Mittwoch, 30. November 2016

November 2016 – Giarmata in den Medien

Kostenlose Grundbucheintragungen
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt; 01.11.2016
Für den 3. und 4. November ist im Kulturheim eine Veranstaltung des Grundbuchamtes angekündigt. Wer Unregelmäßigkeiten in seinem Grundbuch vermutet, kann sein Eigentum frisch ausmessen lassen und bekommt eine korrekte Grundbucheintragung. Und das alles kostenlos. Gegen den neuen Eintrag kann man innerhalb von 60 Tagen im Rathaus Giarmata Einspruch erheben. Auf der Homepage der Gemeinde ist auch ein Plan mit den infrage kommenden Flächen veröffentlicht.
+ + + Wer moont, er hätt noch was dort unne, sällt sich jetz uf de Wech mache, bevor’s zu spät is. + + +

SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 04.11.2016
Niederlage in Deva
C4 (Liga III – Serie IV) – 10. Spieltag
CNS Cetate Deva - CS Millenium Giarmata  2:0  
Torschützen: Ousmane N’Doye (32), Alexandru Sahru (53)
Tabellenplatz: 13 - CS Millenium Giarmata  9
Aufstellung CS Millenium: RusuFlorin Olariu, Soare, Maghici, CiobănicăDomșa (46, Mihai Olariu), Corlățeanu (72, Călin), Stoica (76, Popa), Codrea, GhighiliceaTrifu (80, Mihălceanu).
Trainer Răzvan Leucă zu dem Spiel: „Wir haben gut gespielt, verlieren aber immer, wenn wir gut spielen.“
+ + + Das zu ändern, dürfte ja wohl keine große Kunst sein. + + +

Erfolgreiche Handballjuniorinnen
SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 09.11.2016
Handball-Kreismeisterschaft für Juniorinnen der Altersgruppe 4 – Etappen I & II
Diese Meisterschaft wird im Tourniermodus ausgetragen. Im Banu-Sport-Saal des Temeswarer Vereins LPS Banatul spielten am Wochenende acht Mannschaften um die Punkte.
Die Mädchen aus Giarmata waren sehr erfolgreich.
AS Leu Giarmata – Diniășanca Diniaș  38-7 (18-3)
Unirea Sânnicolau MareAS Leu Giarmata 11-20 (4-12)
+ + + Mit diesem Torverhältnis haben die Juniorinnen aus Giarmata das beste Ergebnis dieser zwei Etappen erzielt. + + +

Wahllokale für die Parlamentswahl festgelegt
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt; 09.11.2016
Es gibt vier Wahllokale in  der Gemeinde Giarmata: im Kulturheim (für 1560 Wahlberechtigte, deren Familienamen mit den Buchstaben A bis E beginnen), in der Schule (1687, F – O), im Kindergarten in der Strada Gării (1553, P – Z) und im Dorf Cerneteaz (1033, A – Z). Es wurden auch klare Vorgaben für die Standorte der Wahlplakate  festgelegt.
+ + + Iwer Ordnung steht nicks uf, haaßt’s immer. Am 11. Dezember werd gewählt. Ich hun mei aldi Staatsbürgerschaft nomol zrickverlange wolle, dass ich aah wähle kann, awwer mei Aldi is wie immer dagee. So misse die Rumänre des jetz ohne mich mache. + + +

Den Tabellenführer besiegt
SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 11.11.2016
C4 (Liga III – Serie IV) – 11. Spieltag
CS Millenium Giarmata - Naţional Sebiş  2-1 (1-0)
Torschützen: Dorin Codrea (4) und Patrian Trifu (94) sowie Ionel Mihuţa (76) für die Gäste
Tabellenplatz: 12 - CS Millenium Giarmata  12
Aufstellung CS Millenium: RusuMihălceanu, Soare, Maghici, CiobănicăCodrea, CorlăţeanuStoica Călin, Florin OlariuTrifu.
„Der Lider wurde von den >Fohlen< Leucăs gebeutelt“, schreibt Iosif Canea in seinem Kommentar zu dem Spiel.
+ + + Und einen Platz in der Tabelle haben die Jungs auch gutgemacht. + + +

Wieder zwei Siege
SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 14.11.2016
Handball-Kreismeisterschaft für Juniorinnen der Altersgruppe 4 – Etappen III & IV
Zwei weitere Runden wurden in der Sporthalle von Dumbrăvița ausgetragen. Die Mädchen aus Giarmata haben sich auch dieses Mal gut geschlagen.
AS Leu Giarmata – A.S Cîtu  24-12 (10-8)
L.P.S. BanatulAS Leu Giarmata 12-22 (7-12)

Nach einem schwachen Spiel
SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 18.11.2016
C4 (Liga III – Serie IV) – 12. Spieltag
Lunca Teuz Cermei - CS Millenium Giarmata  1-0
Torschützen: Coșa (79)
Tabellenplatz: 12 - CS Millenium Giarmata  12
Aufstellung CS Millenium: O. RusuMihalceanu, Soare, Maghici , ŞtefănescuCodrea (55, Stoica), M. OlariuFl. Olariu (65, Corlăţeanu), Ghighilicea, SemeneaPopa
+ + + 150 Zuschauer waren zu diesem Spiel gekommen. + + +

