Montag, 31. Juli 2017

Juli 2017 – Giarmata in den Medien

Erschließung des Autobahnzubringers zur A1
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 10.07.2017
Die Pläne zur Erweiterung der Kreisstraße 691 auf vier Spuren liegen bei der  Umweltschutzbehörde (Agenţia pentru Protecţia Mediului Timiş - APM) zur Einsicht für die Bürger bereit. Auch Giarmataer Grund und Boden ist von dieser Baumaßnahme betroffen. Innerhalb von fünf Tagen können die Bürger ihre „Kommentare / Stellungnahmen“ beim Sitz der Behörde in Timișoara, B-dul Liviu Rebreanu Nr. 18 – 18A abgeben.
+ + + Je kürzer die Frist, je kleiner der Ärger mit aufmüpfigen Bürgern. + + +

CS Millenium Giarmata auf der Suche nach einem neuen Namen
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 17.07.2017
 C4 (Liga III – Serie IV)
Fußballdrittligist CS Millenium Giarmata hat die Vorbereitungen für die Saison 2017/18 aufgenommen. Beim ersten Training musste Coach Răzvan Leucă auf einige Leistungsträger verzichten, die den Klub verlassen haben: Casian Maghici (nach Chişineu-Criş), Eduard Soare (ACS Dumbrăviţa), Andrei Ciobănică (CS Timișul Şag) und Robert Artimon hat es nach Frankreich verschlagen. Neue Spieler sind noch nicht zum Verein gestoßen. Spieler, die bisher Interesse gezeigt haben, kommen alle aus unteren Ligen. Man spricht auch davon, dass die Mannschaft in der nächsten Spielzeit unter einem neuen Namen firmieren wird: ACS FC Giarmata.
+ + + Unabhängig vom Namen wird es für die Giarmataer bestimmt nicht einfacher in der folgenden Saison. Dafür sprechen die anscheinend sehr bescheidenen Transfermittel. Vielleicht engagiert sich ja mal einer (oder auch mehrere) der ausländischen Firmen in Giarmata. + + +

Grün für das Fahrrad
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 18.07.2017
Grün für das Fahrrad ist eine Fahrradtour, die heuer zum dritten Mal für Mountenbike- und Cross-Country-Fahrer organisiert wird. Die Route ist 75 km lang, beginnt und endet in Temeswar und führt auch durch Giarmata.

Unterstützung der Sportvereine
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 20.07.2017
Für den 24. Juli wird eine Gemeinderatssitzung einberufen, um vier Tagesordnungspunkte abzuarbeiten. In allen vier Fällen geht es um die Genehmigung von Unterstützungsfonds für die ortsansässigen Sportvereine CS Millenium Giarmata, ACS Leu Giarmata, CS Unirea Cerneteaz und ASS Giarmata.

Schutzimpfung gegen Masern
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 24.07.2017
In einem Flyer werden alle Mütter mit Kleinkindern aufgerufen, ihre Schutzempfohlenen gegen Masern impfen zu lassen.
+ + + Es gab schon Todesfälle – auch im Kreis Timiș / Temesch. Aber auch Diskussionen über den landesweiten Mangel an Impfstoff. + + +

Unfall bei Giarmata
aus TION.ro, Timișoara / Temeswar, 25.07.2017
- Ein 25-Jähriger hat nach dem Verlassen der Autobahn bei Giarmata einen schweren Unfall verursacht, als er bei hoher Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn geriet. Auch seine 26 Jahre alte Beifahrerin wurde schwer verletzt.
+ + + Vom Autobahnmodus in den Landstraßen- oder gar Stadtmodus umzuschalten, ist nicht jedermanns Sache. Das erlebt man immer wieder im Straßenverkehr kurz nach einer Autobahnanschlussstelle. + + +
- Etwas mehr Glück hatte eine 24-Jährige, die auf der Landstraße in Richtung Giarmata unterwegs war und auf Höhe der Firma Hellas durch ein schlechtes Überholmanöver mit einm entgegenkommenden Fahrzeug kollidierte. Beide in den Unfall verwickelte Personen wurden nur leicht verletzt.

Gemeinderatssitzung am 31. Juli
aus PrimăriaGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 26.07.2017
Diesmal soll der Gemeinderat in 14 Tagesordnungspunkten über Immobilienprobleme, die Vergabe von 16 Sozialwohnungen und (erneut) die finanzielle Förderung der Sportvereine diskutieren und entscheiden.
+ + + Das mit den Sportler/innen scheint beim ersten Mal nicht hingehauen zu haben. + + +

Inflagranti erwischt
aus InfoGiarmata.ro, Giarmata / Jahrmarkt, 28.07.2017
In den letzten drei Monaten haben zwei Männer aus einem Temeswarer Einkaufszentrum Zigaretten im Wert von einer Milliarde Lei (alt) gestohlen. Jetzt wurden sie in der Tiefgarage beim Einpacken einer neuen Ladung erwischt. Einer der Männer kommt aus Giarmata.
+ + + Wie viel mag 1 Milliarde Lei (alt) wohl sein? Bei der letzten Geldreform wurden einige Nullen gestrichen. Das weiß ich noch. Aber wie viele? + + +
Kulturheim in Giarmata
Foto: SportTim.ro

