Dienstag, 26. Februar 2013

Dâmboviţa-Politik mit einer gehörigen Portion Fantasie


Das sind Geschichten, wie sie nur auf dem Balkan möglich sind. Die Nationalliberalen (PNL) in Rumänien hielten ihren Parteitag ab. Für den Posten des Vorsitzenden gab es nur einen Kandidaten: Crin Antonescu. Natürlich hat er am Wochenende die Wahl gewonnen. Auf einem ihm nicht gewogenen Fernsehsender – in Rumänien gibt es keine unparteilichen Medien – sprach man von einem Wahlsieg mit 103 Prozent. Gut, die Rumänen sind für ihren fatalistischen Humor bekannt. Immerhin, von 1434 abgegebenen Stimmen gab es bei 50 ungültigen nur 44 Gegenstimmen. Das wären nach Adam Riese 96,83 Prozent. An der Hundertprozentmarke knapp vorbeigerauscht, könnte man sagen.

Der Mann braucht diese Zustimmung aber auch, will er doch im kommenden Jahr Traian Băsescus Nachfolger im Präsidentenamt werden. Da hat er letzten Sommer ja schon mal hineingeschnuppert. Leider ging das von ihm und seinem PSD-Freund Victor Ponta initiierte Amtsenthebungsverfahren mit Volksentscheid in die Hose. Aber die verbalen Schlachten, bestückt mit allen erdenklichen Schimpfwörtern, dürften noch in Erinnerung sein. Crin Antonescu ließ dabei kaum einen Schlag unter die Gürtellinie seines Widersachers aus. Dass die Sympathie der EU-Oberen ziemlich deutlich auf Băsescus Wagschale lag, dürfte die Ambitionen des Nationalliberalen noch angeschürt haben.

Die wirklich byzantinische Färbung bekam dieser Parteitag aber erst bei der Wahl der Stellvertreter. Sage und schreibe 31 Stellvertretende Vorsitzende hat Crin Antonescu. Und gewählt wurden die im Packet. Der Mann hat viele Begehrlichkeiten zu bedienen. Als der Chef seine Präsidiumsmitglieder höchstpersönlich vorstellte, hat er sogar kurz die Übersicht verloren und einen Freund glatt vergessen. „Sucht ihn mal“, rief er in den Saal. Das macht ihm so schnell keiner nach.

Crin Antonescu (l.) & Klaus Johannis
Aber damit war auch dem als „Dâmboviţa-Politik“ (politică dâmboviţeană) bekannten Begriff noch nicht voll Genüge getan. Der Ausdruck steht für die in Bukarest schon immer stark betriebene Personalisierung der Politik mit einhergehender Schwächung der Parteigremien und der schonungslosen Auseinandersetzung mit politischen Gegnern; während der Byzantinismus sich eher auf die Vetternwirtschaft quer durch alle Parteien bezieht. In einem solchen Klima ist es auch möglich, dass man mit einer Parteizugehörigkeit von drei (3) Tagen zum Ersten Stellvertretenden Vorsitzenden gewählt werden kann. Der Mann, der das geschafft hat (oder dem das widerfahren ist), heißt Klaus Johannis und ist kein Geringerer als der deutsche Bürgermeister von Sibiu / Hermannstadt. Somit wäre er Crin Antonescus rechte Hand.

Nun kann man gut und gerne und lange darüber spekulieren, was den parteilosen Johannis - sein bisheriges politisches Mandat beruhte immer auf der Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien (DFDR) - zu diesem Schritt bewogen hat. Der Siebenbürger Sachse ist jetzt in seiner vierten Amtszeit und gilt konkurrenzlos als Rumäniens erfolgreichster Bürgermeister. Sich diesen Mann, der öffentlich eine gepflegte diplomatische Sprache spricht, neben einem Sprücheklopfer á la Crin Antonescu – „Es ist nicht grauenhaft zu verlieren, es ist grauenhaft nicht zu existieren. Ich existiere, PNL existiert.“ -  vorzustellen, ist nur mit einer gehörigen Portion Fantasie möglich.

Das politische Kalkül des gewieften Vertreters der Dâmboviţa-Politik liegt hingegen klar auf der Hand. Klaus Johannis könnte dem (zukünftigen?) rumänischen Präsidenten Crin Antonescu bei Frau Merckel den Rücken freihalten – nicht unbedingt kraft seines Amtes, aber immerhin dank seiner ethnischen Zugehörigkeit.

Wie auch immer, die politischen Repräsentanten der wenigen noch in Rumänien ausharrenden Deutschen scheinen 22 Jahre nach dem Sturz des Kommunismus in der neuen Dâmboviţa-Politik ihres Landes angekommen zu sein. Ovidiu Ganţ, der langjährige Abgeordnete der deutschen Minderheit im rumänischen Parlament, hat in den zurückliegenden Jahren viel Erfahrung auf der Bukarester Politbühne gesammelt. Und das nicht unbedingt zum Nachteil seiner Schützlinge. Auch der Bürgermeister von Mediaş / Mediasch, Daniel Thelmann, ein Mitglied der deutschen Minderheit, hat 2008 den Weg in eine großen Partei (PDL - jetzt Oppositionspartei) gewählt. Und anders gesehen, gab es nicht genug Rumäniendeutsche, die in der Kommunistischen Partei Rumäniens (PCR) aktiv waren? Bleibt nur, abzuwarten was Klaus Johannis aus seinem Amt macht. Vielleicht gelingt es ihm sogar, die stark nationale Prägung der PNL etwas abzuschwächen - wenn er lange genug in seinem neuen Parteiamt überlebt.

Anton Potche

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