Jahrmärkte gab es schon viel länger
als vor 100 Jahren. Auch „der“ vom Singular und einer (rein
grammatisch gesehen) neutralen Artikel-Genus-Symbiose geprägte
Jahrmarkt ist schon älter. So gesehen hat auch „das“ Jahrmarkt
ein paar Jahre mehr auf dem Buckel. Franz Junginger, der Autor
des Ortssippenbuches der katholischen Pfarrgemeinde Jahrmarkt /
Banat und ihrer Pfarrfilialen 1730 – 2007,
stellt sein Vorwort in diesem Buch (drei Bände à 728,
792 und 735 Seiten) unter die
Frage: Was sagen uns die Jahrmarkter Kirchenbücher? Vor
allem überliefern sie uns Namen und Zahlen, Daten über das Werden,
Heiraten und Sterben aus zurückliegenden Jahrhunderten. Man kann
sich so manches zusammenreimen, ohne
aber viele
Details aus dem Leben, dem Alltag der Bewohner von Jahrmarkt zu
erfahren. Dazu muss man sich schon auf eine eventuell existierende
Ortsmonographie verlassen können. Der Jahrmarkter Heimatkundler und
Journalist Luzian Geier
schreibt in einem weiteren Vorwort des Jahrmarkter Ortssippenbuches
„über eine frühe
ethnographisch-topographische Ortsbeschreibung“ aus den Jahren
1864, die von mehreren Personen „aufgrund
eines für damalige Zeiten wissenschaftlich angelegten Fragebogens“
verfasst und von
„Kaspar
Ruttner, Richter, Johann
Müller, Kassier, Peter
Bauer, Geschworener, und
dem damaligen Notar“ auch
signiert wurde.
Vom Alltag ihrer Vorfahren
können
interessierte Jahrmarkter aus zwei weiteren wertvollen Broschüren,
Temesgyarmat – Ein Beitrag zur Geschichte der
Entstehung und Entwicklung dieser Gemeinde
(Innsbruck, 1913) von Pfarrer Franz
Demele und Temesgyarmat
während der Kriegszeit 1914 – 1918
(Temesvar, 1919) ebenfalls von Pfarrer Franz
Demele, einiges
erfahren.
Als originellstes Dokument
zur deutschen Geschichte von Jahrmarkt kann man wohl die
Quellenedition (1996) Die deutsche Besiedlung der
Banater Großgemeinde Jahrmarkt – Jarmatha – in den Banater Akten
des Hofkammerarchivs Wien
von Franz Urban
betrachten. Vorwiegend
zeitgenössische Beiträge
(Belletristik, Erinnerungen)
zum Leben der Deutschen in
Jahrmarkt, heute Giarmata, eine Großgemeinde nordwestlich von
Temeswar, haben auch andere ehemalige Bürger dieser Ortschaft in
Büchern und Zeitschriften veröffentlicht. Spontan fallen mir ein
Franz Frombach,
Marianne Ebner,
Peter Oberle,
Josef Goschy,
Peter Grosz,
Johann Probst,
Katharina Kilzer,
Mathias Kaiser, Mathias
Loris u. a.. Die in
Deutschland aktive Heimatortsgemeinschaft (HOG)
hat auch schon
mehrere Bücher (Anthologien)
veröffentlicht, in denen
Menschen aus Jahrmarkt von ihrem Leben in der „alten Heimat”, wie
sie ihr in der „Banater Hecke” zurückgelassenes Dorf nennen,
erzählen. Das alles zusammen ergibt
den
gebündelten Fokus
vieler
Blicke von innen.
Um
den Fokus eines oder eines
Bündels von Blicken
von außen zu erhaschen, muss man versuchen,
herauszufinden, ob überhaupt jemand sein Augenmerk auf dieses Dorf
geworfen hat. Die besten, wenn auch nicht immer zuverlässigsten
Quellen für ein solches Vorhaben, waren und sind heute noch die
Medien. Vor hundert Jahren waren das auch im Banat Zeitungen und
Kalender. Durch die
Digitalisierung und Veröffentlichung solcher geschichtsträchtiger
Datenträger können wir auch heute Einblicke in das Leben unserer
Vorderen in Jahrmarkt gewinnen. Was
hat sich 1925 dort unten, wo auch wir später noch eine Zeit gelebt
haben, zugetragen. Was war den auswärtigen Blicken überhaupt eine
Berichterstattung wert? Um auf diese Frage eine Antwort zu finden
habe ich zwei damals in Temeswar erscheinende Zeitungen
(digitalisiert) durchgeblättert (durchgeskrollt): die TEMESVARER
ZEITUNG
(erschien vom 15. Januar
1852 bis zum 24. April 1949)
und die BANATER DEUTSCHE
ZEITUNG (15. Mai 1925
– 15. März 1941).
