung (als einziger Zuschauer im Saal) ein expressionistisches Filmkunstwerk präsentiert. Es fehlte nie an Verzerrungen und kontrastreichen Bildern, auch Überlappungen und Dreiteilungen zur Nachdruckverleihung der einen oder anderen Aussage sind ein häufig eingesetztes Stilmittel. Nichts war da von einer konfliktgeladenen Handlung zu sehen. Und trotzdem tat sich dem Zuschauer, also mir, eine Welt mit vielen epocheprägenden Namen auf: Charlie Chaplin, Upton Sinclair u. a. Aber auch diese Welt musste ich mir vorstellen, soweit die mit Dokumentarfilmmethode eingeblendeten Schwarzweißporträts mir etwas sagten. Dass Eisenstein selbst immer gestenreich darüber referiert, macht die Sache nur bedingt einfacher. Dazu gesellen sich immer wieder befremdende Bildmontagen und überraschende Schnitte. Das Ganze verleiht dem Streifen einen avantgardistischen Anstrich: Greenaway als Vorkämpfer für eine neue Filmidee.

Die ganze Inszenierung dieses Mexikoaufenthaltes von Sergei Eisenstein, während dem er Unmengen an Filmmaterial produzierte, kann oder will ihre Theaterhaftigkeit nie ablegen. Das gilt schon für das Szenenbild - mit all seiner mexikanischen Farbenpracht. Und der einzige erkennbare Erzählstrang reduziert sich auf das von Frivolität nur so strotzende und teilweise sogar an Sodomie erinnernde Liebesverhältnis - wie es sich anfühlt, weiß ich nicht, aber tierisch sieht es allemal aus - zwischen dem russischen Regisseur und seinem ständigen mexikanischen Begleiter und Reiseführer Palomino Cañedo.

In einem SPIEGEL-ONLINE-Interview sagt Peter Greenaway: " Das Kino von heute ist eben sehr, sehr langweilig." Seinen letzten Film, Eisenstein in Guanajuato, würde ich jetzt nicht unbedingt als langweilig apostrophieren, aber kurzweilig ist er auch nicht. Man muss sich halt ein wenig anstrengen, wie das im heutigen Regietheater ja auch oft der Fall ist. Kunst, oder was man so dafür hält, ist nun mal nicht nur zum Delektieren da. Auf jeden Fall hätte Sergei Eisenstein auch ein narrativer Film ganz gut zu Gesicht gestanden. Ob der ihm dann auch gefallen hätte, ist eine andere Frage. 

Eisenstein in Guanajuato, Regie & Buch: Peter Greenaway, Darsteller: Elmar Bäck als Sergei Eisenstein, Luis Alberti als Palomino Cañedo, Maya Zapata als Conceptión Cañedo u. a.
Anton Potche

Montag, 11. Januar 2016

Auch die Liebe war nicht immer das, was sie heute ist

Maria und Herbert Eisenreich (Hg.): Liebesgeschichten aus Österreich; Diogenes Verlag AG, Zürich, 1978; ISBN 3 257 00970 4; 410 Seiten; 8,10 € plus 2,00 € Versandkosten bei www.buchfreund.de (Stand vom 09.01.2016)

18 Liebesgeschichten von 17 Autoren haben Maria und Herbert Eisenreich (1925 – 1986) in einer Anthologie gesammelt. Es geht los mit Brigitta von Adalbert Stifter (1805 – 1868). Und diese Geschichte spielt nicht in Österreich, sondern in einem Land mit Bächlein, Bächen und Flüssen, Hirten und zottigen Hunden, einsamen „Haidebrunnen […], die mit dem furchtbar hohen Stangenwinkel zum Himmel sehen“, Sackpfeifer, Rosshirten und Rohrdächern. Wo anders könnte das sein als in Ungarn? Die Geschichte selber scheint mühsam konstruiert worden zu sein. Man hat das Gefühl, dass Stifter in der Mitte nicht mehr weiter wusste und wieder von vorne begonnen hat. Wie auch immer: Am Ende wird wieder alles gut.

