Dienstag, 4. Dezember 2012

Jede Epoche mit ihrer Hymne

Bukarest, 1. Dezember 2012

Unter den Kommunisten haben die Rumänen ihren Nationalfeiertag am 23. August gefeiert. Es war der Tag der Befreiung vom Faschismus (1944). Große Militärparaden gehörten wie selbstverständlich zu diesem Tag. Stärke wollte man dem imperialistischen Feind im Westen signalisieren. Die Zeiten haben sich geändert, die Gepflogenheiten sind geblieben. Am vergangenen Samstag haben die Rumänen ihren neuen – seit 1990 – Nationalfeiertag gefeiert. Ziua Unirii, Tag der Einheit, nennen sie ihn. Am 1. Dezember 1918 entstand das Großrumänien, mit der Bukowina und Bessarabien, von dem viele Rumänen heute noch träumen. Und es gab selbstverständlich auch diesmal Militärparaden.

Nicht so konsequent wie bei den Aufmärschen sind die Rumänen im Umgang mit ihrem Hymnus. Seit 1866 hatten sie drei Nationalfeiertage und sechs Hymnen. Die Kommunisten allein haben ihnen drei verschiedene patriotische Tongefüge verpasst: bei der Machtergreifung, der Erneuerung des Freundschaftsbundes mit den Sowjets und beim Bruch mit dem Freund und Befreier aus dem Osten.

Zur Zeit des Königs Karl I. aus dem Hause Hohenzollern-Sigmaringen (Regentschaft: 1866 - 1914) wurde Es lebe der König erst mal nur instrumental gespielt. 1881 hat Vasile Alecsandri einen Text dazu verfasst. Am 30. Dezember 1947 war Schluss mit der Monarchie. Die Kommunisten haben ihre eigene Hymne mitgebracht: Zdrobite cătuşe în urmă rămân – Gesprengte Ketten bleiben zurück. 1953 war das Jahr des Beginns der Kollektivisierung und der vollzogenen ideologischen Gleichschaltung mit der UdSSR. Die Rumänische Volksrepublik bekam auch eine neue Hymne. Ceauşescu propagierte dann ab 1965 die Distanzierung von Moskau. Auch dazu gehörte eine passende Hymne (die ich selber oft in einer Großwardeiner Militärkapelle spielte).

Seit dem Sturz des kommunistischen Regimes singen die Rumänen Deşteaptă-te, române! – Erwache, Rumäne! ein Revolutionslied, das sie schon 1848 anstimmten. Am kommenden Sonntag, 9. Dezember 2012, wählen die Moldauer, Walachen, Dobrudschaer, Banater, Siebenbürger usw. ein neues Parlament. Ob sie da schon wach sind? ... Doch selbst wenn sie es wären, bleibt ihnen nur die Wahl zwischen Pest und Cholera. Schade eigentlich!

Anton Potche

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