Fußballfuntionäre tagen in Giarmata
aus SportTim.ro, Timişoara / Temeswar; 30.07.2017
Die Fußballvereinigung des Kreises Temesch (Asociaţia Judeţeană de Fotbal Timiş) hat 123 Mitglieder. 70 Vertreter dieser 123 Vereine waren ins Kulturheim Giarmata zur Jahreshauptversammlung gekommen. Seit 35 Jahren ist Dănuţ Laţa der Vorsitzende dieser Fußballorganisation. Er will es noch bis Februar 2018 bleiben, wenn sein Mandat ausläuft.
+ + + Wenn mich nicht alles täuscht, hat Dănuţ Laţa in den 1970er Jahren bei UMT gespielt. Da müsste man mal bei den zwei Jahrmarkter UMT-Fußballern (damals C- und B-Liga) Nicki Loris und Mathias Loris (beide nicht miteinander verwandt oder verschwägert – auch nicht mit dem Sänger der Egerländer Musikanten, Nick Loris, oder dem Kapellmeister a. D. Mathias Loris) nachfragen.  – Forr die jingre Altjohrmarker kann merr des Kuddlmuddl mit dee Johrmarker Lorise (die vier sin nateerlich e verschwindend kloone Minderheit vun de Lorise in Johrmark) e bissje dorchsichtich mache: de Fotballist Nicki Loris war in Johrmark de Berns Nicki (der wu bei de Stumpiche Akkordeon gspillt hot), sei Mannschaftskumrad bei de UMT, de Mathias Loris, war in Johrmark de Schwowe Matz (der wu bei de Spitziche Fliglhorn geblos hot), de Nick Loris vun de Egerländer, war in Johrmark de Turmanns Nicki (der wu aah bei de Spitziche Fliglhorn geblos hot) un de Mathias Loris, wu jetz noch vun do owwe iwrich geblieb is, war in Johrmark de Metzje Matz (der wu in vierter Generation de Kapellemaaster vun de Spitziche war). Die vier do hun nateerlich all im Kulturheim, wu jetz die Fotballistefunktionäre ehre Sitzung abghall hun, als junge Buwe un Männer Musik gemach. Alles klor? Oonfacher geht’s bei dee ville Lorise aus Johrmark halt net + + +

Die Trophäe Die Trachtentruhe 2017 geht nach Giarmata
aus FOAIA de GIARMATA, Timişoara / Temeswar; Juli 2017
Im Capitol-Saal der Temeswarer Philharmonie wurden die Preise des heurigen Wettbewerbs Die Trachtentruhe (Lada cu zestre) verliehen. „Giarmata nahm an diesem Wettbewerb mit den besten Tänzern und Volksmusikinterpreten teil, mit den schönsten Kostümen und den besten Interpreten im banater Dialekt, hatte aber auch eine Ausstellung mit alten Büchern, Fotografien und Glasmalerei. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die Präsentation kulinarischer Präparate aus dem Banat gelegt“, schreibt Gigi Miron in einem ausführlichen Artikel. Die Kindertanzgruppe wurde von Veronica Kretten geleitet und mit den schon bekannten Sânzene Bănățene (Banater Elfen) hat Maria Petchescu gearbeitet. Die Giarmataer Laienformationen sind im Verein Pro Datina (Pro Brauchtum) zusammengefasst. Der Verein wird von Felician Ciolea und Ciprian Pop geleitet und widmet sich der Brauchtumspflege. Kulturheimdirektor Rusalin Hoarcă weist darauf hin, dass ohne Finanzmittel auch in der Pflege der Volksbräuche keine Erfolge zu erwarten sind: „Immer hat das Rathaus uns unterstützt und die Liste mit den Ausgaben genehmigt. So konnten wir uns ein Orchester, Solisten und Ausbilder leisten.“ Besonders viel Lob gibt es in dem Beitrag auch für Bürgermeister Virgil Bunescu, der diese Kulturaktivitäten seit Jahren unterstützt. Im August werden die schönen Elfen von Giarmata zu einem Festival nach Griechenland reisen. 
+ + + Vleicht kännt merr die Tanzgrupp mit ehrem Taraf mol uf e HOG-Treffe inlade. Rumänischi Rugă in Rastatt! Des wär doch was! + + +

Donnerstag, 27. Juli 2017

Seppi und Peppi unterhalten sich über den Modal Split in Ingolstadt

Seppi und Peppi in ihrem Bahnhofscafé. Die Sonne lugt nach zwei Regentagen hinter einer Wolke hervor.