Auch die zweite Erzählung schildert eine Begebenheit aus Siebenbürgen, also eher vom Rande der Monarchie. Dort gab’s schon damals nicht viel zu holen: „Das Gut der Tante (es hieß Folt, lag an der Grenze des Banats und war viel wert) kriegt die Kleine nicht, das hat die Tante einem Kloster verschrieben, in das sie eintreten will, sobald die Nichte angebracht sein wird.“ Marie von Ebner-Eschenbach (1830 – 1916) hat mit Der gute Mond eine zwar tragisch ausgehende Dorfgeschichte geschrieben, befleißigte sich dabei aber einer sehr lockeren, ja fröhlich daherkommenden Sprache.

Ferdinand von Saar (1833- 1906) ist mit einer Herzschmerzgeschichte vertreten. Eine Redewendung weiß, dass man sich oft zweimal im Leben trifft. In dieser Erzählung begegnen Der »Exzellenzherr« und seine Angebetete Hermine sich sogar dreimal. Vergebens. Und weil das Reich der Habsburger nun mal so groß war, verwundert es nicht, dass der Exzellenzherr im Laufe seiner politischen Laufbahn auch „mit bereits ziemlich hohem Range in Ungarn verwendet“ wurde. Die Liebe allerdings blieb … unglücklich - wie so oft in Saars Novellen und Erzählungen.

Dass die von den Außengrenzen der Monarchie kommenden Literaten ein wahrer Segen für die österreichische bzw. deutsche Literatur waren, ist längst kein Geheimnis mehr. Auch Karl Emil Franzos (1848 – 1904) gehört zu ihnen. Natürlich kommen in den Werken dieser Autoren ihre jeweiligen Abstammungsgebiete nicht zu kurz. Die Novelle Nach dem höheren Gesetz ermöglicht mit ihrem dramatischen Verlauf einen Einblick in das standesbedingte Leben einer jüdischen Gemeinde in Galizien. Das immerhin glimpfliche Ende einer jüdischen Ehe, die bis zu jener „Wendung der Geschichte, dieser Punkt, von welchem aus sie sich unerwartet völlig umkehrt“, ohne die laut Ludwig Tieck (1773 – 1853) eine gute Novelle nicht auskommt, eine glückliche (im Sinne von Anpassung) war, wirft auch ein Licht auf den schmerzlichen Assimilierungsprozess des Judentums. Das ist auch heute noch große Literatur, gar keine Frage.

Warum Arthur Schnitzler (1862 – 1931) diese Erzählung Die Frau des Weisen genannt hat, wird erst zum Schluss klar. Bis dahin lesen wir eine Wiederbegegnungsgeschichte mit bei Schnitzler nicht untypischen Durchleuchtungen verspielter erotischer Situationen, ohne dass es allerdings zu entscheidenden Schlusshandlungen kommt. Der Ich-Erzähler verschwindet hier, bevor es zu weiteren Komplikationen kommt, weil er mehr über den „Weisen“ weiß, als seine Angehimmelte von anno dazumal.

Die kurze Erzählung Lucidor mit dem Untertitel Figuren zu einer ungeschriebenen Komödie ist eine klassische Verwechslungsgeschichte, aus der man wirklich eine Komödie schreiben könnte. Hugo von Hofmannsthal (1874 – 1929) hat sie aber so geschrieben, dass sie auch in eine Tragödie hätte münden können. Dass es die Hauptfiguren der Erzählung von einem „Familiengut im russischen Teil Polens“ ins Machtzentrum der Donaumonarchie verschlagen hat, passt zu dem soziologischen Hintergrund aller bisher in diesem Buch veröffentlichten Prosastücke.

Stefan Zweig (1881 – 1942) ist mit einer Sommernovellette vertreten. Man soll ja nicht böswillig sein. Aber Leser sind das nun mal ab und zu. Ich habe mich zum Beispiel ganz böse während dem Lesen gefragt, ob Stefan Zweig nicht vielleicht Hugo von Hofmannsthals Lucidor kannte. Auf jeden Fall wird hier wie dort fleißig geschrieben, Briefe, Zettel, Gedichte etc., und das immer mit gut gemeinter Hinterlist.