Mahnung vom Umweltamt
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt; 23.11.2016
Die Agentur für Umweltschutz Timișoara hat die Gemeindeverwaltung von Giarmata daran erinnert, dass sie das „Modernisierungsprojekt für 10,655 km Straßen“ innerhalb von drei Tagen öffentlich machen muss, damit Bürger der Gemeinde eventuelle Reklamationen einbringen können.
+ + + Die Verwaltung ist dieser Aufforderung nachgekommen und hat den Aushang einen Tag später auch im Internet veröffentlicht. + + +

Ein guter Ausklang
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 25.11.2016
C4 (Liga III – Serie IV) – 13. Spieltag
CS Millenium Giarmata - Performanţa Ighiu  3-1 (3-0)
Torschützen: Marius Călin (24), Claudiu Ghighilicea (29) und Patrian Trifu (37) für die Giarmataer sowie Souleymane Keita (86) für die Gastmannschaft
Tabellenplatz: 11 - CS Millenium Giarmata  15
Aufstellung CS Millenium: RusuFlorin Olariu, Soare, Maghici, CiobănicăCodrea, CorlățeanuStoica (72, Popa), Ghighilicea (84, Mihai Olariu), Călin (60, Semenea) – Trifu (84, Mihălceanu).
+ + + Damit ist die Herbstmeisterschaft in dieser Gruppe beendet. Im Frühjahr 2017 startet Millenium zu Hause in die Rückrunde gegen Unirea Alba Iulia. + + +

Viele Tore in Cerneteaz
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 26.11.2016
Liga V Timiș – Serie II – 15. Spieltag
Millenium II Giarmata – AS Liebling  1:1
Unirea Cerneteaz – Fortuna Covaci  4:3
Tabelle: 4 Millenium II Giarmata  24
          6 Unirea Cerneteaz  19

Der Winter kann kommen
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt; 29.11.2016
Die Verwaltung im Giarmataer Rathaus hat mit den Kommunalbetrieben der Gemeinde, S.C. Gospodărie Comunală Giarmata S.R.L., einen Vertrag für die Wintertüchtigkeit der Ortsstraßen geschlossen: Schneeräumen und Streumaßnahmen bei Glatteis. Der Vertrag hat eine Gültigkeit für den Zeitraum 21. November 2016 – 15. März 2017. Unterschrieben ist er von Bürgermeister Virgil Bunescu und dem Chef der Giarmataer Kommunalbetriebe, Farkaș Ioan Vasile.

Zum dritten Mal Rentnerball in Giarmata
aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar; November 2016
Foto: FOAIA DE GIARMATA
Am 12. November fand im Kulturheim Giarmata der sich langsam zur Tradition entwickelnde Rentnerball (balul pensionarilor) statt. Bürgermeister Virgil Bunescu hat die Gäste begrüßt und dabei nicht vergessen, zu versichern, dass diese Seniorenveranstaltung nichts mit der laufenden Wahlkampagne zu tun hat. Es gab ein Kulturprogramm, das von der über die Grenzen Girmatas hinaus bekannten Kulturgruppe Sânziene Bănățene gestaltet wurde. Neben der Tanzgruppe zeigten die jungen Künstler - ob Sänger, Instrumentalsolisten oder Rezitatoren wird in dem Artikel nicht festgehalten - Alexandru Felciuc, Maria Florea, Cristian Spoeală und Marius Bodea ihr Können. Als Überraschungs- und gleichzeitig Ehrengast trat Nelu Unguruşan auf. (Auch hier fehlen nähere Angaben.) Moderiert wurde der Abend (Beginn 17:00 Uhr) von Maria Petchescu. Über 200 Senioren aus Giarmata waren der Einladung gefolgt und laut Redakteurin Ionela-Flavia Fanu rundum zufrieden und dankbar.
+ + + Wie ich mei Aldi gfroot hun, ob mer aah dorthin gang wäre, wann mer jetz noch in Johrmark wäre, hot’s mich schief ongschaut. Mein Gott, ich hun’s doch norr gut gemoont. + + +

Montag, 21. November 2016

Mit gutem Wille an die Sache herangehen

Schönherr-Mann/Jain/Beilhack (Hg.): Rumford 11A – Der philosophische Rau(s)chsalon 2008-2012; „edition fatal“ Verlagsgesellschaft bR, München, 2012; ISBN 978-3-935147-24-8; 284 Seiten; 21,-- EUR. (bei Amazon am 28.10.2016)

Der Salon ist tot. Es lebe der Salon. Die Zeiten, als ein Geza von Czifra viel Zeit in den Berliner Salons der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts verbrachte, sind nur noch anekdotenreiche Geschichte. Aber nicht die Salons. Zumindest einen dieser Debatiersalons gibt es heute noch in München. Er befindet sich in der Wohnung des Philosophen Hans-Martin Schönherr-Mann, und es würde ihn in dieser Form nicht geben, hätte die bayerische Staatsregierung nicht im Jahre 2007 ein von den Bürgern erzwungenes Rauchverbot eingeführt. Im philosophischen Rau(s)chsalon des Herrn Schönherr-Mann darf man nämlich rauchen und philosophieren, wahrscheinlich sogar in einem Rausch, denn laut Initiator „fließt der Wein […] von Anfang an“. Dort werden Vorträge „von den Teilnehmern gehalten“, wobei „Zuschauer, also Touristen nicht zugelassen“ sind.