- Wo kommst denn du jetzt her?
- Du kannst dich heute auf niemand mehr verlassen.
- Könntest du vielleicht etwas konkreter werden?
- Nicht einmal auf den Stadtrat. Zumindest den in Ingolstadt.
- Wieso das?
- Jeder Mensch weiß, dass eine Stadtratssitzung bei uns mindestens acht Stunden dauert. Das wäre von 15 bis 23 Uhr. Da müssen alle Fußballspiele ausgespielt sein, wenn die heimgehen aus ihrer Sitzung.
- Wenn’s keine Verlängerungen gibt. Aber wenn dir das zu lange ist, musst du doch nicht hingehen. Oder du kannst auch früher weggehen. Warst du heute gar nicht dort? Das kann ich mir von dir, einem politisch interessierter Vorzeigebürger, nur schwer vorstellen.
- Freilich war ich dort. Und das entsprechend vorbereitet.
- Wie?, wenn ich fragen darf.
- Mit Brotzeit und einer Flasche Wasser. Meine Frau hat mir zwei belegte Brötchen eingepackt. Und einen Apfel. Und noch eine Banane. Die Stadträte hatten 54 Tagesordnungspunkte zu bewältigen.
- Oh, da wird es heute wohl Mitternacht oder gar frühe Morgenstunde?
- Davon bin ich ausgegangen. Stadtgeschichte schreiben! Die längste Stadtratssitzung! Und ich war dabei! Davon kannst du noch deinen Urenkeln erzählen.
- Warum bist du dann jetzt schon hier?
- Ja weil die um halb acht fertig waren. Hätten sie nicht um 18 Uhr Brotzeit gemacht, wären sie noch früher fertig gewesen.
- Man kann doch auch schnell diskutieren.
- Oder durchwinken.
- Immerhin. Vier Stunden. Da müssen sie doch über etwas geredet haben.
- Schon. Über den Modal Split in Ingolstadt.
- Was? Jetzt schon. Es ist doch noch Hochsommer.
- Ich glaub, du hast mich nicht recht verstanden.
- Wieso nicht? Split ist Split. Aber für den Winter, nicht für den Sommer.
- Okay. Lassen wir das. Bestell lieber etwas. Ich hab noch ein Brötchen dabei. Willst du die Hälfte? Darauf können wir uns einen genehmigen.
- Bedienung. Bitte zwei Klare.

Tief „Alfred“ macht’s möglich, dass auch im Juli ein Schnaps gut tut. 

Montag, 24. Juli 2017

Ein Spätberufener hat ein beeindruckendes Œvre vorzuweisen

Martha; Profesor Hübner; N-ai de gând, domnule, să laşi garda jos? (Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft zu zeigen?); Nu-l blamaţi pe ambiţios! (Blamiert nicht den Ambitionierten!) und Cu hora nainte (Mit der Hora vorwärts).

Das sind die Titel von fünf Romanen, die ein Autor bisher geschrieben hat, obwohl er erst mit 68 Jahren debütierte. Ştefan Ehling heißt der pensionierte Rumänischlehrer. Seinen ersten Roman, Martha, veröffentlichte er im Jahre 2008 im Temeswarer Verlag Marineasa. Und der bekam gleich den Debütpreis des Rumänischen Schriftstellerverbandes (USR). Auch sein zweites Buch wurde drei Jahre später für den Literaturpreis der Zeitschrift OBSERVATOR CULTURAL nominiert.

Martha wurde in der Novemberausgabe 2008 der Temeswarer Literaturzeitschrift ORIZONT ausführlich von Veronica-Alina Constănceanu besprochen. Die Rezensentin spricht von einem „massiven Roman, der nur der erste aus einem wahrhaften Epos, das die Geschichte der Banater Schwaben wiedergeben soll, ist“. Der Roman handelt von der Deportation in die sowjetischen Arbeitslager am Donbas und der Autor hat seine eigene Familiengeschichte literarisch verarbeitet, sind doch sowohl sein Vater als auch seine Schwester im Arbeitslager gestorben.

Die Handlung des Romans ist auf einer Liebesgeschichte aufgebaut. „Die Liebe zwischen Martha Gröber, die Tochter des Direktors vom Deutschen Lyzeum in Temeswar, und Hansi Jung, der Sohn eines wohlhabenden Schwaben aus Jahrmarkt (Giarmata), bilden den Kern, um den sich alle in diesem Buch geschilderten Ereignisse drehen.“ Der bekannte Literaturkritiker Cornel Ungureanu schreibt im Vorwort von einer „Love Story in einem russischen Lager“. Veronica-Alina Constănceanu schlussfolgert: „Das Buch Ştefan Ehlings hat das Verdienst, die Leiden der Banater Schwaben zu schildern, aber im Grunde ist ihre Geschichte auch unsere.“

In der Zeitschrift ORIZONT wird in der Novemberausgabe 2010 auch sein zweiter Roman, Profesor Hübner, in einer Rezensionsfolge mehrerer rumänischer Neuerscheinungen besprochen. Hier erfahren wir, dass Ştefan Ehling am 4. November 1940 in Mănăştur im Kreis Arad geboren wurde und an der Universität Temeswar Philologie studiert hat.