Eine Geschichte, die von zu viel Liebe – gibt es das überhaupt? – warnt, hat Franz Nabl (1883 – 1974) verfasst. Der Teufel an der Wand ist nichts anderes als ein gequältes Festhalten an traditionellen Werten, selbst wenn sie einem ein Leben lang die Hölle bescheren.

Wie große Liebe – wie so oft ist es auch in Oskar Jellineks (1886 – 1949) Novelle die verbotene, aber im Verborgenen umso leidenschaftlichere – in ein Drama mündet, erfährt Der Bauernrichter am eigenen Leibe und besonders an seiner vom Ehrgeiz angefressenen Seele. Und wir sind auch in dieser österreichischen Liebesgeschichte weit weg vom Zentrum Wien, irgendwo „auf dieser weiten, fruchtbaren mährischen Erde“. Man liest diese Dorfnovelle in einem Atemzug und wäre zum Schluss froh, sie nicht bis zur letzten Seite gelesen zu haben. Aber das ist nun mal das Schicksal des Partei ergreifenden Lesers.

Kein Wunder, dass die Nazis Autoren wie Hermann Broch (1886 – 1951) nicht mochten. Eine literarisch so fein ziselierte Liebesbeziehung zu einer Kommunistin, zu Barbara, war in den Augen der braunen Literaturbanausen nicht mehr und nicht weniger als ein Verbrechen. Sie konnten den Autor demzufolge auch ins Exil schicken, seiner die deutsche Sprache so sehr bereichernde Schreibweise konnten sie aber nichts anhaben. Sie lebt in Wörtern wie „hohlsausend“, „erntemüde“, „abendfriedlich“, Wahrwerden“, „Seinsvertrauen“ und vielen mehr weiter. Freilich muss man Barbara von Anfang bis Ende, und das bitte hellwach, lesen, um solche Sätze zu verstehen: „Denn dreht es sich einmal um die letzten Erkenntnisse des Ichs und seines Schicksals, dann wird die marionettenhafte Gespenstigkeit, mit der das Abgestorbene in der Eifersucht weiterlebt, vom Humanen her befreit.“ Deutsche Literatur, psychologisch durchdrängt, vom Feinsten.

Eine kurze Liebesgeschichte, nur drei Seiten lang, ist Cave veritatem von Albert Paris Gütersloh (1887 – 1974). Den Titel deutend und den Text lesend, kann man schlussfolgern: Hüte dich vor dem Altenjungfernschicksal. Es reicht aber dann doch, in schlichter Erzählweise dem Zufall eine Chance als Glücksbringer in Sachen Liebe einzuräumen.

Auch Franz Werfel (1890 – 1945) fasst sich kurz in Par l’amour. Aber es geht trotzdem nicht gut aus für den 44-jährigen Bertrand: „Ich habe mich verliebt, habe geheiratet, habe eine Ehe geführt und schließlich einen langwierigen Scheidungsprozess verloren.“ Und das alles im Vorortszug zwischen den Pariser Stationen Le Vesinet und St. Lazare. Junggesellenphantasien eben.

Wir wissen: Joseph Roth (1894 – 1939) ist einer der ganz Großen der österreichischen Literatur, obzwar er nicht alt wurde. Dass er auch sehr böse schreiben konnte, erfahren wir in der Novelle Triumph der Schönheit. Das Gegenteil von Alice Schwarzer, könnte man heute sagen, wenn man solche Sätze liest: „Als eine Art von aufgebesserten Gipsfiguren sinken die einstmals schönen Frauen ins Grab. Die Männer aber, die weise genug waren, nicht an ihnen zu sterben, werden von der Natur belohnt: bekleidet mit der Würde des Silbers und der nicht minderen Würde der Gebrechlichkeit gehen sie in den Schoß Gottes ein.“ Welches ist das Antonym von Feminismus? Maskulinismus, wenn ich mich nicht irre, würde Sam Hawkens sagen.  (Natürlich schreibt manchmal auch der Fusel mit. Und wie!) Und trotzdem lesenswert, sprachlich hochwertig, mit feinem, hintersinnigem Humor, hie und da auch Sarkasmus bestückt.