Also hätte ich, dessen berufsbezogenes Denken sich zeitlebens um Quantität und Qualität von ZKGs (Zylinderkurbelgehäuse oder schlicht und einfach Motorblocks) drehte, dort keinen Zugang. Umso neugieriger war ich natürlich, was Quantität und Qualität in der berufsmäßigen Philosophie bedeutet. Diese wird nämlich im Rau(s)chsalon in der Rumfordstraße hergestellt. Oder nur gedacht und eventuell niedergeschrieben, denn bis zum Herstellen kommt man in den rauch- und weingeschwängerten „Smalltalks“ nicht. Macht nichts. Auch wenn ich mich mit meinem Zwischenprodukt (das Endprodukt rollt über die Straßen dieser Welt) auf einer höheren Herstellungsstufe als die philosophierenden (anscheinend berufsmäßig, wo es sich doch um Professoren und Studenten handelt) Salonbesucher wähne, schlug ich den Sammelband Rumford 11A – Der philosophische Rau(s)chsalon 2008-2012 mit einem schon fast voyeuristischen Eifer auf – aber bitte, ganz vorurteilsfrei, ohne jedweden geringschätzigen Abwehrmechanismus. In dem Buch sind die (oder einige) Beiträge dieser Salonarbeit abgedruckt. (Man kann sie auch online bei www.edition-fatal.de lesen.)

