Schautafeln mit Bildern, Zitaten und kurzen Informationen
rufen den Besuchern eine Zeit ins Gedächtnis, von der man sich wünscht, es
hätte sie nie gegeben, und die man schon darum nie vergessen soll, damit sie
sich nie wiederholen wird. Wie wir heute wissen, ist das leider nur ein frommer
Wunsch.
Das Ausmaß eines Genozids kann nie in seiner gesamten
Tragweite erfasst werden, besteht es doch aus unzähligen Einzelschicksalen, die
nur stichwortartig zu einem Gesamtbild beitragen können. So geht es auch dieser
Ausstellung. Aber es reicht aus, um diesen Museumssaal in Gedanken versunken zu
verlassen und nach wenigen Schritten auf dem Ingolstädter Paradeplatz, umgeben
von weihnachtlich gestimmten Menschen in glanzvollem Budenzauber, seinem
eigenen Schicksal demütig zu danken, im Hier und Jetzt leben zu dürfen.
Die Stichworte (Tafelüberschriften) dieser Ausstellung habe
ich mir in einen Notizblock notiert: 1.) „Rassendiagnose: Zigeuner“ – Der
nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma und der lange Kampf um
Anerkennung, 2.) Populäre „Zigeuner“-Bilder [unter der Überschrift Schöne Zigeunerin wird eine rumänische
Postkarte vom Anfang des 20. Jh. und eine Fotoreproduktion des Gemäldes Drei Zigeuner von Alois Friedrich Schönn (1826 – 1897) nach dem bekannten Gedicht
Nikolaus Lenaus (1802 – 1850) Die drei
Zigeuner gezeigt], 3.) Gesellschaftliche Teilhabe [man sieht Bilder von
Sinti und Roma aus der Arbeitswelt und der Kultur wie etwa den Moskauer
Roma-Chor vom Ende des 19. Jh.], 4.) Ein gegen „Zigeuner“ gerichtetes
Sonderrecht [Schon im Kaiserreich und in der Weimarer Republik gab es in
Deutschland Sonderrechte gegen die „Zigeuner“.], 5.) Selbstbehauptung [gezeigt
werden Bilder von in der Wirtschaft und
im Militär gut integrierter Sinti & Roma.], 6.) Der Völkermord an Sinti und
Roma im nationalsozialistisch besetzten Europa [Schätzungsweise kamen 500.000
Menschen dieser Volksgruppe ums Leben.],
7.) Rassenideologie als Staatsdoktrin 8.) Totale Erfassung: die „Rassenhygienische
Forschungsstelle“, 9.) Kommunale Zwangslager für Sinti und Roma [In Berlin-Marzahn
gab es ein solches Lager.], 10.) Formen der Ausgrenzung [In Minden hat ein
Schild aus dem Jahre 1943 mit der Inschrift „Zigeunern und Zigeunermischlingen ist
das Betreten des Spielplatzes verboten.“ die Zeit überdauert], 11.) Ausschluss
aus dem Arbeitsleben, 12.) Ausschluss aus den Schulen, 13.) Ausschluss aus der
Wehrmacht, 14.) Einweisung in die Konzentrationslager [ab 1938/1939 in
Buchenwald, Sachsenhausen, Mauthausen, Ravensbrück, Dachau], 15.) Österreich,
16.) Die Organisation der Vernichtung: das „Reichssicherheitshauptamt“, 17.)
Die ersten Deportationen in das besetzte Polen [Am 21. September 1939 fand
unter Heydrichs Leitung eine
SS-Konferenz statt, auf der die Deportation von 30.000 „Zigeunern“ aus dem
Reich nach Polen beschlossen wurde. Was dann auch geschah.] 18.) Sinti und Roma
in den Gettos und Zwangsarbeitslagern,
Fotos: Anton Potche |
19.) Die europäische Dimension des Völkermords an den Sinti
und Roma, 20.) Tschechoslowakei, 21.) Polen, 22.) Frankreich und Belgien, 23.)
Niederlande, 24.) Serbien, 25.) Italien, 26.) Kroatien, 27.) Rumänien [Antonescu
bei Hitler], 28.) Sowjetunion [Sinti und Roma
in Ostrow organisierten eine Widerstandsgruppe gegen die deutsche
Besatzungsmacht.] 28.) Ungarn, 30.) Sinti und Roma im Vernichtungslager
Auschwitz-Birkenau, 31.) Der Deportationsbefehl Himmlers vom 16. Dezember 1942 [betraf 23.000 Sinti und Roma], 32.) Verweigerte Hilfe: Die Rolle der katholischen Bischöfe [Die geistlichen Herren
spielten eine höchst unrühmliche Rolle.], 33.) Der Lagerabschnitt BIIe in
Auschwitz-Birkenau: das „Zigeunerlager“ [In diesem Lagerabschnitt waren 23.000
Menschen interniert. 90 Prozent von ihnen sind dort gestorben.], 34.) Mengeles
Menschenversuche in Auschwitz-Birkenau [mit einem Foto, das man nicht
verdrängen kann - grauenvoll], 35.) Der Widerstand am 16. Mai 1944 und die
„Liquidierung“ des „Zigeunerlagers“ am 2./3. August 1944 [Der Widerstand der
Insassen endete mit ihrer Vergasung.], 36.) Der Weg bis zur Befreiung
[Todesmärsche im Frühjahr 1945], 37.) Schwieriger Neubeginn, 38.) Die
Deutungsmacht der Täter [Ehemalige SS-Schergen waren nach dem Krieg in bundesdeutschen
Polizeiämtern tätig. Sie rechtfertigten ihre verbrecherischen Taten mit dem
sperrigen Begriff „Kriminalprävention“.], 39.) Verweigerte Entschädigung und
verspätete Aufarbeitung, 40.) Aus dem Schatten heraustreten: Die
Bürgerrechtsbewegung deutscher Sinti und Roma [Diese Bewegung gibt es seit Ende
der 1970er Jahre.] 41.) Der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma [gegründet
1982], 42.) Kein Aufbruch nach 1989: Roma als Opfer gesellschaftlicher Ausgrenzung
und rassistischer Gewalt [Das ist vorwiegend eine Problematik des früheren
Ostblocks.], 43.) Antiziganismus auf dem Vormarsch [Mit 10 bis 12 Millionen
Menschen bilden die Sinti und Roma die größte Minderheit Europas.], 44.)
Zwanzig Jahre Kampf um ein würdiges Erinnern: Das nationale Denkmal für die
ermordeten Sinti und Roma [befindet sich seit dem 24. Oktober 2012 in Berlin
zwischen dem Brandenburger Tor und dem Reichstagsgebäude. Es ist ein Werk des
Künstlers Dani Karavan (*1930)].
Die Ausstellung kann bis zum 7.
Januar 2018 besichtigt werden.
Öffnungszeiten –
Di – Fr: 9:00 – 17:30 Uhr
Sa/So/Feiertage: 10:00 – 17:30 Uhr
24., 25. und 31. Dezember
geschlossen
Der Eintritt in die
Sonderausstellung ist frei.
Anton Potche
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