Morgen fahr’ ich heim ist eine Geschichte, die das Leben fast so schreiben könnte. Denn wahrscheinlich ist nichts spannender und von Individuum zu Individuum unterschiedlicher als die Pubertät. Und trotzdem gibt es da diese Wendung im Handlungsstrang, die man sich, obzwar es sich um einen novellenspezifischen Bausatz handelt, etwas glaubwürdiger gewünscht hätte. Es sei denn, es handelt sich um ein späteres Werk Johannes Urzidils (1896 – 1970). Da ging die Zeit der Prüderie nämlich schon langsam zur Neige und es gab endlich Sex vor den weit (teilweise sogar vor Angst) geöffneten Augen eines kleinen Spanners.  

Wer kennt sie nicht, diese überaus geschwätzigen Menschen, die sich derart in erfundene Geschichten hineinsteigern, dass sie selbst von dem gutmeinendsten Zuhörer nicht mehr ernst genommen werden. Ja nicht einmal von einem Werber, wie Hemito von Doderer (1896 – 1966) das köstlich mit dezentem Witz Im Irrgarten erzählt.

Eine Liebesgeschichte aus der Zeit der Napoleonischen Kriege entpuppt sich in Alexander Lernet-Holenias (1897 – 1976) kurzer Erzählung als eine Intrige, wie sie an herzöglichen Höfen wohl möglich waren, in diesem Fall aber „zugunsten der Menschen [ausging], mit deren Schicksalen – und wäre es sogar das Los der eigenen Tochter – man glaubt, spielen zu dürfen.“

Diese Landstreicher-Geschichte tut echt weh. Das Leben kann so brutal sein. Die Brutalität mit einer so schönen, lyrischen Sprache zu beschreiben, ist aber gute Literatur. Karl Heinrich Waggerl (1897 – 1973) beherrschte sein Handwerk, wenn er auch nicht zu den bekanntesten österreichischen Autoren gehört.

Erich Landgrebe (1908 – 1979) ist der Letzte der in dieser Blumenlese versammelten österreichischen Liebesgeschichtenerzähler. Was er geschrieben hat über Das kleine Fräulein Annemarie, ist auf den ersten Blick verstörend, entwickelt sich aber von Zeile zu Zeile zu einer aus der Einsamkeit geborenen Fantasiegeschichte, die von der Vorstellungskraft des Menschen, hier des Fräuleins Annemarie, erzählt. Es ist spannend zu lesen, wie der Autor verschiedene Zeitebenen übereinanderschiebt, um klar zu machen, dass Liebe auch rein geistiger Natur, ohne jegliche Körperlichkeit sein kann.  

Die in dieser Anthologie versammelten Autoren weilen alle nicht mehr unter den Lebenden. Als sie schrieben, galten noch andere Gesellschaftswerte. Die Liebe war nicht so frei wie heute. Nur das Glück und der Schmerz, den sie verursachte, waren um nichts größer oder kleiner als heute. Und daran werden auch die zukünftigen Wandlungsprozesse in der Gesellschaft – wie immer sie auch aussehen werden – nichts ändern.
Anton Potche


Montag, 4. Januar 2016

Es soll ja vorkommen ...

... dass man sich zu Weihnachten etwas Gutes tut. Selber tut. Das haben wir mal wortwörtlich genommen, meine Frau und ich. In der vergangenen Weihnachtszeit. Dazu haben wir einen Tag vor Heiligabend das Theater Ingolstadt angesteuert. Wir wollten nämlich Weihnachten mit Blechschaden erleben. By Bob Ross hieß es da, und Erzähler: Christian Ude.

