Donnerstag, 14. Februar 2013

Gute Unterhaltungsliteratur


Katerina Timm: Die Kosakenbraut, Historischer Roman; List Taschenbuch Verlag, 2009; ISBN 978-3-548-60897-6; 428 Seiten, € [D] 8,95 / € [D] 9,20; www.list-taschenbuch.de

Rurik Semjonowitsch Lankow war der Anführer des Kosakenstammes der Jarostnye. Ein rauer Geselle, wie die Zeit, in der er lebte. Die Kosaken am Don waren in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts noch weitgehend unabhängig vom russischen Zaren. Das erleichtert ihre fiktionale Darstellung als Helden historischer Romane.

Katerina Timm (*1952) hat in diesem Roman an der Fiktion nicht gespart. Aber als Ort, auf den der Konflikt der Handlung zusteuert, hat sie dann doch eine geschichtlich belegte Stadt ausgewählt. Die an der Mündung des Dons ins Asowsche Meer gelegene Festung Asow wurde im Frühjahr 1637 den Türken von den Kosakenhorden entrissen. Bei Nicolae Iorga kann man dazu nachlesen: „Die Kosaken hatten zwei Monate gebraucht, um sich Azow – Asaks zu bemächtigen; sie gingen jetzt an eine Befestigung desselben, da es ihnen als geeigneter Ausgangspunkt für Seefahrten gegen die Türken erschien.“

Rurik war mit seinen Jarostnye dabei. Diese waren aber gespalten. Ein Teil von ihnen hörte auf Andrej, ein geborener Nogaier, aber von Rurik zu den Jarostnye geholt. Dem Ataman war nämlich seine Nachfolgerin – Sohn hatte er keinen – abhanden gekommen. Elja, seine Tochter, war in eine Stadt am Schwarzen Meer geflüchtet. Sie war das kriegerische Kosakendasein leid.

Wie Andrej und Elja sich kennen, hassen und lieben lernten, erlebt der Leser im Haupthandlungsstrang des Romans. In vier Teilen mit zusammen 30 Kapiteln hat die Autorin eine spannende, unterhaltsame und vor allem mit interessanten Einblicken in die Gebräuche der Donkosaken bespickte Handlung zusammengedacht. Die Zeiten am Don, dem größten Fluss Europas, waren schon immer stürmisch und an Kriegsstämmen und –völkern fehlte es nie. Als die Kosaken Asow stürmten, waren „die Osmanen in den Krieg mit Persien verwickelt, und die Krimtataren kämpften gegen Moldawien“. (Romanschreiber gehen manchmal auch mit Namen von Staaten sehr freizügig um.)

Es ist spannend, zu erfahren, wie Liebe in solchen Zeiten mit Mord und Totschlag funktioniert. Katerina Timm verleiht einigen ihrer Haupthelden übernatürliche Fähigkeiten. Traumdeuterei wird in das Entknoten einiger Geheimnisse eingebunden. Wen wundert’s? Die Autorin ist praktizierende Psychotherapeutin. Also haben wir es nicht nur mit Romanfiktion in historisch festem Zeitrahmen (1620 – 1637) zu tun, sondern auch mit einem Schuss Esoterik.

Das ganze im Bunde mit einer legeren Erzählsprache ohne überlange erläuternde Passagen – alle geschichtlich und volkskundlich interessanten Informationen sind in Dialoge und Handlungsstränge verpackt – ermöglicht ein kurzweiliges Leseerlebnis. Was ich beim Lesen ab und zu vermisst habe, waren Erläuterungen (als Anhang oder Fußnoten) einiger aus der Kosakensprache entliehener oder gar erfundener Wörter.

Wo könnte man ein solches Buch einordnen? Die Genregrenzen sind nach wie vor in der Kunst wie in der Literatur fließend. Ich denke, in der Sparte Unterhaltungsliteratur ist Katerina Timm neben Amelie Fried, Donna Leon, Hera Lind, Johannes M. Simmel u.v.a. gut aufgehoben.

Anton Potche

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