Fronleichnamsprozessionen sind heutzutage eher schlichte, dem kirchlichen Sinn des Festes untergeordnete Zeremonien. Natürlich sind Vereine mit ihren Fahnen zugegen, man sieht auch noch den einen und anderen Trachtenträger und auch manche Lokalpolitiker lassen sich die Gelegenheit des Erscheinens in der Öffentlichkeit nicht entgehen. Von dem pompösen Prunk vergangener Jahrhunderte ist man aber längst abgerückt.
Adam Müller-Guttenbrunn (1852 - 1923) beschreibt in seinem Roman Der große Schwabenzug eine Fronleichnamsprozession in Wien. Das Werk ist 1913 erschienen, was zur Annahme führt, dass der Autor so manche selbst erfahrene Eindrücke hier literarisch verarbeitet hat, wenn auch die Handlung des Romans vor einem historischen Hintergrund spielt, der bis ins ausklingende 17. Jahrhundert zurückreicht. Schließlich lebte der Schriftsteller, Journalist, Theaterdirektor und Nationalrat Adam Müller-Guttenbrunn ja seit 1970, mit kleinen Unterbrechungen, in Wien.
Im Kapitel Fronleichnam in Altwien heißt es, dass „zwei Gardereiter auf goldgezäumten Rappen“ den „prunkvollen Zug“ eröffneten. „Ein unabsehbares Heer von Kammerherren und Hofwürdenträgern in wallenden Perücken, von adeligen Pagen und hohen Gardeoffizieren folgte. Endlich kam der sechsspännige, herrliche Wagen, in dem der Kaiser ernst und feierlich saß. Der letzte Habsburger! [...] Dann kam die Kaiserin Elisabeth Christine. Auch ihr goldig schimmernder Wagen ward von sechs Schimmeln gezogen, und sie strahlte in blendender Schönheit. [...] Und jetzt erschien unter Voranritt eines lieblichen Korps von Edelknaben der vierspännige Wagen der Erzherzogin. [...] Plötzlich zeigte Maria Theresia mit einer raschen Handbewegung, die der spanischen Hofetikette sehr wenig entsprochen haben mag, nach der langgestreckten Bauerngruppe, die sich da mitten in dem Wiener Publikum befand. [...] Der Generalissimus Prinz Eugen schritt zu Fuß, umringt von Feldherren und Generalen, gefolgt von Offizieren aller Grade nach St. Stephan.“ Und so weiter und so fort über viele Seiten hin.
Zeichen dafür finden wir heute wieder vereinzelt in bayerischen Landen und vielleicht auch in anderen katholisch geprägten Gegenden, wo ausgesiedelte Banater Schwaben in den letzten Jahrzehnten heimisch wurden. Frau Nachbar ließ es sich nicht nehmen, ihre Maria ins Fenster zu stellen, um so einen eigenen Beitrag zur Fronleichnamsprozession im Ingolstädter Stadtteil Ringsee zu leisten. Nein, diese Maria wäre nicht in Maria Radna, dem Wallfahrtsort der Banater Schwaben auf den Vorhügeln der Karpaten, erworben worden, sonder stamme aus Altötting, wo sie als gläubige Sanktannaerin natürlich schon war. Aber ihre Tochter, Frau Müller, die natürlich bei der Altarerrichtung mitwirkte, zeigte mir zwei kleinere Marias, die im Ausreisegepäck aus Rumänien verstaut waren, und vor paar Jahrzehnten in Maria Radne gekauft wurden.
Und so schließen sich die Kreise – der Geschichte, des Glaubens und des Lebens. Und es sind solche Ereignisse, kleine Nebenschauplätze kirchlichen Lebens, die Feiertage auch in unserer heutigen von Hecktick und entfesselter Gewinnsucht nach materiellen Gütern geprägten Zeit so sinnvoll erscheinen lassen.
Anton Potche
Fotos & Video: Anton Potche
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