Arbeit von Sieglinde Bottesch
Foto: Anton Potche
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Eigentlich wollte ich nur endlich mal diese farbige Katze
fotografieren, von deren Existenz ich schon vor etwa fünf Jahren in einer
Zeitschrift gelesen hatte. Dafür musste ich ins Ingolstädter Nordwest-Viertel,
ein Stadtteil, in dem mehr als 20.000 Menschen leben, wovon ca. 70 Prozent
einen Migrationshintergrund haben. Bei mindestens 30 Nationalitäten ist es nur
normal von einem Multi-Kulti-Viertel zu sprechen. Dort lebt auch die aus
Siebenbürgen gekommene Künstlerin Sieglinde
Bottesch. Sie ist seit vielen Jahren Mitglied im Berufsverband Bildender
Künstlerinnen und Künstler Oberbayern Nord & Ingolstadt e. V. Und sie hat ihren Stadtteil mit bunten
Tiertupfern bereichert. Leider fand ich die gesuchte Katze nicht. Dafür aber einen
bunten Schmetterling, einen stolzen Hahn und ein graziös dahinschreitendes
Ross. Und schon hat ein sprühwütiger Schmutzfink dem Pferd einen schwarzen
Fleck verpasst - zum Glück nur auf einer Seite. Das ist leider das Schicksal
vieler Kunstarbeiten im öffentlichen Raum. Einige Fotos und schon ging es
wieder heimwärts an diesem Samstagnachmittag. (Und irgendwann werde ich auch
diese Katze finden, falls sie noch irgendwo in dem großflächigen
Hochhausviertel steht.)
Und dieser Weg führte an der Städtischen Galerie in der
Harderbastei vorbei. Auch dort hängen zurzeit Werke von Kolleginnen und
Kollegen der längst etablierten Zeichnerin, Malerin, Grafikerin, Objekt- und
Installationskünstlerin Sieglinde
Bottesch. Unter dem Titel Die Neuen
stellen „neu aufgenommene Mitglieder des BBK Obb. Nord & Ingolstadt e.V.“
einige ihrer Werke aus. Ein wenig frustriert ob der ergebnislosen Suche nach
einer bunten Katze spürte ich das Bedürfnis nach einem Ausgleich und trat ein.
Dem Besucher wird eine reiche und interessante Palette an Stilrichtungen und
verwendeten Materialien dargeboten: Tusche und Kohle auf Papier, Öl auf
Leinwand, Acrylglas, Acryl auf Karton, Fotografie Fine-Art-Pigmentdruck
kaschiert auf Alu Dibond, Öl auf Korkplatte, Acryllack und UV Farbe auf Holz,
Tuschzeichnung auf Papier, Öl/Baumwolle, Beton/Alu/Holz und die Mischung
Acryl/Öl/Ölkreide auf Leinwand. Diese Vielfalt verdanken wir einer (zumindest
von ihrer Abstammung her) ebenso unterschiedlichen Künstlerschar: Dorina Csiszár (geb. in Ungarn), Radmilla Curcic (Zrenjanin / Serbien), Annette Glück (Passau), Imre Hasanic (Palic / Jugoslawien), Johannes Hauser (Augsburg), Dieter Jungwirth (Ingolstadt), Agnes Krumwiede (Neuburg an der Donau),
Aleksandra Lung (Apatin / Serbien), Stefan Pautze (Radebeul), Sonja Reuthlinger (Ihrlerstein), Bodo Rott (Ingolstadt), Jürgen Schulze (Würzburg), Stefan Wanzl-Lawrence (Neuburg an der
Donau) sowie Leonore Weiss (Neumarkt
St. Veit).
Acrylglas von Serio Digitalino
Foto: Anton Potche
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Gleich beim Eintritt in den langgezogenen Galerieraum viel
mir eine kleine Skulptur aus Glas auf. Wie wehender Stoff kam mir das blaue Acrylglas
auf den ersten Blick vor. (Die Ausstellungsobjekte sind alle nicht betitelt.) Filigrane Vollkommenheit. Ein älterer Herr (also zumindest
älter als meine Wenigkeit) war gleich hinter mir in das Gewölbe gekommen und
stand jetzt schon im Begriff, es wieder zu verlassen. Dann nahm er sich doch
noch ein wenig Zeit, um dem netten Herrn mit dem Hut, der an diesem Nachmittag
die Aufsicht übernommen hatte, zu erklären, dass er mit den hier ausgestellten
Arbeiten nicht allzu viel anfangen könne – wohlgemerkt: ich stand noch immer an
der Glasskulptur -, er wäre ein Fan der Malerei aus dem 18. und 19.
Jahrhundert. „Porträtmaler. Das waren noch echte Künstler. Die haben Bilder gemalt
wie fotografiert.“ Was der Porträtfan und auch ich nicht wussten, war, dass der
freundliche Herr mit Hut, Brille und grauem Ziegenbart der Schöpfer des
blauen Kunstwerkes war, vor dem ich noch immer stand.
Serio Digitalino,
1956 in Matera (Basilicata) in Süditalien geboren und heute in Wolfersdorf
lebend, hörte dem kunstbeflissenen Herrn geduldig zu und sagte dann etwas von
Geschmack und Kunstepochen. Ich hatte längst meinen Fotoapparat aus der Tasche
genommen und war langsam in die Tiefe des Ausstellungsraums gegangen. An dessen
Ende waren weitere Arbeiten von Serio
Digitalino ausgestellt. Ich hatte gefragt, ob ich fotografieren dürfe und
eine freundliches „Ja, natürlich“ erhalten. Als ich dann mein Intermezzo mit
der Ingolstädter Kunstszene beenden wollte, hatte sich eine Kollegin zu Serio Digitalino gesellt, und der
wollte dann plötzlich von mir wissen, was ich mit den Fotos, die ich gemacht
hatte, vorhabe. Wir leben in einer Zeit des allgegenwärtigen tiefen Misstrauens.
Ich wäre Blogger, sagte ich ihm, und würde diese Bilder erst mal speichern und
irgendwann, vielleicht nach Jahren, als Bebilderung meiner Startseite (Mit dem Fotoapparat unterwegs) benutzen.
Wo man den Blog sehen könne, setzte er nach, höflich aber bestimmt. Diese Information
gab ich ihm gerne. Er zog sein Handy, googelte meinen Blog und versicherte mir,
er werde zu Hause auf dem größeren Computerbildschirm noch einmal nachschauen.
Acrylglas von Serio Digitalino
Foto: Anton Potche
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Ich hoffe doch sehr, das war nicht als Drohung gemeint. Mit
dieser Zuversicht habe ich mich entschlossen, diese Begegnung mit der
Kunst Serio Digitalinos und seiner Kolleginnen
und Kollegen auch in Worte zu fassen. Und natürlich soll dabei ein virtueller Besuch
bei dem höflichen Künstler Serio
Digitalino nicht versäumt werden. Er wird sich bestimmt über jeden seiner der
Kunst zugetanen und (wie im Gespräch mit dem Porträtbewunderer gesehen)
kunstbeflissenen Besucher freuen. Seine Kunst ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Die Gemeinschaftsausstellung in der Ingolstädter
Harderbastei ist noch bis zum 9. Oktober 2016 zu sehen. Für Samstag, 8. Oktober,
19:00 Uhr ist eine Finissage vorgesehen.
Anton Potche
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