Freitag, 9. März 2012

Gute Literatur gebiert Landschaften und Assoziationen im Kopf

Es gibt viele faszinierende Bildbände und Touristikbücher über die Donau. Wen wundert’s, wo es sich doch um den zweitlängsten Strom Europas handelt? Da sind natürlich Superlativen angebracht.

Umso überraschter darf man dann sein, wenn ein niedliches Büchlein zur Donau vor einem liegt. Es passt also sogar ein Diminutiv zu diesem mächtigen Strom. Das Büchlein (9,5 x 15,5 cm) fühlt sich an wie ein kleines Gebetbuch und beinhaltet auch nur Kleine Geschichten von der schönen blauen Donau. Zusammengetragen hat sie Monika Hubel. Literatur kommt nämlich auch ohne großformatige Editionen wie etwa die Bildbände aus. Bei guter Literatur genügen oft ein paar Wörter, um im Kopf ganze Landschaften entstehen zu lassen.

Die Donau fließt gen Osten und als Friedrich Hölderlin Am Quell der Donau stand, hat er wohl stromaufwärts gedichtet, wenn es da heißt: „[...] so kam / Das Wort aus Osten zu uns, / Und an Parnassos Felsen und am Kithäron hör ich, / O Asia, das Echo von dir [...].“

Monika Hubel jedoch geht mit der Donau dem Sonnenaufgang entgegen, also stromabwärts, den entgegengesetzten Weg der hölderlinschen Gedanken. Sie lässt viele bekannte Namen in dieser Blumenlese zu Wort kommen. Der verliebte Eduard Mörike schrieb mal einem Brief aus Obermarchtal, wo sich die Donau unter schöner Krümmung zwischen Mühlen und bebuschten Felsen durchzieht“, und legte ein „Blättchen mit dem lebhaftesten Gedanken an die Geliebte“ bei. Einem Blumenrondell hatte er selbiges entnommen.

Dort, wo der Strom bei Hochwasser schon mal seine unangenehme Seiten zeigen kann und sich gegen menschliche Regulierungseingriffe währt, schrieb Marieluise Fleißer eine Hommage an ihre Heimatstadt: Ingolstadt, du Schöne. Und Goethe hatte eine festhaltenswerte Begegnung mit Regensburg. Wie konnte es auch anders sein beim Anblick der Donau, als dass die Gedanken heimwärts flogen: „Die Donau erinnert mich an den alten Main.“ Wo Goethe aber von „Orgelbauern, Bildschnitzern und Verguldern“ im Dienste der Kirche spricht, denke ich an jenen 1741 in Bischofsdrohn geborenen Peter Potche, der 1770 ins Banat gezogen und dort 1795 gestorben ist. Sollte er der gleiche mit dem aus Deutsch-Lothringen stammenden und am 26. März 1770 in Wien als Auswanderer registrierten Peter Potie sein? Der war nämlich von Beruf „Vergulder“, also Vergolder.

Ja, man könnte als Banater Schwabe jetzt ganze Seiten mit Vermutungen und Wunschvorstellungen füllen. Das hieße aber verharren. Doch der Strom steht nie still, fließt immer weiter und weiter. Und mit ihm begegnen wir Heimito von Doderer und seiner literarischen Miniatur des Wienerwaldes. „Nicht weit von hier beginnt die Tiefebene und flieht dahin und enteilt; gegen Ungarn zu.“ Und mit ihr die Donau.

So als wolle sie unbedingt dabei sein, wenn Mihail Sadoveanu eine Sommersonnenwende auf der Donau erlebt. Es war natürlich beider Naturerlebnis, sowohl des Stroms als auch des Dichters. Nur hatte Letzterer den Vorteil, das Naturschauspiel in Worte zu fassen, schön, wie wir es von Sadoveanu kennen: „ Es war das Spiel des Lichts und die Freude darüber, mitten im Juni zu leben, wenn die Sonne ihren höchsten Stand am Himmel erreicht hat.“

Es gibt noch einige bekannte Schriftsteller, die in diesem Büchlein etwas zur Donau, „groß und grausam, grausam und groß“, wie Abraham a Santa Clara sie empfand, zu sagen haben, aber auch tragischen Figuren wie dem Schneider von Ulm begegnen wir.

Mir ist sie in den bald drei Jahrzehnten, in denen ich sie fast täglich überquerte, längst ans Herz gewachsen. Sie ist auch mein Strom, die Donau.

Monika Hubel (Hg.): Kleine Geschichten von der schönen blauen Donau. Engelhorn Verlag, Stuttgart. 126 Seiten, antiquarisch mit etwas Glück noch erhältlich. ISBN3-87203-211-9

Anton Potche

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