Montag, 17. September 2018

Lasst doch mal die Ingenieure machen!

Der Journalist Alexander Kain widmet sich in der letzten seiner im DONAUKURIER erscheinenden Bayern-Kolumnen Münchner Notizen (15./16. September 2018) den in Brüssel ausgetüftelten Reduzierungen der ohnehin schon kaum noch zu erreichenden Abgasgrenzwerte in der Automobilindustrie. Die Reduzierungszahl von 30 Prozent steht im Raum. Er weist darauf hin, dass diese für die Jahre 2012 bis 2030 zur Debatte stehenden Klima-Ziele nicht nur ein deutsches, sondern ein europäisches und natürlich auch globales Problem sind. Wörtlich heißt es bei ihm: „Entlang der Hauptverkehrsachsen ins mittel- und osteuropäische Ausland, etwa im Bayerwald, tummeln sich viele Gebrauchtwagenhändler, die teilweise tolle Autos zu Knallerpreisen im Hof stehen haben – Abgabe allerdings nur für den Export. […] Mancher Osteuropäer  kauft dort also gute Technik für kleines Geld, um dann unbehelligt von Fahrverbotsdiskussionen in seiner Heimat herumzukurven. Hat man schon mal etwas davon gehört, dass man in Bukarest oder Sofia über ökologisch motivierte Fahrverbote nachdenkt? […] Schließlich gelten in EU-Ländern wie beispielsweise Rumänien und Bulgarien doch die gleichen EU-Grenzwerte wie bei uns.“

Klar, das Thema ist hoch brisant und … politisch. Zumindest was die rumänische Regierung betrifft, muss man verstehen, dass die Damen und Herren im Victoria Palast keine Zeit für solche marginalen Geschichten wie den Klimaschutz im eigenen Land haben. Die müssen jetzt erst mal mit der Unterstützung ihrer Regierungspartei (PSD) schauen, dass sie die rumänische Justizbehörde vollkommen unter ihre Fittiche bekommen, bevor noch einige von ihnen im Kittchen landen.

Dass alles, was politisch ist, nicht unbedingt auch vertrauenswürdig und vor allem rational ist, geben manchmal auch Politiker selbst zu. Alexander Kain schreibt nämlich in seiner Kolumne, dass der deutsche Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) bei einem Treffen mit Wirtschaftsleuten dieses Thema angesprochen und dabei geäußert habe, dass „er sich lieber auf das verlasse, was die Ingenieure in der Realität für machbar halten“, und nicht auf „esoterische Grenzwerte“.

Und sie gibt es nicht nur in Deutschland, sondern beispielsweise auch in Rumänien, die nicht an Paragraphen sondern an Autos tüftelnden Ingenieure, die ihr technisches Wissen einsetzen, um ihren oft selbstgesteckten, ehrgeizigen Zielen näher zu kommen. In der rumänischen Stadt Baia Mare (deutsch: Frauenbach) haben eine Gruppe Unternehmer den Entschluss gefasst, einen elektrisch angetriebenen Kleinwagen auf die Straßen der rumänischen Städte zu bringen. Gheorghe Mureşan, ein Manager, der eigentlich aus der Textilindustrie kommt, hatte die Idee. Dabei liegt seinem Vorhaben eine der westlichen Automobilindustrie konträre Philosophie zugrunde: „Wir erwarten, dass dieses Fahrzeug die Kaufgewohnheit der Verbraucher ändert, denn bisher haben sich alle nur Autos für lange Fahrstrecken gekauft, benutzten sie aber in der Stadt. Unsere Autos sind für den Stadtgebrauch, sie sind klein, leicht zum Einparken, schlängeln sich leger durch den Verkehr und finden überall Platz.“

Die Serienproduktion soll im Februar 2018 mit einer Stückzahl von vorläufig 4000 Fahrzeugen pro Jahr starten. Der Einstiegspreis liegt bei 13.700 Euro. Die Produktionsstätte wird in Baia Mare gebaut. Das Projekt soll verglichen mit den Entwicklungskosten deutscher Autogiganten lächerliche 1,5 Millionen Euro kosten, wovon 74 Prozent aus einem EU-Fond stammen.

FotoQuelle: GÂNDUL
Ob dieses aus hartem Polyvinylchlorid (PVC) gebaute Fahrzeug jemals eine Chance hätte durch den deutschen TÜV zu kommen, steht auf einem anderen Blatt. Wichtig ist, es passt zu den Rumänen und wird dort zugelassen. Und das scheint auch der Fall zu sein, denn Gheorghe Mureşan erzählte stolz einer Zeitung, dass er schon „8000 km mit einem Prototyp zurückgelegt hat, nur in der Stadt“ und „dabei 960 kg Giftstoffe, die nicht in die Umwelt gelangt sind, eingespart habe, mehr als das Auto wiegt“. Zwei Typen sind angedacht: GTG Oxygen mit zwei und GTG Ozone mit vier Sitzen. Man denkt aber auch schon an einen Kleintransporter für den Stadtgebrauch.

Also, werte Damen und Herren in Brüssel, man macht sich überall Gedanken über unsere Umwelt, nicht nur in EU-Bürotrakten. Und das anscheinend ganz ohne oder mit nicht mehr als nötiger Politik, ob aus der jeweiligen Heimat oder der den Volksseelen oft so fremden EU-Hauptstadt. Lasst die Ingenieure doch machen! Und schickt sie nicht gleich zur Hölle, wenn sie mal in die Kirche gepfiffen haben. Wer ihre Kreativität dauernd mit - manchmal sogar allen physikalischen Gesetzen Hohn sprechenden - Vorgaben traktiert, gefährdet (mehr oder weniger bewusst) ganze Industriezweige und langfristig sogar Hunderttausende von Arbeitsplätzen.
Anton Potche

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