Montag, 10. Juli 2017

Der Sommer hat ja erst begonnen

Es ist die Zeit der Sommerfeste: Garten-, Sport-, Straßen-, Stadt-, Dorf-, Bürgerfeste und noch ein paar dergleichen mehr. Da wollte ich dabei sein. Und es bot sich die Gelegenheit. Am 29. Juni kam das Sommerfest in die Kinos. Also ging ich hin, am ersten Tag, um 16:45 Uhr, aufs Sommerfest, gestaltet von Sönke Wortmann.

Und wen traf ich da? Stefan Zöllner, ein Schauspieler, „den man nicht unbedingt kennen muss“, wie er selber gerne behauptet. Ein ruhiger, sympathischer Typ, der sich bei der Nachricht vom Tode seines Vaters Hals über Kopf aus der bayerischen Landeshauptstadt auf den Weg in die Ruhrgebietstadt Bochum macht. In seine Heimat. Aber natürlich nicht nur seine, sondern auch die der vielen Bekannten, die vor 15 Jahren dort blieben, von wo er nach München aufgebrochen war, um Schauspieler zu werden, einer „den man nicht unbedingt kennen muss“.


Ich nahm mir die Freiheit, also die Zeit, Stefan Zöllner (Lucas Gregorowicz – sehr authentisch, ohne jedwede Theatralik spielend) zu begleiten. Es hat sich gelohnt. Wie anders hätte ich die vielen schrägen Figuren aus dem Ruhrpot kennengelernt: Toto (Nicholas Bodeux), Diggo (Markus John), Olaf (André Rohde), um nur einige zu nennen. Sie verkörpern alle einen Menschenschlag, den man im Ruhrgebiet auf Schritt und Tritt antrifft: direkt, frech, mit einer Sprache, die sich vor der Berliner Schnauze nicht verbergen muss: „Von der schönsten Stadt der Christenheit // trennt uns nur noch Wattenscheid“ oder „In München, da lebt man nicht, da wohnt man bloß“ oder „Woanders weiß man selber, was man ist, hier wissen’s die anderen – das ist Heimat“.

Und in dieser Heimat lauert die Vergangenheit hinter jeder Ecke. Untrennbar mit ihr, dieser Vergangenheit, ist auch Charlie (Anna Bederke – verführerisch, aber mit spürbarer Ehrlichkeit) verbunden … und natürlich auch Stefan. Um diese Vergangenheit hervorzukramen, ist ein Sommerfest der unumstritten richtige Ort. Und es hat sich einiges getan, auf diesem Fest. Dabei Mäuschen zu spielen, hat mir wirklich Spaß gemacht, obwohl ich auf die eine oder andere kitschige Szene wie etwa das sexhungrige und aus unzähligen Filmen bekannte Übereinanderherfallen hinter der ins Schloss fallenden Wohnungstür hätte verzichten können.

Sommerfest ist eine Verfilmung des gleichnamigen Romans von Frank Goosen. Regisseur und Drehbuchautor Sönke Wortmann hatte bei der Auswahl seiner Protagonisten ein glückliches Händchen. Es sind in diesem Film viele Personen unterwegs. Unter ihnen auch hervorragende Schauspieler mit kleinen Nebenrollen. Omma Änne (Elfriede Fey) darf man hier auf keinen Fall vergessen.


Foto: Anton Potche
Viele von ihnen waren auch auf dem Sommerfest, an jenem 29. Juni 2017. Mit Stefan Zöllner und mir, dem einzigen Zuschauer im Saal. (Das hatte für mich den Vorteil, dass der bis an die Zähne tätowierte Jugendliche an der Kasse und dem Projektor auf meine Bitte keine Werbung als Filmvorlauf einspielte. Ein sympathischer Junge!) Das soll jetzt aber noch kein Urteil über die Zuschauerresonanz dieses Filmes sein. Der Sommer hat ja erst begonnen. Und wie meinte Toto sinngemäß ganz zum Schluss, nach dem Abspann (die Platzierung dieser Einstellung überraschte mich schon): Gute Geschichten lägen im Ruhrgebiet überall herum, man müsse sie nur erkennen und aufheben oder wie Schätze heben. Sollte das etwa als Appell an die deutsche Filmindustrie gedacht sein?

Sommerfest; Regie und Drehbuch: Sönke Wortmann; Darsteller: Lucas Gregorowicz, Anna Bederke, Nicholas Bodeux, Peter Jordan, Sandra Borgmann, Markus John, André Rohde, Jasna Fritzi Bauer, Elfriede Fey u.a.; Musik: Martin Todsharow
Anton Potche

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