Es handelt sich bei diesem Buch, Profesor Hübner, das eigentlich Teil einer Trilogie ist, eindeutig um Erinnerungsliteratur, ohne dass es „in Gänze die Eigenschaften der Memoirenbände aufweist“, schreibt Rezensent Alexandru Ruja und unterlegt seine These mit einem ausführlichen Zitat aus dem Roman: „Der Gedanke, meine Memoiren zu schreiben, begann mich nach dem Tode Lenis zu beschäftigen, meine zweite Frau und die Mutter von Stefan und Robert, unsere Söhne. Fünfunddreißig Jahre habe ich glücklich (könnte ich sagen) im Kreise der Familie, die ich in der österreichischen Stadt Graz nach meiner Ausreise aus Rumänien gegründet habe, gelebt. Als Banater Schwabe aus Jahrmarkt (Giarmata), ein großes und reiches Dorf aus der Nähe von Temeswar, wurde ich im Januar 1945 in die Sowjetunion zur «Wiederaufbauarbeit» deportiert. Nach vier Jahren Deportation, konnten wir, die die Knechtschaft, im Jargon der Zeit «das große Freundesland aus dem Osten» genannt, überlebt haben, nach Rumänien zurückkehren. Und dann hat Onkel Stefan, seit mehr als einem viertel Jahrhundert in Graz zu Hause, es geschafft, Vater zu überzeugen, meiner endgültigen Ausreise nach Österreich zuzustimmen.“ 

Natürlich wurde ein 1940 geborener Junge nicht 1945 deportiert. (Die jüngsten deportierten Jungen waren die 17-Jährigen.) Der Memoirenton des Romans gliedert sich aber anstandslos in ein in Rumänien noch immer sehr beliebtes Literaturgenre ein: die Erinnerungsliteratur (literatura de jurnal), die besonders nach dem Sturz des Kommunismus einen Höhenflug erlebte. Gute Literatur war schon immer auch gut getarnte Fiktion. Und das scheint auch Ştefan Ehling stellenweise hervorragend gelungen zu sein, denn anders würden die Rezensenten nicht so ausdrücklich auf den autobiographischen Charakter seiner Romane hinweisen. Plot und Gestalten sind Fiktion, aber die Botschaft, die sie transportieren, entstammen dem Wesen des Autors, seiner Kindheit und Jugend und späteren Lebenserfahrungen im kommunistischen und postkommunistischen Rumänien

Im März 2011 nimmt sich Eugen Bunaru in ORIZONT ausführlicher des Romans Profesor Hübner (Verlag Marineasa) an. Hier erfährt man, dass dieses Buch, 407 Seiten, zeitlich eigentlich vor Martha angesiedelt ist. Der Ich-Erzähler heißt Hansi Jung, ein Musiker mit ehemaliger Aktivität im Grazer Symphonieorchester. Seine Kindheit und Jugend verbringt er in Jahrmarkt (Giarmata) und Temeswar. Der Rezensent scheut selbst Vergleiche mit Thomas Mann und Robert Musil nicht, wenn er von Ştefan Ehlings Schreibweise spricht. Man habe es hier mit einem Roman der Multikulturalität, aber auch mit einem Antikriegsbuch zu tun. Auch als „sehr guter Porträtist“ gäbe der Autor sich zu erkennen. Eugen Bunaru schlussfolgert, dass dieser Roman „eine Meditation über Geschichte und die Verheerungen des Krieges sind, eine mögliche Mahnung gegen das Vergessen.“

Im Jahre 2012 ist dann der dritte Band dieser Romantrilogie bei ArtPress erschienen: N-ai de gând, domnule, să laşi garda jos? (Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft zu zeigen?). Lucia Jucu-Atanasiu hat das Buch im Mai 2013 in der Zeitschrift ORIZONT besprochen. Die Autorin betont den autobiographischen Charakter des Romans und zählt die Ştefan Ehling nahestehenden Personen auf, deren Schicksale die Handlungsstränge des Romans beeinflusst haben. Wortwörtlich schreibt sie: „Zu den Unglücklichen, die auf sowjetischem Boden verstorben sind, gehörten auch Mitglieder der Familie Ehling: der Vater des Autors, Johann Ehling, gestorben im Donbas im Jahre 1947, seine Schwester Anna, Onkel Anton, Tante Barbara und Vetter Nikolaus. Dazu kommt der an der Front gefallene Bruder des Schriftstellers. Das Leben des Autors steht unter dem Zeichen dieses tragischen Ereignisses im Leben der Deutschen aus dem Banat und sein literarisches Werk ist die Erfüllung einer familiären Pflicht des Siebzigers von heute.“

In diesem dritten Band kehrt der in Graz lebende Hansi Jung (eindeutig das Alter Ego des Autors) nach Jahrmarkt zurück. Man schreibt das Jahr 1978 und Jungs Vater ist in seinem Heimatdorf  im Alter von 86 Jahren verstorben. Das sind jene Augenblicke der Rückbesinnung, ohne die wohl kein Mensch auskommt. Auch Lucia Jucu-Atanasiu zeigt sich beeindruckt, denn sie zitiert umfangreich aus Jungs Seelenleben und erwähnt den „lyrischen“ Ton dieser Textstelle: „Seit ich in Österreich in einer schönen und reichen Stadt wohne, erlebte ich das in der Literatur als Entwurzelung apostrophierte Gefühl nicht. Manchmal aber denke ich an mein Dorf, an die Menschen, die ich in der Kindheit und Jugendzeit kannte, und dann strömt mir eine schmerzhafte Woge wie ein elektrischer Strom durch Gehirn und Herz. Besonders seit Leni gestorben ist, bewegt mich das Gefühl der Einsamkeit, das mich immer öfter heimsucht, dazu, in Gedanken bei den Lieben zu weilen, die es nicht mehr gibt, und an den Orten, die mir mit einer goldenen Aura in der Erinnerung erhalten geblieben sind.“ Als Fazit hält die Rezensentin fest: „Historischer Roman, Gesellschaftsroman, Familienroman, Liebesroman - Gedenkst du nicht, dich endlich wehrhaft zu zeigen? verdient es, von einem breiteren Publikum gelesen zu werden.“