Also, los geht’s! Philosophie pur! Eine fast schon abenteuerliche Entdeckungsreise für einen pensionierten Schichtarbeiter konnte beginnen:
1.) Hans-Martin Schönherr-Mann (1.Salon, 31 Januar 2008): Das Dionysische als das gute Böse. Ein Zitat: „Ohne Rausch keine Individualisierung, die des Trüben bedarf, immer dorthin abgeleitet! Ohne Rausch keine ökonomische Effektivität! Keine soziale Liberalität! Ohne Rausch gibt es nur Null-Tolleranz.“ Unter dem Text meine Bleistiftnotiz – also zu jeder Zeit ausradierbar: „Hilfloses und nicht überzeugendes Plädoyer für das Rauchen im Speziellen und den Rauschzustand im Allgemeinen. Nein, damit kann ich nichts anfangen“, auch wenn der Verfasser Essayist und Professor für Politische Philosophie an der Ludwig-Maximilian-Universität in München ist. Als ich noch Tanzmusik machte, gab es noch kein Rauchverbot. In jener Zeit hatte meine Frau mir beigebracht, meine Musikantenkleider immer gleich in den Keller vor die Waschmaschine zu werfen und erst dann in die Wohnung zu kommen – weil ich angeblich so gestunken habe. Ob ich damals mit philosophischen Raucherrechtfertigungen besser gefahren wäre, bleibt zu bezweifeln.
2.) Hans-Martin Schönherr-Mann (3. Salon, 17. April 2008): Kein gutes Leben ohne Verrat: Ergo verratet alle eure Götter! Beim Lesen habe ich mich gefragt, warum ein Perspektivwechsel, eine Meinungsänderung ein Verrat sein sollte. Versteht man unter „verraten“ nicht „ausliefern“? Man kann seine Meinung doch auch ändern, ohne diese (oder sich) gleich dem Galgen auszuliefern.
3.) Mario Beilhack (4. Salon, 12. Juni 2008): A Space Odyssey – Die mediale Verfasstheit der Welt. Wir erfahren unter anderem, dass „medial“ keine „Festlegung auf die Medien, die wir heute als Informations-, Kommunikations- oder Unterhaltungsmedien bezeichnen“, ist, sondern bedeutet, „dass etwas mit uns und unserer Umwelt geschieht, wenn wir Medien nutzen“. Wie wahr!
4.) Matthias Hofmann (6. Salon, 3. Dezember 2008): Die Ausnahmeschutzverletzung als Destabilisierung der Lebenswelt – Der lahmende Computer als Krise der Rationalität. Es sind zwar acht Jahre seit dem Entstehen oder Vortragen dieses Essays vergangen. Das ist in der IT-Welt eine kleine Ewigkeit, aber mein heutiges Erleben mit diesem „Monster des Zauberlehrlings“ (Computer) ist auch heute das Gleiche wie hier geschildert.
5.) Michael Löhr (7. Salon, 11. Februar 2009): Wa(h)re Schönheit – von Kant zurück zu Platon und Laotse: François Chengs „unkritische“ Meditationen über Schönheit. Zitat: „Die Einmaligkeit eines jeden kann sich nur im Angesicht und dank der Einmaligkeit der Anderen ausbilden, behaupten und einen Sinn bekommen.“ Wenn doch alle Menschen diese Wahrheit beherzigen könnten. Wir hätten keine Konflikte auf unserer Erde.
6.)  Hans-Martin Schönherr-Mann (8. Salon, 1. April 2009): Die wahre Schönheit als ein Oberflächenphänomen oder Von der unmöglichen Innerlichkeit der Schönheit. Schönherr-Mann behauptet in diesem Essay, dass Schönheit „nichts mit Liebe zu tun“ hat, „wiewohl sie gelegentlich in dieser Hinsicht anregend wirkt.“ Ich habe diesen Satz mit einem Fragezeichen versehen. Er wirft wahrscheinlich nicht nur aus meiner Sicht mehr Fragen als Antworten auf.
7.) Anil K. Jain (9. Salon, 26. Mai 2009): Capitalism Inc. – Der „phagische“ Charakter des Kapitalismus. Obwohl ich dankbar bin, im Kapitalismus leben zu dürfen, scheue ich mich nicht, fast alles, was in diesem systemkritischen Text steht, zu unterschreiben, auch dass der Kapitalismus „unermessliche Gier“ und „Trieb nach unbegrenzter, unaufhörlicher Expansion“ bedeutet.
8.) Michael Löhr (11. Salon, 23. September 2009): Der Traum ist mehr als bloße Wunscherfüllung! Christoph Türcke über die Geburt des Menschen aus dem Schrecktraum. Ziemlich schwere Kost, was der Autor hier serviert. Es zeigt sich schnell, wie schwimmend die Grenzen zwischen Philosophie und Psychologie sind. Dem Kern des Problems dürfte aber jeder schon im Leben näher gekommen sein: durch einen schlechten Schlaf, garniert mit einem bösen Traum.
9.) Michael Ruoff (12. Salon, 8. Dezember 2009): Ein Physiker plaudert aus dem Nähkästchen. Das ist ein Beitrag über das Innenleben der wissenschaftlichen Institutionen. Achtung! Auch dort arbeiten Menschen – solche und solche. Und es geht zu wie einst bei uns an den Produktionsanlagen. Das ist ein beruhigendes Gefühl. Mensch bleibt eben Mensch.
10.) Anil K. Jain (16. Salon, 29. September 2010): Die kontingente Gesellschaft und die Notwendigkeit der Utopie. Zitat: „Kontingenz bedeutet, wie ausgeführt, ja immer zugleich auch Begrenztheit, da Möglichkeit erst durch Begrenzung hervortritt.“ Das ist nur einer der unzähligen Begriffe, die erklärt werden müssen. Hier macht das der Autor selber. In vielen anderen Fällen hilft nur der Griff zum Duden oder Fremdwörterbuch.
11.) Stefan Bolea (18. Salon, 23. Februar 2011): Gedichte. Erfreulich: Auch die Lyrik hat Zugang zum Rau(s)chsalon. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass der Dichter in diesem Fall auch Doktor der Philosophie an der Babeş-Bolyai-Universität in Klausenburg (Cluj Napoca) / Rumänien ist.
12.) Michael Löhr (19. Salon, 7. April 2011): Versuche über Gleichgültigkeit. Also dieser Text transportiert schon Thesen, denen man nur schwer folgen kann. Auch wenn es da zum Beispiel heißt: „Da alles Denken für Pessoa Zerstören heißt, ist eigentlich derjenige am glücklichsten, der gar nicht denkt.“ Wie heißt es doch im Volksmund: „Überlass das Denken den Pferden, die haben einen größeren Kopf.“
13.) Michael Ruoff (20. Salon, 8. Juni 2011): Die retteritorialisierte Theorie. Um es kurz zu machen: Theorie ist weitgehend alles, was es in dieser Aufsatzsammlung zu lesen gibt. Das hier ist ein Versuch, Philosophie über den Dialog zu vermitteln. Man muss halt mit gutem Willen an die Sache herangehen, dann kommt man auch bei diesem Text unbeschadet zum Schlusssatz, der da lautet: „Schalten Sie lieber den bewährten Nachbrenner ein: Odysseus im Luftkissenboot – das ist sicher.“
14.) Michael Löhr (22. Salon, 26. Oktober 2011): Zeit und Bild – Heidegger, Benjamin und Mitchell über das Wesen des Bildes. Beim Lesen dieses Essays lag die Digitalkamera vor mir auf dem Tisch. Ein Alltagsgerät mit einem Chip voller Bilder. Zum Glück haben sie keine Symbolkraft. Andernfalls würden sie der in diesem Beitrag angestellten philosophischen Betrachtung unterliegen: „Hier wird die Symmetrie deutlich, die zwischen Ikonokasmus und Idolatrie besteht, und zwar, dass schöpferisches Zerstören sekundäre Bilder erzeugt, die auf ihre Weise nun Formen von Idolatrie darstellen, die unter Umständen noch mächtiger sind, als die zerstörten Idole.“ Mir fielen spontan die IS-Milizen in Syrien beim Zerstören antiker Kunst ein und ich fragte mich, ob die ihrer Zerstörungswut auch dann freien Lauf gelassen hätten, wenn sie ihr Vernichtungswerk nicht hätten filmen und via Internet in die Welt schicken können. Aber wie sagte schon mein Großvater: „Nobel geht die Welt zugrunde.“
15.) Linda Sauer (24. Salon, 25. Januar 2012): Das Böse – Glanz und Abglanz einer diabolischen Versuchung. Der Facettenreichtum des Bösen ist hier zu erkennen. Es ist schon merkwürdig (oder auch nicht?): Ich zog beim Lesen dauernd Parallelen, stellte Vergleiche an, zog Fäden zu diesem und jenem, stellte mir Fragen … und vergaß dabei, mich selber zu hinterfragen. Das ist ein böser Essay. Aber wie könnte er auch anders sein, wo er doch vom Bösen handelt.
16.) Michael Bräustetter / Maximilian Hartung (25. Salon, 29. März 2012): Wer denkt wen? Von diesseitigen Gedanken, Geständnistieren und Autoren. Die Fragestellung formulieren die Autoren so: „Taugt die Biographie zur Erhellung des Werks oder gar das Werk zur Erhellung der Biographie?“ Die Antwort unterliegt natürlich auch hier der philosophiespezifischen Ambivalenz. Man kann den Autoren und den von ihnen zitierten Sommitäten mal folgen und mal nicht. An einer Stelle heißt es zum Beispiel: „Aber folgt man Foucault, dann ist es falsch, den Autor beim wirklichen Schriftsteller oder beim fiktionalen Sprecher zu suchen – der Autor ist eben nicht im Personenstand des schreibenden Menschen zu lokalisieren.“ Das schließt doch jeden autobiographischen Bezug eines Romans aus. Und das wiederum ist mit Sicherheit nur bedingt so.
17.) Bernd Mayerhofer (16. Salon, 10. Mai 2012): Wovon man nicht sprechen kann … Über das Schweigen im Allgemeinen und das bestimmter Personen im Besonderen. Zitat: „Die Frage nach dem Sinn des Lebens – um nur diese eine zu nennen – behält auch für Wittgenstein ihre existenzielle Berechtigung, beantworten muss sie freilich jeder für sich und darf dabei weder auf die Hilfe der Wissenschaften noch auf die Tröstungen der Philosophie hoffen.“ Na, so was! Dabei glauben doch sehr viele Menschen, dass die Philosophie gerade auf diese Frage eine oder mehrere Antworten anzubieten hat. Und wie steht es mit dem Schweigen? Das hat oft etwas mit verborgenen Schuldgefühlen zu tun. Hier dreht sich viel um Heidegger. Und mich erinnert die Thematik an einen ehemaligen Arbeitskollegen, der partout nie über diese Nichtbewältigungszeit seiner Schuljahre (so um die Zeitspanne 1965 - 1970) mit mir reden wollte, wo ich als Deutscher mit Migrationshintergrund doch so neugierig war und ihn regelrecht mit Fragen durchlöcherte. Erfolglos. Mein Exkollege stammt aus einem Dorf im Allgäu.
18.) Christoph M. Cegla (27. Salon, 10. Juli 2012): Warum Guido Knopp der beste deutsche Historiker ist – Einige theoretische Überlegungen zur Narration in der Geschichtsschreibung. Es gibt in der Beurteilung der Arbeit des Fernseh-Historikers naturgemäß zwei Lager: die Anhänger der rein akademischen Geschichtsschreibung, des sogenannten Historismus, und die Befürworter einer allgemein verständlichen Geschichtsvermittlung, der narrativen. Guido Knopp gehört zweifelsfrei zu Letzteren. Kritiker werfen ihm vor, ein Einschaltquotenjäger zu sein. Wie auch immer, wäre mein Geschichtelehrer Hans Speck kein guter Erzähler gewesen, hätte Geschichte es bestimmt nicht zu meinem Lieblingsfach in der Grundschule geschafft. Und weil ich im letzten Beitrag dieser Anthologie für mich ganz persönlich einen wahren Schatz für die Seele fand – die Seele eine Karl-May-Fans seit Kindertagen -, will ich ihn (den C. M. Cegla-Satz) zum Schluss dieser kurzen Buchvorstellung zitieren: „Karl May oder J. K. Rowling liefern für meine Überlegungen ebenso relevante Geschichtsdarstellungen wie Umberto Eco oder Jules Verne.“ Danke Christoph M. Cegla!

