Mittwoch, 14. August 2013

Wie stehen Sie zur Rente mit 67?

Ein Artikel vom Piraten Christian Doppler in der Ingolstädter Wochenzeitung BLICKPUNKT hat mich schon vor fast einem Jahr, genau am 14. Oktober 2012, auf die Idee gebracht allen Ingolstädter Politikern im Bundestag und im Bayerischen Landtag diese Frage zu stellen. Ich fand das damals einen sinnvollen Zeitvertreib für einen kühlen und bewölkten Sonntagnachmittag. Und es war ja nicht allzu schwer. Der Artikel enthielt den Hinweis auf die Internetplatformen http://www.abgeordnetenwatch.de und http://watch.piratenpartei-bayern.de und sollte eigentlich eine Anregung sein, die Wahlkandidaten der Piraten zu Themen des eigenen Interesses zu befragen. „Unser politisches Handeln ist offen für jeden, schauen Sie uns auf die Finger“, rief Christian Doppler die Leser auf. Also habe ich auch die Kandidaten für die Bundestags- und Landtagswahlen 2013 der Ingolstädter Piraten gefragt. Namentlich waren das parteiübergreifend: Dr. Reinhard Brandl (CSU), Andi Popp (Piraten), Gerd Fleischer (Piraten), Agnes Krumwiede (Grüne), Eva Bulling-Schröter (Die Linke), Christine Hadertauer (CSU), Achim Werner (SPD) und Markus Reichhart (FW).

Und das waren ihre Antworten in der Reihenfolge ihrer Veröffentlichungen auf den jeweiligen Internetsites. Dort stehen sie auch heute noch, also kurz vor den Wahlen, woraus man schlussfolgern darf, dass die Damen und Herren ihre Gesinnung seit einem Jahr nicht geändert haben.

Antwort von Achim Werner vom 15.10.2012
Sehr geehrter Herr Pochte,
ich bin gegen die Rente mit 67 zum gegenwärtigen Zeitpunkt. So lange der Arbeitsmarkt die Beschäftigungsmöglichkeiten nicht hergibt, ist die Rente mit 67 nichts anderes als ein Rentenkürzungsprogramm. Davon haben wir schon zu viele, siehe die Absenkung des Rentenniveaus auf von mehr als 50 auf 43 Prozent. Ich will angesichts der demographischen Entwicklung aber nicht ausschließen, dass irgendwann einmal auch länger gearbeitet wird als bis zum 65. Lebensjahr.
Ich stelle mir dabei aber eine flexible Regelung vor, die Rücksicht nimmt auf die körperlichen und seelischen Beanspruchungen der verschiedenen Berufe. Warum nicht einen Korridor von meinetwegen 63 bis 68 Jahren schaffen, innerhalb dem man in Rente gehen kann. Wer allerdings länger arbeitet, muss auch Anspruch auf eine höhere Rente haben. Der Zeitpunkt, zu dem man in Rente geht, sollte dann für den Einzelnen frei wählbar sein. 
Mit freundlichen Grüßen
Achim Werner MdL

Antwort von Eva Bulling-Schröter vom 15.10.2012
Sehr geehrter Herr Potche,
Meine Partei, die LINKE, lehnt die Rente mit 67 ab.
Aus eigenem Erleben weiß ich, dass es nicht viele Menschen gibt, die wirklich bis 67 arbeiten können. Wie Sie sicher wissen, bin ich von Beruf Schlosserin und habe auch bis zu meiner Wahl in den Bundestag in diesem Beruf gearbeitet. Auch nach 8 Jahren Bundestag bin ich wieder in den Betrieb zurück und habe dort bis zu meiner Wiederwahl wiederum 3 Jahre gearbeitet. Ich kenne die Sorgen und Nöte der KollegInnen und weiß, dass es einfach unmöglich ist bis zum 67. Lebensjahr diese Arbeit zu verrichten.
Inzwischen habe ich auch einige Praktika im Gesundheitswesen gemacht und auch hier fühlen sich viele KollegInnen nicht in der Lage diese Arbeiten bis zum Erreichen der Rente unter diesem Stress und Hektik aus gesundheitlichen Gründen zu leisten.
Was bleibt ist vorzeitig in Ruhestand zu gehen, bei allen Problemen, die hierbei vor allem bei der Anerkennung entstehen oder eben vorzeitig mit hohen Rentenabschlägen in Rente zu gehen.
Und dann die Frage: Gibt es wirklich Arbeitsplätze für über 60-Jährige?
Arbeitssuchende können ein Lied davon singen, wie die Reaktion darauf ist, wenn sie sich mit 60 Jahren noch irgendwo bewerben.
Eine Veränderung des Gesetzes zurück zu den 65, würde allen BeitragszahlerInnen exakt 0,5% mehr Rentenbeitrag kosten, also Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten jeweils 0,25% bezahlen. Und ich frage Sie dann: Ist das nicht bezahlbar?
Wenn wir bedenken, dass die Rentenkassen über Jahre durch prekäre Jobs, Leiharbeit und Billigjobs ausgeblutet wurden, weil eben viele Beschäftigte gar nicht mehr oder wenig einbezahlen, dann sollten wir hier dringend etwas ändern und damit wären auch zukünftige Renten finanzierbar. Stattdessen sollen die Renten weiter gekürzt werden und die "private Vorsorge" gestärkt werden, d.h. Allianz und Co sollen neue Profitchancen eröffnet werden. Nur - wer von den GeringverdienerInnen kann sich eine private Vorsorge leisten? Also auch hier der falsche Weg.
Sinnvoll wäre, alle Einkommen (auch die von Abgeordneten) in eine Rentenversicherung mit einzubeziehen, dann wäre Geld in der Kasse.
Die jetzige Koalition, aber auch die SPD Fraktion sehen als einzige Alternative zum demografischen Wandel und zur Finanzierbarkeit die Rente mit 67. Ich denke, damit wird Altersarmut weiter befördert und löst man die Probleme der Zukunft in keiner Weise.
Mit vielen Grüßen
Eva Bulling-Schröter MdB

