Sonntag, 11. Dezember 2011

Ein Plädoyer für die Religionsfreiheit

Filep Karma ist 52 Jahre alt. Seit 2004 sitzt er in einem indonesischen Gefängnis. Sein Vergehen - er hat an einer Zeremonie teilgenommen, bei der die „Morgenstern-Flagge“, ein Symbol für die Unabhängigkeit Papuas, gehisst wurde. Dafür wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt.

Das ist nur eines von mehreren Beispielen, wie Menschenrechte weltweit missachtet werden. Tagtäglich. Amnesty International setzt sich für solche Einzelfälle ein. Seit dem 10. Dezember 1948 gibt es die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“, ein Dokument der Vereinten Nationen. Es bildet die Grundlage für die Tätigkeiten vieler Menschenrechtsorganisationen weltweit.

In Ingolstadt wird seit 15 Jahren um den 10. Dezember ein „Tag der Menschenrechte“ abgehalten. Federführend ist stets Amnesty International aus Ingolstadt, Eichstätt und Pfaffenhofen. Beteiligt sind in vielfältiger Weise aber noch viele andere soziale, kulturelle und kirchliche Einrichtungen, zusammen mit der Stadtverwaltung Ingolstadt.

Menschenrechtsvereine präsentieren ihre Arbeit, es gibt Musik und kulinarische Spezialitäten wie auch einen Festredner. Heuer war es Prof. Dr. Heiner Bielefeldt, der nach besinnlichen Begrüßungsworten des Ingolstädter Kulturreferenten Gabriel Engert das Wort ergriff.

Tauziehen um die Religionsfreiheit – ein Menschenrecht in der Krise? Diese programmatische Frage zu beantworten, hatte Prof. Dr. Heiner Bielefeldt sich für diese Veranstaltung vorgenommen – oder auch nicht. Denn nach seinem Vortrag wollte eine Frau aus dem Auditorium nur wissen, wer eigentlich bestimme, was Religion sei. Und da kam dann die salomonische Antwort: „Eine schwierigere Frage hätten Sie sich nicht ausdenken können.“ Es hänge bei der Beantwortung dieser Frage doch weiterhin sehr viel von der „Selbstverständlichkeit des Einzelnen“ ab.

Also ein sehr schwer zu beackerndes Feld, auf dem der Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik an der Universität Erlangen- Nürnberg tätig ist. Dabei ist Heiner Bielefeldt sozusagen der Fachmann für Religionsfragen schlechthin. Seit August des vergangenen Jahres ist er auch UN-Sonderberichterstatter für Religions- und Weltanschauungsfragen. Als solcher weiß er sehr wohl, was so alles in der Welt im Namen der einen oder anderen Religion passiert. Und das ist, weiß Gott, nicht immer das Menschengerechteste.

Religionsfreiheit steht natürlich für mehrere Freiheiten. So müssen Menschen selbst bestimmen dürfen, welcher Religion sie angehören wollen. Die Freiheit der Sinnsuche muss jedem Menschen gewährt sein. Er muss auch das Recht haben, über seine Religion zu sprechen. Und er hat einen Anspruch auf Präsenz seiner Religion im öffentlichen Raum. Genauso frei muss er aber auch sein, seine Religion wechseln zu können. Inbegriffen ist auch das Recht auf Atheismus.

Dass diese doch so logisch klingenden Menschenrechte in der Praxis zu vielen Missdeutungen und Missbräuchen führen, gibt dem Referenten die Gelegenheit, oder zwingt ihn zu Analysen über Staatsreligionen, religiösen Phobien, Universalismus, Klientelismus, Stigmatisierungen, Indoktrination und, und, und.

Alle diese erschlagenden Schlagwörter wurden von dem frei sprechenden Prof. Dr. Heiner Bielefeldt mit beredten Beispielen belegt. Das war dann natürlich für das Auditorium oft auch bedrückend, obwohl der Referent eine sehr lockere Vortragsweise pflegt, die manchmal auch mit einem Schuss Selbstironie bereichert ist.

Dieses Thema ermöglicht natürlich kein Fazit, da es eigentlich nie ganz ausdiskutiert werden kann. Besonders darum, weil „alle Religionen sowohl Opfer- als auch Täterreligionen sind“. Daher ist „die Religionsfreiheit ein Menschenrecht unter Druck, besonders in der Praxis“.

Dass viele Menschenrechte unter Druck sind zeigt uns der Fall Filip Karma. Der Mann hat laut Amnesty International nur „sein Recht auf freie Meinungsäußerung in Anspruch genommen.“ Dafür sitzt er seit sieben Jahren im Gefängnis. Ich habe mich angestellt und auch einen Aufruf für seine Freilassung unterschrieben.


Noch eine Weile habe ich Djatou Touré, ihrem Vater Souleymane Touré am Schlagzeug und Frank Schellenberg am Keyboard zugehört. Dann bin ich gegangen, über den schneelosen Christkindlmark. Und ich habe dabei an meinen muslimischen Arbeitskollegen türkischer Abstammung gedacht, der ganz entschieden einen „Tannenbaum“ an Weihnachten ablehnt. „Warum“, habe ich ihn gefragt, „das ist doch nur Folklore. Dein Glaube muss davon nicht beeinträchtigt sein.“

Anton Potche

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