In einem Nachwort, das Anstelle eines Nachworts steht, erläutert Linda Sauer, warum man eine Einladung zu diesen Salons bei der Adresse Rumford 11A nicht ausschlagen sollte: „Die Treffen sind eigensinnig und trotzig, sie bedienen sich keiner vorgefertigten Klischees, sind ungehorsam und befreiend.“ Die Autoren der in diesem Buch vorgestellten Salontexte werden zum Schluss mit einer bio-bibliographischen Skizze vorgestellt.

Für einen ehemaligen Audi-Schichtarbeiter war das im wahrsten Sinne des Wortes eine erfrischende und manchmal sogar erbauliche Lektüre. Es muss ja nicht immer Unterhaltung sein. Ja was war das hier denn? Na klar, auch Unterhaltung!

Anton Potche

Montag, 14. November 2016

ORIZONT - Kurze Blicke über den Horizont – II

Wer will es mir verdenken, dass ich von meinem Thema abgekommen bin? Diese Abschweifung war ich meinem Zeichenlehrer Petru Umanschi schuldig. Schon wegen unserer gemeinsamen großen Liebe: der Musik.

Aber nun zurück zu den Anknüpfungen an die deutsche Kultur und besonders Literatur in der rumänischen Literaturzeitschrift ORIZONT. Immer wieder begegnet man in den Spalten dieser Publikation deutschen Literaten, Philosophen, Geisteswissenschaftlern, Musikern, Künstlern, Politikern: Thomas Mann, Franz Kafka, Heinrich Heine, Arthur und Albert Schott, Ingrid Bachmann, Karl Marx, Papst Benedict XVI., Ludwig van Beethoven, Wolfgang Amadeus Mozart, Franz Schubert, Sigmund Freud, Friedrich Nietzsche, Hannah Arendt und vielen, vielen anderen. 

