Montag, 10. September 2018

Rumänien - Streit in der PSD

Schafft in Rumänien Gabriela Firea, was Klaus Johannis seit drei Jahren vergeblich versucht? Nämlich, die macht des PSD-Vorsitzenden Liviu Dragnea zu brechen oder wenigstens einzuschränken. Bisher hat der Staatspräsident auf Granit gebissen. Ja, er musste sogar so manche schmerzliche Niederlage hinnehmen. Dabei scheint er noch der einzige Garant für ein einigermaßen akzeptables – von gutem kann gar keine Rede sein – Ansehen Rumäniens in der Europäischen Union zu sein. Der immer wieder mit kriminellen Machenschaften in Verbindung gebrachte Chef der rumänischen Sozialdemokraten und Parlamentspräsident Dragnea führt seine Partei mit eiserner Hand und niemand im Land zweifelt mehr daran, dass dieser über Leichen gehende Politprofi auf das Amt des Präsidenten schielt. Nächstes Jahr wird das Staatsoberhaupt neu gewählt. 

Gabriela Firea
Fotoquelle: ADEVĂRUL
Jetzt wird er aber von einer Dame aus den eigenen Reihen scharf angegriffen: Gabriela Firea, Oberbürgermeisterin von Bukarest und Mitglied im Vorstand der PSD. Beim besonders von den Auslandsrumänen gesehenen Fernsehsender TVRinternational hat sie Liviu Dragnea vorgeworfen, sich von Schleimern und Nepoten umgeben zu haben, auf die falschen Berater – oft außerhalb der Partei – zu hören und einen klandestinen Krieg gegen sie, Firea, zu führen. Zwischen seinen Worten und Taten gebe es überhaupt keine Kohärenz. So schade er dem Führungsgremium der Partei, der Partei im Allgemeinen, dem Land und dem Volk.

Die Sozialdemokraten in Rumänien haben über 500.000 Mitglieder und so mancher im Land fragt sich, wie es möglich war, dass ein Strafverfolgter mit Hilfe einer Handvoll devoter Emporkömmlinge nicht nur eine so große Partei, sondern ein Parlament und die Regierung eines ganzen Landes in die Knie zwingen und die Justiz derart beeinflussen konnte, dass er eines Tages nicht im Gefängnis, sondern im Präsidentenpalast landen könnte. Beim letzten Parteitag der PSD schrie er im Stile eines „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ in den Saal: „Wollt Ihr, dass ich Euer Vorsitzender bleibe?“ Was folgte, erinnert doch sehr stark an die Ovationsorgien für den Nationalkommunisten Nicolae Ceaușescu.  

Übrigens hat die ganze Politik in Bukarest etwas Burleskes an sich. Es geht in allem, was beschlossen und nicht beschlossen wird, nur um den Machtkampf zwischen Regierung und Präsidialamt. Wenn zum Beispiel der Präsident, also Klaus Johannis, laut Verfassung noch immer der Träger des höchsten Amtes im Staat und mit vielen Vollmachten ausgestattet (nicht vergleichbar mit den meistens repräsentativen Aufgaben des deutschen Bundespräsidenten), die Regierungschefin Viorica Dăncilă ins Präsidentenpalais zu wichtigen Haushaltsgesprächen bittet, schwänzt die Chefin der Exekutive das Treffen und begibt sich zu einem geplanten Regierungsbesuch nach Spanien. Klaus Johannis reagiert, wo er doch wusste, dass es sich um eine lange geplante Reise handelt (mit Gesprächen auf Regierungsebene und einem Besuch beim spanischen König), wie eine beleidigte Leberwurst und kommt selber nicht zu seinem eigenen Treffen mit den zwei von Viorica Dăncilă delegierten Ministern, sondern lässt sich von zwei Präsidentialräten vertreten. Rumänische Journalisten sprechen offen von Buffas. Caragiale hätte mit Sicherheit seine helle Freude an den gegenwärtigen politischen Zuständen in der rumänischen Hauptstadt gehabt. Da muss einem beherzten Rumänen ja Angst und Bange vor der bevorstehenden EU-Ratspräsidentschaft Rumäniens werden. Mehr als lächerlich auf der europäischen Bühne kann man sich in der jetzigen politischen Konstellation ja wohl kaum machen.

