Große Kirchen sind der geeignete Ort für diese zauberhaften
Klangspektren. Auch das Münster „Zur Schönen Unserer Lieben Frau“ in Ingolstadt
gehört zu diesen Toncluster ermöglichenden Kirchenbauten. Wer samstags um die
Mittagsstunde das immense Kirchenschiff betritt, wird in Klangwolken gehüllt.
Orgeltöne: beruhigend, entspannend, besinnlich.
SamstagOrgel im Münster nennt sich die Konzertreihe im
Liebfrauenmünster und das Programmfaltblatt verspricht 30 Minuten Orgelmusik an der Großen Klais-Orgel – jeweils am Samstag um
12 bei freiem Eintritt – 12. Mai bis 28 Juli. Es kommen aber auch Bläser
zum Einsatz. Dann ist das Ringen um die Lebensdauer der Töne noch viel
interessanter. Köstlichste, aber oft auch sehr ungewöhnliche Harmoniegebilde
entstehen, wenn ein langer Ton der Oboe noch auf dem Weg zum weit entfernten
Hauptaltar ist – vom Zuhörer klar vernehmbar – und der Orgel oder dem
Blasinstrument bereits die nächsten Harmonien oder Einzeltöne entspringen. Kein
Komponist kann Pausen für akustische Raumverhältnisse komponieren. Sie, die
Pausen, sind lediglich dem Thema und dem Rhythmus zugeeignet. Im Hall des
immensen Kirchenschiffes werden Pausen zur Makulatur. Sie existieren nur noch
auf dem Notenblatt. Im Kirchenraum scheint immer irgendein Ton unterwegs zu
sein. Und wenn er noch so leise verklingt, er hat bereits im Sterben einen oder
auch mehrere Leidensgenossen an seiner Seite.
So war das erlebbar auch beim Konzert am vergangenen
Samstag. Evi Weichenrieder an der
Orgel und Georgi Kobulaschwili mit
der Oboe und dem Englischhorn zauberten fühlbare Engführungen in den Raum, die
den Zuhörer das Treiben der lebhaften Innenstadt schnell, sehr schnell,
vergessen ließ. Ihr Programm begann mit England’s
Glory von Nigel Ogden, setzte
sich fort mit Alessandro Marcellos
(1669 – 1747) Concerto d-Moll für Oboe
und Orgel, Joseph Hector Fioccos
(1703 – 1741) Arioso für Oboe und Orgel,
Théodore Dubois’ (1837 – 1924) Fiat lux, um schließlich im sehr
getragenen Musikstück Pavane. Variationen
über einen Tanz aus El Maestro (1536) von Luis de Milán für Englischhorn und
Orgel einen musikalischen, den akustischen Bedingungen in jeder Hinsicht gerecht werdenden Höhepunkt zu erreichen. (Video). Enjott Schneider (*1950) hat diese Pavane komponiert, und wie die
zwei Konzertprotagonisten spielten, konnte man sich gut die Würde vorgaukelnde
Schrittgemächlichkeit an den europäischen Adelshöfen des 16. und 17.
Jahrhunderts vorstellen. Man konnte aber auch wie in keinem Werk zuvor den
Lebenswille der von dem Duo in den Raum gezauberten Töne spüren: dieses
faszinierende Kommen, Sein und Verhallen. Ein Genuss, nicht nur für
Konzertbesucher, sondern auch für so manchen Touristen, der im kühlen und im
wahrsten Sinne des Wortes klangvollen
Kirchenschiff einige Minuten – es waren mehr als 30 - Ruhe und einen kurzen Weg
zu sich selbst suchte und wahrscheinlich auch fand. Das Konzert endete mit
einer Toccata h-Moll von Eugéne Gigout (1844 – 1925).
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