Und die deutschen zeitgenössischen Schriftsteller oder deutsch schreibenden Rumänen, die Rumänien verlassen haben und in Deutschland, Österreich, Italien, England, der Schweiz oder anderswo leben, sind so präsent, als wären sie nie aus Rumänien ausgewandert. Ihre Bücher werden vorgestellt und teilweise auch ausführlich besprochen. Man begegnet immer wieder Namen wie Richard Wagner, Gerhard Csejka, Hans Dama, Paul Celan, Dieter Schlesak, Ilse Hehn, Helmut Britz, um nur einige stellvertretend für viele zu nennen. Aber auch die deutschen Autoren, die in Rumänien geblieben sind, werden bei ORIZONT nicht vergessen: Eginald Schlattner etwa oder Annemarie Podlypni-Hehn, Balthasar Waitz und Erika Scharf (1929 – 2008). Literatur hat auch immer ihre Geschichte und Geschichten. Dem trägt man in ORIZONT wie selbstverständlich Rechnung. Dabei denkt man natürlich an die Lektüre der erbaulichen Securitate-Akten und schreibt darüber. Die siebenbürger Schriftsteller der 1950er Jahre und der ihnen aufgehalste Prozess wurde auch in dieser Zeitschrift thematisiert.

Man liest immer wieder Glossen, Artikel aber auch längere Essays, die in Deutschland verfasst wurden. Adriana Cârcu lebt (oder lebte) zum Beispiel in Düsseldorf und kein Weg scheint ihr zu weit zu sein, um der rumänischen Kunst und Literatur zu dienen. Im Jahre 2007 reiste sie zum Beispiel bis Singapur, um den Maler Valeriu Sepi zu interviewen. (Der war übrigens auch Mitglied der Gruppe Phoenix.) Um weitere 14 künstlerisch tätige Personen mit biografischem Bezug zu Temeswar treffen zu können, fuhr sie durch Deutschland, Holland, Spanien, die Schweiz, Frankreich und Ungarn. Ein sehr schöner, emotionsgeladener Essay zum Nobelpreis für Herta Müller stammt auch aus ihrer Feder. Sie hat ihn am 28. Oktober 2009 in Heidelberg verfasst und ihm den Titel Zăpada din Banat (Der Schnee aus dem Banat) gegeben. Erschienen ist er im November 2009 in ORIZONT.   

Deutschen Kulturschaffenden, die das Land verlassen haben, werden manchmal auch mehrere Seiten gewidmet. So führte Alina Mazilu im September 2008 ein zweieinhalb Seiten umfassendes Interview mit Nicky Wolcz. Er erzählt von seinem Leben auf Koffern, also von der faszinierenden Welt des Theaters. Im September 2012 zierte er dann mit einem alten Wecker in der Hand die Titelseite von ORIZONT. Überschrift: Wolcz in den Niederungen. Das Heft enthält zwei Seiten hochinteressante Theaterwelt. Einen Monat später wird die Inszenierung des Stückes Die Niederungen nach einer Erzählung von Herta Müller besprochen. Dramatisiert wurde der Stoff von Niky Wolcz, Ulla Wolcz und Valerie Seufert. Die Aufführung fand am DEUTSCHEN STAATSTHEATER TEMESWAR statt.

Im ausklingenden Jahr 2009 stand Herta Müller im Fokus der literarischen Öffentlichkeit. Ihr Konterfei zierte auch das Oktober-Heft von ORIZONT. Im Inneren konnte man dann Beiträge über die Nobelpreisträgerin 2009 lesen. Verfasst wurden sie von Rodica Binder, Radu Pavel Gheo, Roxana Nubert, Gabriela Glăvan, Elena Craşovan und Pia Brînzeu (ein Artikel vom Juni 1983 aus dem Archiv). Gekrönt wurde diese Serie von der Transkription eines Interviews, das Robert Şerban mit Herta Müller am 12. März 2005 beim Fernsehsender TELEVIZIUNEA ANALOG TIMIŞOARA führte. Bei ORIZONT ging das im Jahr 2010 mit abnehmender Intensität so weiter. Im Januar wurde ein ausführliches Interview mit Eginald Schlattner abgedruckt. Darin wird auch über Herta Müller und ihren Nobelpreis gesprochen. Im ersten Teil eines langen Essays legt Radu Pavel Gheo seine ganz persönliche Sicht auf diese Nobelpreisvergabe und ihre Protagonistin dar. (Vielleicht sollte man hier erwähnen, dass es in Rumänien keine einhellige Freude über diese Nachricht gab.) Der ORIZONT-Essayist gehört eindeutig zu den positiv gesinnten. In seiner Einschätzung gibt es viele schöne Sätze. In einem heißt es: „Die Anwesenheit einer aus Rumänien stammenden Schriftstellerin (obwohl Herta Müller mehr als das ist) auf der Liste der Nobelpreisträger  – man verzeihe mir meine Pathetik – stellt einen Silbernagel in der Wand der Ewigkeit dar.“ Im Februar 2010 erschien der zweite und im März der dritte Teil dieser sehr emotionalen Würdigung. Es folgen auch in den folgenden Monaten und Jahren immer wieder Beiträge, die sich mit der Person und dem Werk Herta Müllers befassen. Stolz titelte man in der September-Nummer 2013: Herta Müller debütiert in ORIZONT. Der Temeswarer Literaturkritiker Cornel Ungureanu erinnerte sich nämlich, dass da mal was in dieser Zeitschrift von Herta Müller veröffentlicht wurde. Die Recherche im Archiv hat dann ergeben, dass in der Juni-Ausgabe 1972 tatsächlich ein Gedicht der heutigen Nobelpreisträgerin zu lesen war: Flori căzute. Ein netter Zehnzeiler, kann man heute noch feststellen.

