Freitag, 9. Juli 2010

Steht das Deutsche Staatstheater Temeswar vor dem Aus?

Die nebenstehende Anzeige finden wir auf der Home-Seite der Homepage des Deutschen Staatstheaters Temeswar. Das ist für einen Ferienmonat nichts Ungewöhnliches. Ungemütlich wird es aber, wenn man die daneben stehende Nachrichtenrubrik liest.

Dort kann man seit gestern unter der Überschrift Deutsches Staatstheater - vor dem Aus? Folgendes erfahren: "Durch die kürzlich verabschiedete Regierungsverordnung Nr. 63/2010 wird den Behörden der öffentlichen Verwaltung eine maximale Anzahl von öffentlich Bediensteten vorgeschrieben. /.../ Angesichts der Tatsache, dass die Stadt Temeswar vier Kultureinrichtungen in ihrer Trägerschaft finanziert /.../, könnte durch diese Maßnahme auch die Tätigkeit oder sogar die Existenz des Deutschen Staatstheaters beeinträchtigt werden."  Deutsches Staatstheater Temeswar

Der Intendant des Theaters, Lucian Vărşăndan, hat heute der Deutschen Sendung von Radio Timişoara/Temeswar ein ausführliches Interview gegeben. Laut seinen Aussagen hat das Theater 108 Stellen, von denen zur Zeit 82 besetzt sind. Die Stadtverwaltung hat den Verantwortlichen im Deutschen Staatstheater bereits mitgeteilt, dass sie mit einem Stellenabbau zu rechnen haben. Dadurch würde der Betrieb des Theaters "wesentlich beeinträchtigt", ist sich der Intendant sicher. Es ist natürlich sehr schwer zu sagen, wo im Haus Personal eingespart werden kann. Obwohl die Sommerferien begonnen haben, befinden sich verschiedene Projekte in der Abwicklung: "Wir haben eine Auslandstournee in Österreich", sagte Vărşăndan und warf das absurd anmutende Szenario auf, laut dem einige seiner Kollegen in der Alpenrepublik spielen würden und "gar nicht mehr Angestellte dieses Theaters sind."

Der Intendant will sich natürlich nicht kampflos geschlagen geben. Er erklärte, das Theater arbeite sowieso schon seit langem mit einer"stark unterbesetzten Struktur". Nach der Regierungsverordnung müssten ca. 25 Prozent des Personals abgebaut werden. Das ist aus Sicht der Theaterleitung "nicht vertretbar". Lucian Vărşăndan nimmt wirklich kein Blatt vor den Mund, wenn er zu Protokoll gibt: "Es ist nicht normal, dass man diese Stellen abbaut in einem Maße, in dem die Entfaltung der Tätigkeit unter normalen Bedingungen nicht mehr gestattet ist; und parallel dazu unterhält der Staat, genau gesagt die zentrale Verwaltung, sowohl in Bukarest als auch in 40 Kreisen, Strukturen und Behörden und Ämter und Agenturen und Autoritäten oder wie man sie auch noch nennen möge, Inspektorate etc., deren Rechtfertigung heute in den meisten Fällen kaum noch nachzuvollziehen ist. Es gibt Ämter und Behörden, die sich gehalten haben als Kontinuität von vererbten Strukturen aus dem Sozialismus, als die ganze Verwaltung stark zentralistisch war."

Man hofft, dass "sämtliche Partner des Deutschen Staatstheaters" sich für den Erhalt der Institution einsetzen werden. Besonders in den Abgeordneten der Deutschen Minderheit Ovidiu Ganţ setzt man einige Hoffnungen.

Sollte nach mehr als 250 Jahren deutschen Theaters in der Banater Metropole jetzt wirklich der Vorhang für immer fallen? Was die Kommunisten Gheorghe-Gheorghiu Dejs gefördert und die Nationalkommunisten Nicolae Ceauşescus geduldet haben, könnte jetzt den Folgen der weltweiten Wirtschaftskrise und der irrationalen Aufblähung des rumänischen Staatsapparats zum Opfer fallen. Wen wundert's da noch, wenn in Rumänien immer wieder mal die Sehnsucht nach der "Ära des Lichts" aufkommt.

Ich habe mir aus diesem Anlass mal die Angestelltenzahl des Theaters Ingolstadt angesehen und war nicht wenig erstaunt, als ich sage und schreibe 280 Mitarbeiter, vom Intendanten bis zu den Einlassfrauen, für die jetzt bald zu Ende gehende Spielzeit 2009/2010 zählte. Ingolstadt hat knapp 130.000 Einwohner. Theater Ingolstadt

Fürwahr eine stattliche Zahl. Aus dieser Perspektive kann man Lucian Vărşăndan und seiner Mannschaft kaum Einsparvorschläge machen - das wäre überheblich -, sondern ihnen nur die Daumen drücken und viel Erfolg bei ihrer bevorstehenden Abwehrschlacht wünschen.
Anton Potche

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