Ştefan Ehling hat so manchen Literaturkritiker in Rumänien beeindruckt. Marian Odangiu sieht den pensionierten deutschen Rumänischlehrer in einer Reihe mit Mikkel Birkegaard, Alasdair Gray, Paulo Coelho, Orhan Pamuk, Ioan Petru Culianu, Constantin Ţoiu oder Marin Preda (ORIZONT, 2/2015) und Simona-Grazia Dima schrieb schon nach dem Erscheinen seines ersten Romans in ROMÂNIA LITERARĂ, 37/2008 von einer „Zivilisationslektion mit überlegener Moral, die, glauben wir, das größte Verdienst dieses Dokumentars darstellt.“ 

Und warum spielt gerade Jahrmarkt (Giarmata) als Heimat des Ich-Erzälers Hansi Jung eine Rolle in dieser Romantrilogie? Auf diese Frage habe ich leider keine Antwort gefunden - weder in Franz Jungingers Ortssippenbuch der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt / Banat (obwohl der Name Ehling einmal vorkommt) noch in Luzian Geiers Deportationslisten in dem Jahrmarkter Heimatblatt Deportation 1945. Diese Frage kann der Autor nur selber beantworten. In der in Reschitza erscheinenden Zeitschrift împreună, miteinander, együttesen (Nr. 32 / November 2010) kommt der Autor zwar sehr ausführlich zu Wort, seine Beziehung zu Jahrmarkt (falls es überhaupt eine gibt) bleibt aber im Dunkeln.

Ștefan Ehling
Fotoquelle: USR, filiala Timișoara
In einer Kurzvita des Rumänischen Schriftstellerverbandes heißt es, dass Ştefan Ehling nach dem Besuch der Grundschule „im Heimatort“ – ob damit allerdings Mănăștur oder Grabatz, wie es in anderen Quellen heißt, gemeint ist, wird nicht präzisiert – von 1952 bis 1959 die Pädagogische Schule (Școala pedagogică din Timișoara) besucht hat und auf der Philologiefakultät der Universität Temeswar die Studienfächer Deutsch und Rumänisch belegt hat (1959 – 1964). Danach war er Rumänischlehrer in Grabatz (nach anderen Quellen hat er auch Deutsch unterrichtet) und anschließend von 1968 bis 2006 unterrichtete er an mehreren Schulen in Drobeta Turnu-Severin. In den Jahren 1968 und 1969 sowie von 1990 bis 1994 war er auch Schulinspektor. Ştefan Ehling ist Mitglied des Rumänischen  Schriftstellerverbandes (USR). Seine Frau Maria Ecaterina Ehling unterrichtet die Fächer Rumänisch und Französisch. 

Als ehemalige Jahrmarkter dürfen wir auf jeden Fall stolz sein, im wohl umfangreichsten belletristischen Werk in rumänischer Sprache, das sich ausführlich mit der Deportation der Banater Schwaben in sowjetische Arbeitslager befasst, als Kulisse eine nicht unwesentliche Rolle spielen zu dürfen. Und sollte sich eines Tages herausstellen, dass Ştefan Ehlings Wurzeln doch auch nach Jahrmarkt führen, dann hätten wir neben Adam Müller-Guttenbrunn schon den zweiten bedeutenden Romancier, dessen Abstammungsgemälde auch einen Jahrmarkter Farbtupfer trägt. Nebenbei könnte so langsam aus dem Musikantendorf auch noch ein Literatendorf werden. Zu spät ist es eigentlich nie - solange sich noch ein Altjahrmarkter zu seiner Abstammung bekennt.
Anton Potche

Montag, 17. Juli 2017

Rauschende Birken

Herta Müller: Der König verneigt sich und tötet; Carl Hanser Verlag, München, Wien, 2003; ISBN 3-446-20353-2; 204 Seiten; 17,90 € (bei Hugendubel) & bei Amazon Angebote ab 0,95 € (Stand 17.07.2017)


Der König verneigt sich und tötet. Das sind neun Essays von Herta Müller. Texte über Herta Müllers Konflikte mit der Diktatur des banatschwäbischen Dorfes und jener des rumänischen Staates unter Ceauşescu. Mir wurde beim Lesen schnell bewusst, dass ich viele dieser Sätzen schon mal gelesen hatte in anderen Büchern oder Zeitungen. Oder ich erinnerte mich ihrer in abgewandelter Form aus Radio- und Fernsehinterviews der Schriftstellerin. Diese sich immer und immer wiederholenden Themen, gespeist von einer Obsession, können auch ermüden, was dich dem für dieses Buch ausgegebenen Geld nachtrauern lässt. Mein Gefühl beim Lesen war zeitweise vergleichbar mit dem, das man beim Anhören einer neuen CD empfindet, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass von, sagen wir mal, 14 Stücken gerade mal vier oder fünf neue Kompositionen sind und der Rest Altbekanntes ist. Hier war es noch schlimmer: Einige Textpassagen sind inhaltlich absolut gleich – also Wiederholungen, nur anders orchestriert. Also dasselbe Lied mehrmals auf einer CD, nur jeweils anders arrangiert.