Über die Jahre verteilt wird auch immer wieder über die Aktionsgruppe Banat geschrieben. Und das nicht nur im Zusammenhang mit Herta Müller, die ja oft fälschlicherweise als Mitglied dieser Autorengruppe genannt wird. Man hat die Schikanen der Securitate in der literarischen Szene des Banats nicht vergessen. Und bei der Aufarbeitung dieses kommunistischen Phänomens wird die Gruppe der (damals) jungen Schriftsteller immer wieder erwähnt.

Die Themenvielfalt in ORIZONT ist sehr breit gefächert. Spricht man von Literatur, kann das Theater natürlich nicht fehlen. Hier bleibt das DEUTSCHE STAATSTHEATER TEMESWAR nicht links liegen. Viele Aufführungen in diesem Haus werden von der rumänischen Literaturzeitschrift mit kritischem Kennerblick besprochen.

Man kann auch immer wieder sehr lehrreiche kultuthistorische Beiträge lesen. In der Juni-Ausgabe 2013 beschäftigt sich zum Beispiel Mihai A. Panu mit der deutschen Schule im rumänischen Banat. Der Verfasser gibt als benutzte Quellen Arbeiten von Kaspar Hügel, Hans Weresch und Anton Valentin an.

Die Geschichte der Deutschen in diesem Teil Europas findet auch heute noch Eingang in die Literatur und andere Kunstsparten. Im August 2014 stellt Christina Chevereşan den Roman Lindenfeld von Ioan T. Morar  auf zwei Spalten vor. Lindenfeld revizitat (Lindenfeld wiederbesucht) überschreibt sie ihre Kritik. Die zwei anderen Spalten derselben Seite tragen die Überschrift Apfelstrudel fără aluat (Apfelstrudel ohne Teig) und beinhalten eine Kritik des Films O poveste de dragosteLindenfeld (Eine Liebesgeschichte - Lindenfeld), den Radu Gabrea mit Victor Rebengiuc und Victoria Cociaş in den Hauptrollen gedreht hat. Eine ergreifende Geschichte des Verschwindens. Aber auch der Wiederkehr und des Weiterlebens auf unbestimmte Zeit in der Literatur und Filmkunst.
Anton Potche

Montag, 7. November 2016

ORIZONT - Kurze Blicke über den Horizont - I

Im Mai 1972 ist die erste Ausgabe der Literaturzeitschrift ORIZONT in Temeswar, der Hauptstadt des Banats, erschienen. Sie wird vom rumänischen Schriftstellerverband herausgegeben und hat als inhaltlichen Schwerpunkt die Literatur der westlichen Region Rumäniens. Die Hefte seit Januar 2007 sind im Internet in PDF-Format einsehbar.

Wer die Ausgaben durchklickt, wird schnell bemerken, dass die Redakteure und ihre zahlreichen Zuarbeiter ihre Blicke weit über den ORIZONT (Horizont) schweifen lassen. Das gilt sowohl aus geografischer als auch aus geschichtlicher und zeitgenössischer Sicht. Es fällt natürlich sofort ins Auge, dass hier viele Kulturen und vor allem Literaturen Berücksichtigung finden. Wer die ethnische Zusammensetzung der banater Bevölkerung kennt, wird sich darob auch nicht wundern. Dass dieser einst als multinationaler Raum gepriesene Landstrich besonders in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts gewaltig Schlagseite bekommen hat, ist bekannt. Temeswar ist längst Timișoara und die einst tonangebenden Ungarn, Serben und besonders die Deutschen sind ethnische Exoten in einer rumänischen Großstadt, die ab 2021 zu den Kulturhauptstädten Europas gehören wird. In ORIZONT ist das aber kaum zu spüren. Die literarischen und multiethnischen kulturellen Fäden sind zwar fein, oft zwischen den Reihen, aber sehr reisfest gesponnen.

Davon kann man sich schon in der Januar-Nummer des Jahres 2007 überzeugen. Rodica Binder, Mitarbeiterin der DEUTSCHE WELLE, widmet dem SPIEGEL einen Artikel anlässlich dessen 60. Geburtstag und stellt zum Schluss die Post-Scriptum-Frage: „Diese Jubiläumsreihen schreibend, fragte ich mich, wann oder überhaupt ob das Modell DER SPIEGEL in Rumänien Schule machen wird.“ Klar, man schaut auch heute nach Deutschland, oder tat es zumindest 2007 noch.

In der Betrachtung von Literatur und Philosophie, eigentlich die wichtigste Säule einer seriösen Literaturzeitschrift, sind Interferenzen zwischen den verschiedenen Kulturen unvermeidlich. Wenn zum Beispiel Corneliu Berari über die von seinem ehemaligen Professor Viorel Colțescu verfasste Geschichte der Philosophie (Istoria filozofiei) schreibt, kann er gar nicht anders, als auch über Kant zu schreiben, trägt der zweite Band des erwähnten Werkes doch den Untertitel Kant und der deutsche Idealismus (Kant și idealismul german). Der Autor dieser Rezension hat seinen Text auch unmissverständlich mit dem Titel versehen: „Der Deutsche“ Viorel Colțescu („Germanul“ Viorel Colțescu). So geht es lehrreich und oft auch unterhaltsam weiter durch die erste Nummer des Jahres 2007. In vier weiteren Beiträgen von Adrian Atanasescu (S. 11), Constantin Orzescu (S. 12), Daniel Vighi (S. 24) und Adriana Cârcu (S. 28) fand ich gesponnene Fäden zur deutschen Literatur. 
Petru Umanschi
Foto: jurnalul.ro