Antwort von Markus Reichhart 19.10.2012
Sehr geehrter Potche,
meine Meinung ist, dass die Altersentwicklung in Deutschland uns in den kommenden Jahren zwingen wird mit einer längeren Lebensarbeitszeit zurechtzukommen.
Bitte entschuldigen Sie, dass die Beantwortung Ihrer Frage etwas gedauert hat.
Mit freundlichen Grüssen
Markus Reichhart, MdL

Antwort von Dr. Reinhard Brandl 22.10.2012
Sehr geehrter Herr Potche,
vielen Dank für Ihre Frage vom 14. Oktober 2012. Die finanzielle Absicherung im Alter ist für die meisten Menschen von höchster Relevanz und ich nehmen ihre Sorgen hierzu sehr ernst. Ich beteilige mich daher selbst aktiv an der derzeitigen Rentendebatte, um das zukünftige Rentensystem nachhaltig und gerecht zu gestalten.
Die Altersstruktur der deutschen Bevölkerung wird sich in den nächsten Jahrzehnten erheblich wandeln. Nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wird die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bis zum Jahr 2060 um bis zu 34 Prozent sinken. Die Zahl der über 67-Jährigen hingegen wird weiter steigen, weil in den kommenden Jahren die Lebenserwartung – und damit die Rentenbezugsdauer – kontinuierlich steigt. Diese Entwicklungen haben zur Folge, dass in Zukunft die Zahl der Rentner je 100 Beitragszahler weiter ansteigen wird. Liegt sie heute bei 29, so wird sie bis 2060 auf bis zu 59 anwachsen.
Mir sind eine gerechte Lastenverteilung zwischen Jung und Alt und die finanzielle Stabilisierung der gesetzlichen Rentenversicherung sehr wichtig. In der Rente mit 67 sehe ich einen angemessenen, gerechten und notwendigen Schritt, um den Herausforderungen zu begegnen, die aus der demografischen Entwicklung resultieren. Meiner Meinung nach ist es zusätzlich von großer Bedeutung, dass geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungschancen und Möglichkeiten der Qualifizierung für ältere Arbeitnehmer ergriffen werden. Durch die schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahren können höhere Beitragssätzen für jüngere Menschen und Rentenkürzungen vermieden werden.
Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Brandl

„Bisher ist noch keine Nachricht eingetroffen“, (zu meiner Anfrage) kann man auf den Profil-Sites von Agnes Krumwiede (Grüne) und Christine Hadertauer (CSU) lesen. Gut, man sollte auch mal Verständnis für seine Abgeordneten mitbringen. Schließlich können sie sich nicht nur um die banale Frage eines von jahrzehntelanger Schichtarbeit mit x Wehwehchen gesegneten Industriearbeiters kümmern. Frau Krumwiede ist junge Mutter – Glückwunsch und viel, viel Glück mit dem Sprössling – und Frau Hadertauer kann natürlich bei soviel negativer Medienpräsents schon mal ein soziales Themchen eines Unterschichtmenschen übersehen. (Trotzdem bleiben auch keine Antworten Antworten. Und oft aufschlussreichere als geäußerte.)

Leider scheint es den Link Piraten-Watch (Befrage unsere Kandidaten) auf der Homepage der Piratenpartei nicht mehr zu geben (zumindest nach meinen vergeblichen Klickversuchen), so dass ich nicht mehr nachprüfen kann, ob die Antworten der kontaktierten Piraten noch online stehen. Also habe ich sie hier auch nicht aufgenommen.

Wem werde ich nun im September meine Stimmen geben? Wer meine Biographie kennt, weiß auch, wen ich wählen werde. Dabei muss ich gar nicht mehr erwähnen, dass meine bessere Hälfte fast täglich mit Muskelschmerzen und oft todmüde und frustriert aus der Firma kommt: „Wie soll ich das bis 67 aushalten?“

Und meine Gewerkschaft, die IG Metall? In ihrem Faltblatt Kurswechsel lese ich dazu: „Die Rente mit 67 ist nichts weiteres als ein Programm zur Rentenkürzung. [...] Die Rente mit 67, die Kürzung des Rentenniveaus und die Streichung der Altersteilzeit-Förderung waren schwere Fehler der Sozialpolitik. [...] Jede Regierung, die ab Herbst 2013 die Verantwortung übernimmt, muss sich daran messen lassen, wie sie mit der Rente mit 67 umgeht.“ Zufall oder nicht, mein Computer hat das Wort Rente in diesen Zitaten immer klein geschrieben. Ich musste korrigieren. Lippenbekenntnisse? Ich habe den Eindruck, dass auch die Gewerkschaften das Thema längst ad acta gelegt haben. Schuld daran sind aber keineswegs die Funktionäre, sondern vor allem die rund 2,3 Millionen Mitglieder.

Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen