Montag, 22. Januar 2018

Ruhig wie der zweite Weihnachtstag

Es gibt viele Gründe, warum man an einem zweiten Weihnachtstag ins Kino geht. Einer könnte sein, den ganzen Weihnachtstrubel – von dann bis dann zu dem, dann zu dem, dann noch kurz zu dem, die haben wir ja vergessen, also … - absacken zu lassen, am liebsten einen Teil davon gleich zu vergessen. Bei mir kam der Gedanke auf, als sich am ersten Weihnachtstag einige der Jüngeren in der Familie über den neuen Star Wars unterhielten. Dabei kam bei keinem der Diskutierenden, die den Streifen schon gesehen hatten oder von Dritten in Szene gesetzt wurden, Begeisterung auf. Aber bei mir machte sich spontan Kinolust breit. Mir war natürlich klar, dass ich mit dem zur Diskussion stehenden Film nichts am Hut habe. Computerfilme sind nicht mehr für mich gemacht. Ich liebe Handlungen, aber keine Action. Und Menschen statt Roboter.

Also griff ich am zweiten Weihnachtstag zur Zeitung und sah mir die Filmkritiken und die Angebote der Lichtspielhäuser an. Dabei empfand ich als wahres Weihnachtsgeschenk, dass ein Film besprochen wurde, der auch im Programm eines Altstadtkinos stand. Das ist ja nicht immer so. Oft wartet man vergeblich auf einen Streifen, über den man in der Zeitung oder im Internet etwas gelesen hat. Auch die Uhrzeit passte für ältere Semester. Und meine Vorliebe für kleine und fast leere Kinosäle ist längst kein Geheimnis mehr.

Eine bretonische Liebe (Regie: Carine Tradieu) habe ich mir dann angesehen. Das ist einer jener französischen Filme, die so viel Ruhe, trotz aller Spannung und Verwicklungen, ausstrahlen, dass einem 100 Minuten wie ein erholsamer Augenblick, ein viel zu kurzes Durchatmen vorkommen. Es wird in diesem Film nicht geschrien, sondern geredet, nicht gemordet, sondern geliebt. Letzteres mit Vorbehalt. Ja, auch das kann es im wirklichen Leben geben. Nämlich dann, wenn einer der Verliebten den Umständen entsprechend annehmen muss, dass die geliebte Person seine Schwester ist. Francois Damien und Cécile de France spielen so authentisch, dass man die ganze Zeit mit den von ihnen dargestellten Erwan und Anne zittert. Ihre Vergangenheit ist schließlich und endlich entscheidend für die Gattung dieses Films und für die Stimmung, in der man das Kino wieder verlässt. Ist der Streifen ein Drama oder eine gut ausgehende Gesellschafts- und Familiengeschichte? Was er auf keinen Fall ist, ist eine „schwungvolle Komödie“ oder „die große Komödien-Entdeckung aus Cannes“, wie man hie und da lesen konnte.

Ich empfand ihn als lockeren, mit Alltagstragödien nicht sparenden Gesellschaftsfilm. Hier treffen drei Generationen aufeinander, die jede auf ihre spezifische, dem Alter gerechte Art versucht, der Lage Herr zu werden. Das gilt sowohl für die beiden alten Herren Bastien (Guy Marchand) und Joseph (André Wilms), die in ihren schwer durchschaubaren Vaterrollen brillieren, als auch für Erwans Tochter Juliette (Alice de Lencquesaing) und den ziemlich trotteligen Didier (Esteban, bürg. Name: Michael Bensoussan).

Auf jeden Fall, war die Entscheidung, an diesem späten Nachmittag des zweiten Weihnachtstages ins Kino zu gehen, nicht verkehrt. Auch wenn ich diesmal nicht allein im Saal war. Und es saßen bei weitem nicht nur Mittsechziger in den Kinosesseln, sondern auch junge Menschen. Erfreulich, würde ich sagen, wo in diesem Film doch nichts außerirdisch ist, sondern alles sehr bodenständig.

Anton Potche

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