Und doch verrauchte der anfangs beim Lesen aufgekommene Frust recht bald. Ich wurde nämlich gewahr, dass das, was in diesen Essays immer wieder sprachlich anders gewandet ist, auch Teil meiner eigenen Biografie ist und sich hervorragend zum Vergleichen eignet. (Nur ist meine Biografie zum Glück nicht so tragisch.) Also suchte ich gezielt nach Stichworten, Satzteilen und Sätzen, ohne jedwede Systematik. Rein aus dem Bauch heraus. Wo liegt das Wesentliche, wo verbergen sich die Details und wo differieren sie. Das waren für mich plötzlich spannende Fragen.

„Ich wurde wie alle Kinder zu den Toten mitgenommen.“ (In jeder Sprache sitzen andere Augen). Ich auch. Nur einmal, ich war acht Jahre alt, hatte ich Angst und wollte den Toten nicht sehen. Man hatte ihn vorne in der Stube aufgebahrt. Meinen Großvater. Auf dessen Holzfüßen ich das Mich-Emporziehen gelernt hatte.

„Es fuhren am Tag vier Züge durchs Tal, erst nach dem vierten durfte ich mich auf den Heimweg machen.“ (idem). Das war für mich und meine Spielkameraden – mit Betonung auf Spiel – der Fünfuhrzug. Welch ein Unterschied zu Herta Müllers Wiesenerlebnissen. Wir „durften“ nicht nach Hause, sondern „mussten“ uns nach dem Fünfuhrzug „auf den Heimweg“ begeben.

„Ich habe in Berlin keinen Aprikosenbaum vermißt.“ (idem). Ich in Ingolstadt schon. Wir hatten die meisten Aprikosenbäume im ganzen Dorf. Oma hat die Aprikosen auf dem Heuplatz verkauft und Vater hat aus den überreifen oder vom Sturm heruntergefallenen Schnaps gebrannt.

„Ich war 15 und kam in die Stadt, traf ganz andere Dinge und lernte Rumänisch.“ (idem). Meine Stadtschule lag in der gleichen Straße mit der Herta Müllers. Doch welch ein Unterschied: Ihre Klassenkolleginnen und –kollegen waren Deutsche (zumindest überwiegend) und ihre Unterrichtssprache war Deutsch, meine Kollegen und die drei Mädchen – in eine hatte ich mich unglücklich verliebt, was sie natürlich nie erfahren hat – waren Rumänen, Ungarn, Serben und sechs Deutsche. Unterrichtet wurde rumänisch und Deutsch als Fremdsprache.

„Die Dorfleute spuckten mir nach meinem ersten Buch ins Gesicht, wenn sie mich auf den Stadtstraßen trafen – ins Dorf traute ich mich nicht mehr.“ (idem). Oh ja! Ich weiß genau, was es heißt, wenn einem „die Tugendexperten der Dörfer“ im Genick sitzen und vor allem, wenn sie aus der eigenen Familie und dem Verwandtschaftskreis kommen. Das vergisst man nie.

„Erdmöbel“. (Der König verneigt sich und tötet). So hieß angeblich ein Sarg in der DDR. An verrückten Nomen fehlte es auch in der BRD nicht. Eines Tages kam ich in die Firma und fand unter der Uhr im Brotzeitraum die Aufschrift: „Zeitmesser“. Ach, dazu ist eine Uhr da? Zum Zeit messen? Da schau her!

„Hobelschatten.“ (idem). Meine Fantasie reichte zum Perückenmachen nicht aus. Es müssen aber immer viele übrig geblieben sein, denn ich erinnere mich, dass meine Oma oft schimpfte, wenn Vater am Vortag die Späne nicht weggekehrt hatte. Es war halt wieder mal Mitternacht beim Schneiden, Hobeln, Leimen und Furnieren der Bilderrahmen geworden.

„Obduktion.“ (idem). Der Spucksepp war bei Epches in den Brunnen gesprungen. Und im Hof neben dem Brunnen hat man ihn obduziert. Andere schauten durch das Gassentürchen in den Hof. Ich traute mich nicht.

„Dürftig rumänisch.“ (Wenn wir schweigen, werden wir unangenehm – wenn wir reden, werden wir lächerlich). Mein Rumänisch ist es bis heute geblieben. Dürftig. Trotzdem liebe ich diese Sprache. Sie wurde Teil von mir und soll es auch bleiben. Jede beherrschte Sprache – wenn auch nicht perfekt – ist ein Leben. Und zwei Leben sind nun mal mehr als ein Leben.

„Akkordeonkoffer.“ (idem). Meiner hatte nichts mit Krieg wie der von Herta Müllers Großmutter zu tun. Aber mit Auswanderung. Vater hatte das rote, 96-bässige Hohner-Verdi II-Akk. von einer der ersten Aussiedlerfamilien im Dorf gekauft. Die Leute waren schon in den 60er Jahren nach Deutschland gefahren. Ich habe mit dem Instrument und einer Tanzkapelle die Banater Heide und Hecke bereist und es verkauft, als meine Auswanderung bevorstand. Zwanzig Jahre später.