Die Seite 30 dieses Heftes war Petru Umanschi vorbehalten. Und der Musik. Petru Umanschi. Ja, ja unser Lehrer aus der Schule in Jahrmarkt / Giarmata. Und was hat er uns deutsche Kinder unterrichtet? Zeichnen. Ich habe ihn als einen hoch aufgeschossenen, freundlichen, zu Späßen neigenden jungen Mann in Erinnerung. Dass er mehr mit Musik als mit Zeichnen zu tun hatte, ahnte im damaligen Blasmusikdorf Jahrmarkt kaum jemand. Seine seit 2007 einsehbaren Musikessays haben auch nichts mit Blasmusik zu tun. Umanschi war ein wahrer Wegbereiter der Pop- und Rockmusik im Banat. Seine Verdienste als Musikwissenschaftler und –kritiker, Gestalter von Radio- und Fernsehsendungen sowie als Journalist sind unbestritten. Er war der Erste, der 1963 einen Artikel über die legendäre Temeswarer Gruppe Phoenix veröffentlichte. 1977 begann er seine Tätigkeit bei der Literaturzeitschrift ORIZONT. Er schrieb in einem sehr kursiven, für jedermann verständlichen Stil über Pop, Rock, Beat und andere moderne kurz- oder langlebige Musikgenres. Als Gründer und Schlagzeuger der Temeswarer Band Uranus (von 1961 bis 1965 mit Florin „Moni“ Bordeianu, Harry Coradini und Sergiu Ţapuchievici) war Petea, wie seine Freunde ihn nannten, nicht nur Theoretiker und Kritiker, sondern auch ein Kenner der Praxis, der Szene hinter den Kulissen. Man spürt das in seinen unzähligen Musikessays. Umanschi war immer bestrebt, auch die Menschen hinter der Musik und außerhalb der Bühne zu sehen und darüber zu schreiben. Das macht die Lektüre seiner Texte so kurzweilig. Schon in der ersten Nummer, die ich durchsehen konnte (Januar 2007) beginnt sein Artikel wie ein persönliches Bekenntnis, eine Art professionelles Ethos eines Musikkritikers: „Nur wenige Tage vor Neujahr hat >Gottvater des Souls< sich entschieden, diese sündhafte Welt zu verlassen, obwohl – wie jeder es weiß – er sie mit allen Poren liebte. Natürlich, über Tote nur Gutes, aber James Brown zu idealisieren, heißt unverschämt zu lügen, ja sogar deine Leser nicht zu respektieren, was ich mir nicht erlaube. Also, meine Lieben, lernen wir in erster Reihe den Menschen hinter der Legende kennen.“ Das klingt nach Schonungslosigkeit, ist aber journalistischem Ethos geschuldet. 

In der ORIZONT vom 27. September 2011 veröffentlichte Umanschi einen kurzen Text, man könnte ihn als Brief bezeichnen, mit dem Titel Kopi Luwak Coffee: „Wenn Sie gewohnt sind, meine Rubrik bei einem Kaffee zu lesen, würde ich Ihnen raten, sich nicht für den im Titel dieses Textes zu entscheiden, auch wenn Sie auf Sumatra (Indonesien) sind, wo er herkommt. Um Sie zu überzeugen, will ich Ihnen sagen, dass Ihr Blutdruck schon bei der Erwähnung seines Preises steigen könnte: 1000 Dollar für 100 Gramm. Wir kennen den Grund für diesen Preis nicht, haben aber erfahren, dass die Produktion dieses Kaffees auf 15 kg pro Jahr beschränkt und fast nur für den Export bestimmt ist.“ Es folgt eine lose Auflistung von Septemberereignissen aus der Welt der Pop- Rock- und Beatmusik: „[…] Im September 1956 haben mehr als 50 Millionen Amerikaner Elvis Presley in der Fernsehsendung Ed Sullivan Show gesehen. Der Reaggae-Gittarist Peter Tosh aus Jamaika wurde am11. September 1987 im Alter von 43 Jahren ermordet. Er war Mitbegründer und Leiter der Gruppe The Wailers.“ Der Zusammenhang zwischen Einleitung und Inhalt dieses Artikels erschließt sich einem auch heute nur mit viel Fantasie.

Und fragen kann man Petea Umanschi auch nicht mehr. Es war sein letzter Artikel. Am 29. März 2012 ist Petru Umanschi verstorben. Viele Medien im Westen Rumäniens haben seine bahnbrechenden Aktivitäten für die Etablierung der zeitgenössischen Musik in Temeswar und darüber hinaus gewürdigt. Der am 26. Mai 1940 in Comrat, Kreis Tighina, Bessarabien, geborene Petru Umanschi wurde 71 Jahre alt. Von seinen musikalischen Tätigkeiten hatte ich nicht die blasseste Ahnung. Währe nicht eines Tages die Literaturzeitschrift ORIZONT auf meinem Bildschirm aufgetaucht, wüsste ich - wie wahrscheinlich viele seiner einstigen deutschen Schüler aus Giarmata - auch heute noch nichts davon. Und Umanschi würde für uns noch immer leben. Einen so schönen Traum hat er sich bestimmt verdient.

Anton Potche