Als ausgesiedelter Banater Schwabe oder besonders als Temeswarer Deutscher neigt man schnell dazu, den Verlust eines vielsprachigen Umfeldes als einen der zurückgelassenen Güter zu proklamieren. Da es sich hier um einen gesellschaftlichen Umbruch der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts handelt, dürfte das wirklich bei älteren Zeitgenossen noch eine wehmütige bis sogar schmerzliche Erinnerung generieren. Dabei könnten wir schnell dazu neigen, eine Einzelstellung in diesem Verlust, ehrlicher gesagt, Verzicht der Multikulturalität, in die wir hineingeboren wurden, zu beanspruchen.
Montag, 18. September 2023
Multikulti ist heute normal
Mittwoch, 13. September 2023
Seppi und Peppi unterhalten sich über einen neuen Bundestrainer
Seppi und Peppi sitzen vor dem Mohrenkopf und machen sich tiefenpsychologische Gedanken über die Ablöse von Hansi Flick.
- Was denkst du, wer wird es?
Montag, 11. September 2023
Autobiographie bis zum 30. Lebensjahr
Die vorliegende Autobiographie macht auf jeden Fall Lust auf Mehr, was jetzt leider nicht mehr möglich ist. Das hat vor allem auch mit dem Ton und dem Stil des Autors zu tun. Der Ton ist spitzbübisch, nicht durchgehend, aber oft sogar in Situationen, die eher eine missmutige Formulierung erwarten ließen. Ingmar Brantsch hat mit leichter Feder geschrieben. Sein Humor ist fein, oft tiefgründig und nie derb. Gut, als der sich erinnernde Autor seine bewusst erlebte „Kindheit im Karpatenbogen“ Revue passieren ließ, kamen Bilder in ihm auf, die noch aus der späten Kriegs- und frühen Nachkriegszeit stammten: „Auf dem Pfarrhof – mein Onkel war der Gemeindepfarrer – spielten wir überall herum. So kamen wir auch zu dem Platz, wo man die Nachttöpfe ausleerte. Urdemokratisch grenzten wir auch diesen Platz nicht aus, was eine Typhuserkrankung für mich zur Folge hatte.“ Immerhin überlebt, wie wir heute wissen.
Köstlich dieses Kapitel Meine Universitäten Ost mit Untertiteln, die nach seelischer Entblößung klingen: Meine im wahrsten Sinne öffentliche männliche Entjungferung, siebzehnjährig im ersten Studienjahr. Wir sind im Jahre 1957 und lernen die rumänische Hauptstadt mit einem Schwerpunkt auf dem universitären Leben kennen. Hier bekommt das Buch eine zeitgeschichtliche Wertigkeit. In den Vordergrund rückt eine deutsche Literaturszene in Bukarest. Ja, die hat es gegeben. Und wir begegnen Namen, von denen Jahrzehnte später einige im bundesdeutschen Literaturbetrieb wieder auftauchen sollten. Ingmar Brantsch hat viele von ihnen - auch aus der schreibenden Zunft in Kronstadt – gekannt, war mit ihnen befreundet oder auch nicht: Dieter Schlesak, Oskar Pastior, Eduard Eisenburger, Hans Schuller, Richard Adleff, Franz Johannes Bulhardt, Paul Schuster, Alfred Margul Sperber u. a. Es geht auch nicht ohne die Aktionsgruppe Banat. Deren Mitglieder konnte er aber persönlich gar nicht kennengelernt haben, wo sie doch einer ganz anderen Generation angehörten und weder in Bukarest noch in Kronstadt aktiv waren, sondern in Temeswar, und das zu einer Zeit, als er schon längst in der Bundesrepublik lebte. Wie auch immer, diese „Aktionsgrüppler“, wie er sie despektierlich nannte, hatten es ihm angetan. Er findet immer wieder eine Lücke für sie in seiner erinnerten Vita.
Die Chronologie der Ereignisse findet Ingmar Brantsch nach seinem 5-jährigen Studium als „mit 21 Jahren fertiger Studienprofessor“ noch eine Weile in Bukarest, wo er eine Planstelle im Haus der Presse zugeteilt bekam, aber „viel zu früh, viel zu jung, viel zu unerfahren, und vor allem nicht stark genug“, wie er seine Leser wissen lässt. Dieses Abenteuer sollte zwei Jahre lang dauern.
Anton Potche