Aus Norwegen nach Bayern. Umziehen. Für ein Leben lang. Geht
das überhaupt freiwillig, rein landschaftlich betrachtet? Früher hat das
funktioniert. Zumindest bei einem: Olaf
Gulbransson. Es gibt nun mal auch in Bayern Landschaften, die einen an die
norwegische Heimat erinnern können. Der Tegernsee ist in eine solche Landschaft
eingebettet. Und hoch droben auf dem Schererhof hat der norwegische Zeichner
und Maler seine zweite Heimat gefunden.
1929 ist der 1873 in Oslo geborene Olaf Gulbransson hierher gezogen. Da war er nicht mehr der Jüngste
und in der Kunstwelt ein bekannter Name. Seit 1902 lebte der Karikaturist und
Porträtist in München und machte sich als Mitarbeiter der berühmt-berüchtigten
Satirezeitschrift SIMPLICISSIMUS einen Namen,
der dann 1929 auch zu seiner Berufung als Professor an die Akademie der
Bildenden Künste in München führte. Am Tegernsee widmete der sich nie von der
Naziideologie distanzierende Gulbransson
vorwiegend der Landschafts- und Porträtmalerei. Seit 1966 hat Tegernsee am
Tegernsee ein Olaf-Gulbransson-Museum, das viele seiner Zeichnungen und
Buchillustrationen zeigt. Der nicht unumstrittene Künstler ist 1958 auf seinem
Schererhof gestorben.
Das Museum beherbergt auch Werke (Originals oder Faksimiles)
anderer bedeutender Künstler jener Zeit, die für die Unsterblichkeit des SIMPLICISSIMUS
stehen. Eduard Thönys (1866 – 1950) Familienverhältnisse (Die Kathi hat’s
gschafft – vo’ mein Vadern hot sie’s Kind, vo’ mir wird’s zahlt un vo’ insern
Knecht g’heirat’.) erheitern den Betrachter, während Erich Schillings (1885 - 1945) Divisionen
des Todes in Flandern uns besonders heuer an den Beginn des schrecklichen
Krieges vor 100 Jahren und vor allem an die Propagandamaschinerie der
Kriegstreiber (der sogar der SIMPLICISSIMUS erlag) erinnern.
Schlendert man bergauf und bergab durch die Straßen um den
Tegernsee, so trifft man auch auf so manche Zeugnisse gelungener
Handwerkskunst, Glaubenskunst oder Volkskunst, die nicht unbedingt an berühmte
Namen gebunden sind. Das können mal ein an die Rostkunst Alf Lechners erinnernder Hirsch, ein Kreuz an der Hauswand oder auch
hagere, an Thomas Hassler, den Riesen vom Tegernsee, gemahnende
Steinmännchen am Bergbach sein.
Wer um den Tegernsee wandert trifft auch auf andere
Zeugnisse deutschen Kulturlebens. Es waren nicht nur bildende Künstler, die
hier Kreativkräfte tankten, der Hektik des Stadtlebens zumindest für eine
gewisse Zeit zu entsagten versuchten oder gar vor politischem Ungemach flohen.
Der Berühmteste ist wohl Thomas Mann (1875
- 1955). Er wurde schon als Fünfjähriger von seinen Eltern nach Wildbad
Kreuth mitgenommen. Dass Thomas Manns
letzte große Liebe, der Kellner Franz
Westermeier, auch vom Tegernsee stammte, ist aber wahrscheinlich dem reinen
Zufall zuzuschreiben. Weitere Literaten, die hier mehrere Jahre ihres Lebens
verbrachten waren die beiden Ludwigs,
Thoma (1867 - 1921) und Ganghofer (1855 - 1920).
Auch weniger bekannten Autoren wie etwa dem Heimatdichter Karl Stieler (1842 – 1883) kann man auf
Spaziergängen um den See begegnen. Ein Denkmal am Leeberghang in Tegernsee
erinnert an den Dichter, der auch Mundartgedichte geschrieben hat. Er muss ein
stark romantisierender Geist gewesen sein, sonst wären wohl kaum Verse wie
diese seiner Feder entsprungen: „Als ich zur Alm kam und vom steilen Grat/ Ins
Felslahr stieg den alten kühnen Pfad,/ Da stand die Sennerin im Wiesengrunde/ Und jauchzt’ empor, die Hand am roten Munde./ Und wieder trat ich in die Hütte
ein;/ Mir war zu Sinn, als wär’ sie doppelt mein:/ Dies ruß’ge Dach und dies Gerät, das blanke,/ Dazu das Mägdlein,
das gelockte, schlanke,/ Der Hausaltar mit den geweihten Zweigen .../ Als wär’
dies Leben nun erst ganz mein eigen.“ (Im Dialekt aus der Sammlung Ein
Winteridyll).
Aber durch die Blicke runter von den Bergen auf die
langgezogene Seelandschaft ließen sich nicht nur Künstler inspirieren, sondern
auch Großkopfete konnten dieser Gegend etwas abgewinnen. 1822 weilten hier Zar Alexander I. von Russland, Kaiser
Franz I. von Österreich und König Max von Bayern. Die beiden Monarchen waren auf dem Weg zum Kongress von Verona.
Die Kulturlandschaft am Tegernsee ergänzt sich vorzüglich mit der Naturlandschaft dieser Region. Eine Einkehr in einem Museum oder das kurze Verweilen an dem ein oder anderen Kunstwerk im öffentlichen Raum können für so manchen Urlauber eine Bereicherung darstellen, an der er noch lange nach seiner Rückkehr in den Alltag zehren kann.
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