In der BANATER DEUTSCHE ZEITUNG
(BDZ) erschienen im Jahr 1925, also vor 100 Jahren, 26 Beiträge mit
Hinweisen auf die Ortschaft Jahrmarkt im rumänischen Banat. In der
TEMESVARER ZEITUNG (TZ) waren es hingegen nur zwei. Am 27. Mai wurde
auf Seite 4 dieser Tageszeitung eine Neue Bezirkseinteilung des
Komitates veröffentlicht, worin es heißt, dass „dem
Rekaser Bezirk noch die Gemeinden Jahrmarkt, Ghisoda, Mosnitza und
Bruckenau“ angehören; „die drei ersten bleiben beim
Zentralbezirk, die Gemeinde Bruckenau aber beim Vingaer weg.“ Dass
diese auch aus „topographischer“ Sicht vorgenommene Änderung
selbst in der Hauptstadt Bukarest gutgeheißen werden mussten, zeigt
die folgende Information im Artikel: „Präfekt Dr. Iulius Coste
richtete aus Bukarest an den Subpräfekten Cornel Bejan ein
Telegramm, laut welchem der Präfekt wahrscheinlich erst morgen
Mittag aus der Hauptstadt hier eintrifft und sogleich die letzte
Ueberprüfung der projektierten neuen Bezirkseinteilung vornimmt, um
dann das ganze Material dem Innenministerium zu unterbreiten.“
Schon vor 100 Jahren galt: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser.
Genau drei Monate später, am 27.
August konnte man eine ebenfalls sozial-politische Nachricht in der
TZ auf Seite 3 lesen. Der Artikel trägt den Titel Die Wahlen
für die Ackerbaukammer. – Die Liste der Opposition durchgedrungen
– Resultat bei der Temeswarer Sektion. Als
der Präses der Temeswarer Sektion, Bezirksrichter Agrariu,
die Wahlen in der Ackerbaukammer um 20 Uhr als abgeschlossen
erklärte, verkündete er auch, „daß zehn Gemeinden“, unter
ihnen auch Jahrmarkt, „wegen Zeitmangel nicht an die Reihe kommen
konnten, weshalb die Wähler dieser Gemeinden von der Abstimmung
enthoben wurden.“ Die Sektionen der Ackerbaukammer waren
anscheinend nicht mit den Bezirken des Komitats Temes-Torontal (nach
der Reform im Mai 1925) identisch. Daraus und aus einer nicht
eindeutigen Differenzierung zwischen den Begriffen „Bezirk“ und
„Sektion“ darf man schließen, dass bei dieser Wahl die
Jahrmarkter nicht zu „Rekas“ gehörten, sondern zum Bezirk /
Sektion „Temesvar und Zentralbezirk“. Nach der Auszählung, die
„bis halb 2 Uhr nachts“ dauerte, standen unter anderem auch
folgende Ergebnisse fest: Rekas – Kreuzliste 442, Pflugliste 861,
Annulliert 128; Temesvar und Zentralbezirk – Kreuzliste 728,
Pflugliste 1441, Annulliert 156. Wie auch immer, die Jahrmarkter
hatten keinen Beitrag zu diesem Ergebnis geleistet. Schade, handelte
es sich doch um eine landesweite Wahl und nicht wie vielleicht
vermutet um eine Regional- oder gar Vereinswahl. Zum Schluss heißt
es in dem Artikel: „Aus Bukarest wird telegraphiert: Die Wahlen in
die Ackerbaukammern sind – soweit bisher bekannt – im ganzen
Lande, abgesehen von einigen bedeutungslosen Zwischenfällen, ruhig
verlaufen.“
Anton Potche
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