In dem anderen Politspektakel geht Gabriela Firea in ihren Angriffen auf Dragnea sogar soweit, dass sie ihren Parteivorsitzenden der Spionage bezichtigt. Das Bukarester Rathaus wird auf Geheiß des PSD-Chefs von Mitarbeitern eines rumänischen Geheimdienstes beobachtet, sagt die streitbare Dame. Dragnea dementiert und behauptet in seiner demütigen Art, er habe überhaupt nichts gegen die Oberbürgermeisterin (in Rumänien trägt sie den Titel „Generalbürgermeister“ – für Berufe und Ämter gibt es in diesem Land kein weibliches Pendant), und verlangt Beweise für diese Anschuldigung. Da fehlt wirklich nicht viel, dass er ihr sogar eine Liebeserklärung macht. Warum auch nicht, hat seine Kontrahentin doch in einem offenen Brief an die PSD-Mitglieder beteuert, dass sie weder Parteichefin noch Staatspräsidentin werden will, sondern nur im Interesse der Partei und der Bukarester Bürger handle. Das klingt von beiden Seiten so, als würde es wirklich nur und nur um die Sache und in keiner Weise um Sympathien und Antipathien gehen. Also wäre da auch kein Machtkampf im Gange, sondern … Ja, was denn?

Liest man diesen offenen Brief Gabriela Fireas (ADEVĂRUL, 7. September 2018), dann fragt man sich, ob das jetzt ein Rückrudern oder ein Werben für die eigene Sache sein soll. Auf jeden Fall gibt es schon Stimmen, die vom politischen Selbstmord der Bukarester Oberbürgermeisterin reden. Der rumänische Kulturphilosoph Andrei Pleșu scheint ob der politischen Landschaft in seinem Land schlicht zu resignieren. In einem Beitrag der Zeitschrift DILEMA VECHE (Nr. 759, 6. – 12. September 2018) schreibt er: „Ich habe es auch in der vergangenen Woche gesagt: Ich kann die heutige politische Szene Rumäniens nicht mehr weiter kommentieren, traurig, verzweifelt oder ironisch. Ich will mich nicht mehr vereinnahmen lassen von verwirrenden Situationen und der unverantwortlich dilettantischen Choreografie einiger Personen zweiter und dritter Güte mit lärmenden Schlauberger-Strategien und napoleonischen Ambitionen. Ich ziehe es vor, mich in andere Epochen zurückzuziehen, zwischen andere Politiker, um so den Lesern und Potentaten von heute dienlicher zu sein. Ich glaube nicht, dass Letztere die Gewohnheit haben (falls sie sie überhaupt je hatten) zu lesen. Aber ich werde ihnen kurze Texte aus den Werken ihrer Vorgänger in Erinnerung rufen, hoffend, dass ihre eingeschlafenen Seelen sich zu ein bisschen Anstand, ein klein wenig Verantwortung aufraffen können. Ich habe drei Auszüge aus einer Rede Titu Maiorescus vor der Kammer vom 12. November 1882 ausgesucht. […]“

Bleibt die Flucht aus der Realität der einzige Weg, um den Verhältnissen an der Dâmbovița zu entrinnen? Mag sein. Sicher ist, dass einer es nicht lange auf diesem Weg aushält: Andrei Pleșu. Und das ist gut so, würde Klaus Wowereit sagen.

Da es an Peinlichkeiten im rumänischen Politschauspiel anscheinend nie genug sein kann, bezichtigen Mitglieder der zwei Regierungsparteien, PSD und ihr Juniorpartner ALDE (Allianz der Liberalen und Demokraten), das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien des Nazismus. Man hat es in diesen Parteien nie verkraftet, dass der Siebenbürger Sachse Klaus Johannis Staatspräsident wurde (und jetzt sogar noch die Chuzpe hat, für eine zweite Amtszeit zu kandidieren) und der Banater Schwabe Ovidiu Ganț im Parlament ab und zu auch gegen die Gesetzesvorlagen der zwei Fraktionen stimmt, und das sogar gegen das Abstimmungsverhalten seiner eigenen Fraktion der Minderheiten.

Auf jeden Fall scheint der Herbst im politischen Bukarest noch heißer als der eben zu Ende gehende Jahrhundertsommer zu werden.
Anton Potche

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