Montag, 24. August 2015

Sabine De Barra, André Le Nôtre, die Frau und ich

Ein schöner Sommertag, mit Oma & Opa-Tag im Kindergarten Sonnenschein und anderen Annehmlichkeiten eines stressfreien Tages. Ein vorabendlicher Kinobesuch in einem der Altstadtkinos wäre eigentlich passend zum bisherigen Verlauf. Gedacht, gesagt (der Oma), getan. Und schon schritt ich über den roten Teppich – um Irritationen vorzubeugen: der liegt immer dort – ins Union-Kino. Ein freundlicher junger Mann an der Kasse fragte mich, welchen Sitzplatz ich wünsche. Das wäre mir wurscht, sagte ich, so voll werde der Saal schon nicht werden. Er lächelte mir affirmativ zu und ich stieg die Treppe hoch in Saal 2. In der vorletzten Reihe des kleinen, sehr familiär anmutenden Kino-Saals machte eine Frau mittleren Alters – mein verstohlener Blick verriet mir, dass sie gut aussah – es sich in dem weichen Polsterkissen bequem. Ich grüßte, sie lächelte und sagte, allzu viele Zuschauer würden wohl nicht mehr kommen. Ich antwortete ihr, dass ich solche Filmbesuche gerne hätte, da man sich auch auf das Geschehen auf der Leinwand konzentrieren könne, und nahm in der Mitte der letzten Reihe Platz.

1682. „Der englische Astronom Edmund Halley erkennt und berechnet die regelmäßige Wiederkehr des periodischen, nach ihm benannten Kometen. – Die Marquise Françoise de Maintenon wird die zweite Frau des französischen Königs Ludwig XIV. Die hoch gebildete Frau gewinnt Einfluss auf die Politik. – Versailles wird königliche Residenz.“ So weit die einschlägige Fachliteratur. Diese Zeit gab schon immer genug Stoff für Literatur, Theater, Musik und Film her. Die Entstehung von Versailles kann die Fantasie schon mal beflügeln. Und wenn Alan Rickman, einer der bekanntesten Charakterdarsteller Englands, sich selbst als Ludwig XIV. darstellt und dabei die Hauptrollen dem Schauspielerpaar Kate Winslet und Matthias Schoenaerts überlässt, dann kann wahrlich ein Gesellschafts- und Sittengemälde jener Zeit entstehen, das es verdient gesehen zu werden.


Ein leiser Film. Kein Säbelgerassel. Keine Helden. Dafür eine Liebe ohne die sexuelle Exaltiertheit unserer Zeit. Das ist der Film Die Gärtnerin von Versailles. Natürlich sind alle anderen emotionalen Elemente einer Liebesgeschichte nicht ausgespart: Intrige, Verrat, Zerstörungswut und was man alles aus dem Verlauf der Handlung noch herauslesen kann oder will. Und das Ende ist so, wie man es sich wünscht zum Ausklang eines schönen Sommertags des Jahres 2015, also immerhin 333 Jahre danach. Sabine De Barra (Kate Winslet), eine begabte und durchsetzungsstarke Gartenarchitektin, und André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts), seines Zeichens königlicher Landschaftsarchitekt, gehen Hand in Hand in den Wald. Zurück bleibt ein nachdenklicher Ludwig XIV. inmitten seines Hofstaates und der Pracht der Gärten von Versailles.

Warum wirkt er, der König, nur so nachdenklich inmitten des tanzenden Hofstaates, ja, kommt dem Betrachter fast grübelnd vor. Es mag nicht nur der noch nicht lange zurückliegende Tod seiner ersten Frau sein; vielleicht wirkt die zufällige, inoffizielle Begegnung des Monarchen mit der schönen Gärtnerin nach. Das ist nur einer der Momente, die diesem Film den Charme des Schicksalhaften verleihen und ihn so sehenswert machen.

Na klar, wir sehen nur eine Love-Story, einen Kostümfilm des ausklingenden 17. Jahrhunderts, aber er ist gut gemacht. Gute Nahaufnahmen, eine ruhige Kameraführung, passende Musik (Peter Gregson). Was mich allerdings verwundert hat, war die Tatsache dass ich den Film auf einigen Internet-Portalen als Komödie gekennzeichnet fand. Der Film kommt einem romantischen Drama schon viel näher. Denn zum Lachen gab’s da wahrlich nichts.

Ob die Frau in der Reihe vor mir das auch so gesehen hat? Sie verließ noch während des Abspanns den Saal. Nicht ohne ein an mich gerichtetes „Auf Wiedersehen“. Ich wartete bis die Saalbeleuchtung anging, und ließ dann die leeren Stuhlreihen zurück. Ob wir uns wiedersehen werden? Vielleicht. (So groß ist Ingolstadt nun auch nicht.) Doch werde ich sie bestimmt nicht wiedererkennen, die Frau aus der Reihe vor mir.

Anton Potche

Die Gärtnerin von Versailles; GB; Regie: Alan Rickman, Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanley Tucci, Helen McCrory, Steven Waddington, Jennifer Ehle, Danny Webb u.v.a.; Spieldauer: 117 Minuten

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