Freitag, 11. Juni 2010

Schon wieder ein Blasmusikanschiss

Wie immer hatte meine Frau mir auch für diesen Vormittag Haushaltsaufgaben "anvertraut". Wie bin ich doch immer so stolz, "gebraucht zu werden". Als Erstes steht da noch etwas Geschirr zum Abspülen herum. Nicht viel, aber genug, um dir nebenbei eine neu erschienene CD anzuhören, überlege ich.

Also, los geht's! Mit Musik ge'n wir durch's Leben, heißt diese Scheibe. Die Eisenbahner haben sie eingespielt. Ich höre hinein und, ach Unglück, schon beginne ich meiner Leidenschaft zu frönen und greife instinktiv nach dem erstbesten Stift und einem leeren Blatt. Spätestens bei Horst Reiters (Arrangement, Text, Gesang, Akkordeon, Klarinette) Ich bin ein Musikant gibt es für mich kein Halten mehr.

Blasmusik, aber viel mehr als beschwingt und heiter sowie wohlklingende Walzer und Polkas sind das, was diese zwölf Musikanten unter ihrem Chef Josef Zippel (Tenorhorn, Gesang) hier aufgenommen haben. Man spürt eindeutig den Willen, eine Klangkultur zu vermitteln, die sowohl instrumental höchsten Ansprüchen genügt, als auch punktiert inhaltliche Themen vermittelt wie Musikantenleidenschaft und Heimatbezug, aber auch einen sehr interessanten Ausflug in die Literatur und nicht zuletzt  Schwabenecho-Reminiszenszen bietet.

Da wären dann noch diese Stücke, die wir als Ohrwürmer immer mit uns herumtragen und die uns bruchstückweise zu den ungewohntesten Zeiten, oft ohne jedweden nachvollziehbaren Grund, durch den Alltag und manchmal auch des nachts begleiten. Sie sind zwar neu orchestriert, bleiben aber doch unsere "alten Lieder", die uns schon durch die "Kerweihjahre" begleitet haben. Veilchenblaue Augen. Ach was! Ich schreibe und singe einfach dabei mit. Und wenn ich den Eindruck habe, dass da ein Trompeter ziemlich andrückt, dann wähne ich mich auf der Bühne eines Banter Kulturheims weit nach Mitternacht. Ein Traum!


Diese Eisenbahner, die überhaupt nichts mehr mit der traditionsgeschwängerten und oft behäbig dahermarschierenden Blaskapelle von anno dazumal zu tun haben, kommen angeblich alle aus dem Banat. Alles was man jetzt über gelungene Integration sagen könnte, wurde schon zigmal - meist von Politikern - gesagt. Viel lieber frage ich mich, was das für eine verrückte Gegend sein muss: nur Weite, nur Horizont und doch so viel Faszination. Wer von dort kommt, schließt beim Kreisen dieser CD unwillkürlich die Augen und kehrt "heim" und ... kriegt vielleicht wie ich einen gescheiten Anschiss, wenn die Hausfrau nach Hause kommt, einen Blasmusikanschiss mit Pauken und Trompeten, nach allen Regeln der Kunst.

Im Spülbecken neben mir ist das Wasser kalt, kleine Fettaugen schwimmen obenauf wie die schwarzen Nudeln in Herta Müllers "Schwäbischem Bad", der Rasen ist nicht gemäht, die Wasserkiste steht noch immer mit den leeren Flaschen neben der Tür usw, usw.

Oh weh! und es ist wirklich schon Mittag. Der Blasmusikanschiss - es ist nicht der erste - steht mir unmittelbar bevor. Und sie alle sind neben den bereits Genannten schuld daran: Tobias Bach (Klarinette),  Hemuth Mitsch (Tenorhorn), Johann Francz (Komposition, Arrangement, Gesang, Euphonium), Hans Bach (Tuba), Thomas Bach, Jürgen Reiter (Flügelhorn, Trompete), Richard Weber, Horst Reppert, Raymond Peter (Posaune) und Johann Pfeifauf (Schlagzeug). Man begegnet aber auch noch anderen Musikschaffenden auf dieser CD: Rudolf Lamp (Komposition), Josef Schmalz (Komposition), Franz Watz (Komposition), Vaclav Horak (Komposition), Hans Bruss (Komposition), Andreas Weber (Komposition, Text), Josef Augustin (Komposition), Franz Sarabin (Text), Nikolaus Lenau (Gedicht), Anton Bleiziffer (Komposition), Helmine Bleiziffer (Gesang, Rezitation).

Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt. Ich werde meiner Angetrauten sofort das Deckblatt zeigen  und sagen: Schau her, das ist der Zippel Sepp, dein ehemaliger Arbeitskollege aus der Coop. Timiş und da ist der Mitsch Helmuth, mein Stimmkollege "vun de Stumpiche". Das wird ihren Zorn bestimmt beschwichtigen.

Wer mir nicht glauben will, soll einfach mal reinhören. Die CD kann per Telefon bestellt werden bei Käthe Zippel - Tel.: 07666 99 279 und bei Waltraud Dufner - Tel.: 0761 488 29 31.


Anton Potche



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