„Ich war mit 17 zum ersten Mal mit einer Schulklasse am Schwarzen Meer.“ (idem). Ich mit 19. Mit einer Kinder- und Jugendblaskapelle. Die mondhellen Nächte am Strand in Costineşti – mit Mädchen aus Siebenbürgen – nehme ich mit in den Tod ... oder die Demenz.

„Sitzungen in der Fabrik.“ (Einmal anfassen – zweimal loslassen) Ich war UTCist und PCRist und habe in zwei kommunistischen Fabriken gearbeitet. Dazu nur so viel: Was ich an Schwachsinn in Gruppengesprächen und sogenannten Workshops im kapitalistischen Westen erlebt habe, steht den „Sitzungen in der Fabrik“ um nichts nach.

„Der Bahnhof zum Auswandern war nahe der ungarischen Grenze, ein kleiner Grenzbahnhof.“ (Wenn etwas in der Luft liegt, ist es meist nichts Gutes). Freilich kenne ich ihn. Nur dass mir niemand beim Einsteigen gedroht hat. Wofür hatte ich denn meinen Obolus gezahlt? Also, Genossen, ich bitte sehr!

„Der Bedrohte seinerseits beobachtet den Verfolger, um sich vor ihm zu schützen.“ (Der Fremde Blick oder Das Leben ist ein Furz in der Laterne). Ich war – wie so oft zum Unterschied zur Autorin – nicht der „Bedrohte“ sondern der Suchende. Es war bei der damaligen Geheimniskrämerei gar nicht so leicht, sein Schmiergeld an den Mann zu bringen. Dabei verwandelte ich mich vom Suchenden in den „Verfolger“ ... einer fixen Idee, die vor mir herlief und in zwei Namen verkörpert war: Blumenmann und Bogdan.

Ich könnte fortfahren. Satz für Satz durch die Augen Herta Müllers meine Vergangenheit heraufbeschwören. Das geht, es geht wirklich, sogar ohne die gleichen Erlebnisse. Und wieso? Herta Müller weiß es: „Lange Zurückliegendes kann kürzere Vergangenheit als gestern Geschehenes sein.“ (Einmal anfassen – zweimal loslassen). Wie wahr!

Nein, dieses Geld war nicht hinausgeschmissen. Lausche ich nicht auch immer wieder und wieder den Rauschende[n] Birken – in allen möglichen Orchestrierungen, mal mit und mal ohne Text?
 Anton Potche

Montag, 10. Juli 2017

Der Sommer hat ja erst begonnen

Es ist die Zeit der Sommerfeste: Garten-, Sport-, Straßen-, Stadt-, Dorf-, Bürgerfeste und noch ein paar dergleichen mehr. Da wollte ich dabei sein. Und es bot sich die Gelegenheit. Am 29. Juni kam das Sommerfest in die Kinos. Also ging ich hin, am ersten Tag, um 16:45 Uhr, aufs Sommerfest, gestaltet von Sönke Wortmann.

Und wen traf ich da? Stefan Zöllner, ein Schauspieler, „den man nicht unbedingt kennen muss“, wie er selber gerne behauptet. Ein ruhiger, sympathischer Typ, der sich bei der Nachricht vom Tode seines Vaters Hals über Kopf aus der bayerischen Landeshauptstadt auf den Weg in die Ruhrgebietstadt Bochum macht. In seine Heimat. Aber natürlich nicht nur seine, sondern auch die der vielen Bekannten, die vor 15 Jahren dort blieben, von wo er nach München aufgebrochen war, um Schauspieler zu werden, einer „den man nicht unbedingt kennen muss“.


Ich nahm mir die Freiheit, also die Zeit, Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz – sehr authentisch, ohne jedwede Theatralik spielend) zu begleiten. Es hat sich gelohnt. Wie anders hätte ich die vielen schrägen Figuren aus dem Ruhrpot kennengelernt: Toto (Nicholas Bodeux), Diggo (Markus John), Olaf (André Rohde), um nur einige zu nennen. Sie verkörpern alle einen Menschenschlag, den man im Ruhrgebiet auf Schritt und Tritt antrifft: direkt, frech, mit einer Sprache, die sich vor der Berliner Schnauze nicht verbergen muss: „Von der schönsten Stadt der Christenheit // trennt uns nur noch Wattenscheid“ oder „In München, da lebt man nicht, da wohnt man bloß“ oder „Woanders weiß man selber, was man ist, hier wissen’s die anderen – das ist Heimat“.

Und in dieser Heimat lauert die Vergangenheit hinter jeder Ecke. Untrennbar mit ihr, dieser Vergangenheit, ist auch Charlie (Anna Bederke – verführerisch, aber mit spürbarer Ehrlichkeit) verbunden … und natürlich auch Stefan. Um diese Vergangenheit hervorzukramen, ist ein Sommerfest der unumstritten richtige Ort. Und es hat sich einiges getan, auf diesem Fest. Dabei Mäuschen zu spielen, hat mir wirklich Spaß gemacht, obwohl ich auf die eine oder andere kitschige Szene wie etwa das sexhungrige und aus unzähligen Filmen bekannte Übereinanderherfallen hinter der ins Schloss fallenden Wohnungstür hätte verzichten können.

Sommerfest ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Goosen. Regisseur und Drehbuchautor Sönke Wortmann hatte bei der Auswahl seiner Protagonisten ein glückliches Händchen. Es sind in diesem Film viele Personen unterwegs. Unter ihnen auch hervorragende Schauspieler mit kleinen Nebenrollen. Omma Änne (Elfriede Fey) darf man hier auf keinen Fall vergessen.


Foto: Anton Potche
Viele von ihnen waren auch auf dem Sommerfest, an jenem 29. Juni 2017. Mit Stefan Zöllner und mir, dem einzigen Zuschauer im Saal. (Das hatte für mich den Vorteil, dass der bis an die Zähne tätowierte Jugendliche an der Kasse und dem Projektor auf meine Bitte keine Werbung als Filmvorlauf einspielte. Ein sympathischer Junge!) Das soll jetzt aber noch kein Urteil über die Zuschauerresonanz dieses Filmes sein. Der Sommer hat ja erst begonnen. Und wie meinte Toto sinngemäß ganz zum Schluss, nach dem Abspann (die Platzierung dieser Einstellung überraschte mich schon): Gute Geschichten lägen im Ruhrgebiet überall herum, man müsse sie nur erkennen und aufheben oder wie Schätze heben. Sollte das etwa als Appell an die deutsche Filmindustrie gedacht sein?

Sommerfest; Regie und Drehbuch: Sönke Wortmann; Darsteller: Lucas Gregorowicz, Anna Bederke, Nicholas Bodeux, Peter Jordan, Sandra Borgmann, Markus John, André Rohde, Jasna Fritzi Bauer, Elfriede Fey u.a.; Musik: Martin Todsharow
Anton Potche

Mittwoch, 5. Juli 2017

Musik meines bayerischen Landsmannes aus den Instrumenten seiner italienischen Landsleute

Es ist ja nicht so, dass bei einem gemischten Konzert mit Instrumental- und Vokalmusik das Publikum immer eine Zugabe von der Sängerin oder dem Sänger einfordert. Diesmal war es aber eindeutig so in der OrgelMatinee um Zwölf am 2. Juni 2017 in der Ingolstädter Asamkirche Maria de Victoria. Das soll natürlich nicht heißen, dass die Orchestermusiker keine gute Figur abgegeben hätten.

Gruppo Fiati Musica Aperta
Foto: Anton Potche
Im Gegenteil: Das Bläserensemble Gruppo Fiati Musica Aperta spielte unter dem Dirigat von Pieralberto Cattaneo, der das Ensemble 1976 in Bergamo gegründet hat, auf hohem Niveau das Divertimento B-Dur Hob. II: Chorale Sancti Antoni von Franz Joseph Haydn (1732 – 1809) - wobei nicht hundertprozentig geklärt ist, ob FJH auch wirklich der Autor ist -, von Johann Simon Mayr (1763 – 1845) das Sestetto Es-Dur für zwei Klarinetten, zwei Hörner, zwei Fagotte op. 9/1 und den Marcia religioso aus Atalia - Dramma per musica.

Zwei weitere Kompositionen stammten laut Programm von Gaetano Donizetti (1797 – 1848) und sollten von der südkoreanischen Sängerin Jaewon Yun vorgetragen werden. Die war aber verhindert, sodass ein Ersatz her musste. Die in die Bresche gesprungene Sängerin begeisterte das Publikum in der wie meistens bei dieser Konzertreihe fast bis auf den letzten Platz gefüllten Kirche

Réka Kristóf
Foto: Anton Potche
Réka Kristóf, eine in München studierende Ungarin, zog mit ihrer klaren und sehr sonoren Stimme, wie auch mit ihrem nuancierten Vortrag das Auditorium in ihren Bann. Die Sopranistin sang von Johann Simon Mayr Salve Regina C-Dur für Sopran  und Bläser sowie die Arie „Piangete voi“ aus der Oper Anna Bolena von dem Mayr-Schüler Donizetti. Besonders in der Arie schien das Publikum den Atem anzuhalten. Sogar ein quengelndes Kleinkind war plötzlich nicht mehr zu hören. Réka Kristóf beherrscht die für diese Arie benötigten Vocal-Mode. Ob Neutral oder Overdrive, die Stimme war nie zu leise und auch in den Fortissimopassagen nicht zu laut oder störend metallisch. Das Publikum wollte mehr davon und bekam eine Zugabe von der Sängerin und dem gut agierenden Orchester.

Dass ich eigentlich in dieses Konzert ging, um vor allem die Musik meines bayerischen Landsmannes Johann Simon Mayr - der den Großteil seines kreativen Lebens in Italien verbracht hat -, interpretiert von seinen italienischen Landsleuten, zu hören und darüber zu schreiben, war nach dieser Gesangsleistung auch für mich zweitrangig geworden. Wie auch immer, der Weg in die Asamkirche hatte sich wieder gelohnt.
Anton Potche