Während auf dem Theatervorplatz sich dicht gedrängt Jugendliche – von Massen von Jugendlichen zu sprechen, wäre gar nicht übertrieben – die letzten Zuckungen des frühlingshaften Christkindlmarktes zu Gemüte führten, füllten im Festsaal oft schon angegraute Herrschaften – trifft auf mich nicht mehr zu – die Sitzreihen. Leider nicht vollständig, was mich bei so klingenden Namen schon ein wenig irritiert hat. Vielleicht lag es auch daran, dass am Tag zuvor Enrico de Paruta mit seinem Ensemble auf der gleichen Bühne stand. Man muss in so kulturgeschwängerten Zeiten halt Prioritäten setzen. Haben wir auch getan, Frau und meine Wenigkeit. Und das hat sich voll gelohnt.

Über Blechschaden als musikalisches Aushängeschild der deutschen Bläserszene zu sprechen, wäre unnötig wie ein Kropf. Da hat sich eh nichts geändert. Große Bläserkunst auch bei einem auf Weihnachten zugeschnittenen Programm. 

Bleiben die zwei Protagonisten vor dem Bläserensemble (fünf Trompeter – davon drei Österreicher, je ein Hornist und Euphonist, zwei Posaunisten, ein Tubist und ein Schlagzeuger mit guter Gesangsstimme und -talent): Bob Ross und Christian Ude. Show total! Und trotzdem viel Tiefgang. Der Gründer und Leiter des Blechschadens hat seit jeher eine innige Beziehung zu Ingolstadt. Hier hat er als junger Student aus Schottland zusammen mit zwei schottischen Kollegen in einer Firma gearbeitet – „die dann auch bald Pleite ging“. Das war Herbergssuche, lange bevor ihm der Einstieg als Hornist bei den Münchner Philharmonikern gelang. Diese Ingolstadt-Geschichten des Bob Ross sind hierzulande wohlbekannt, aber sie rufen trotzdem immer wieder Lachsalven hervor, wenn der kleinwüchsige Schotte – „ich bin gerade mal halb so hoch wie der Horst Seehofer“ – von dieser Liebesbeziehung spricht.

Und dann saß da noch am, aus Publikumssicht, rechten Rand des Orchesters Christian Ude, Münchens Ex-OB, Kabarettist und, wie sich an diesem Abend herausstellen sollte, exzellenter Geschichtenleser. Drei Weihnachtsgeschichten durfte das mäuschenstille Publikum lauschen. Klar und deutlich jedes Wort, nachvollziehbar jedes Komma und jeder Punkt, ja, auch jeder Gedankenstrich. Dass man die Wohnungsnot in München so pointiert in eine Weihnachtsgeschichte packen kann, ist große Schreib- und Erzählkunst. Nicht weniger gut sind die Geschichten des talentlosen, aber von den Eltern angetriebenen musizierenden Sohnes und des Haushaltsmannes – eine Katastrophe - angekommen.

Als dann zum Schluss Bob Ross noch die Dirigentin der Blaskapelle Mailing-Feldkirchen (Stadtteil von Ingolstadt) – der Schotte ist Ehrendirigent dieser Kapelle -, die junge und hübsche Katharina Hofner, auf die Bühne bat und zusammen mit ihr und dem auf zwei Krücken gestützten Christian Ude (Beinbruch) ein Tänzchen vorführte, war das Publikum gefühlt genau so jung wie die Christkindlmarktbesucher auf dem Theatervorplatz. Mehr kann man von einem Weihnachtskonzert eigentlich nicht erwarten. Oder doch?

Da lag ich mit meinen Erwartungen mal wieder gründlich daneben; wo ich doch gedacht hatte, dass die geballte Kraft (in persona) der Ingolstädter SPD bei diesem Konzert anzutreffen sein müsste, habe ich kein einziges, zumindest mir bekannte, Gesicht dieser Partei gesehen.

Anlässlich dieser Tournee hat Blechschaden auch eine CD eingespielt.

Anton Potche