Montag, 19. Mai 2025

Die Rumänen haben ihren Staatspräsidenten gewählt

Und sie haben gut gewählt, würde ich sagen. Und das, obwohl ich nur ein Zuschauer aus der Ferne war. Der Wahltag fiel zwar auf Sonntag, den 18. Mai 2025, aber gewählt wurde in der viel zitierten Diaspora der Millionen Rumänen schon ab Donnerstag, dem 15. Mai. Die Rumänen in Neuseeland waren die ersten, die zur Urne schritten – während in Rumänien der Stichwahlkampf noch tobte. Aber auch die anderen Auslandsrumänen konnten schon ab Freitag in den für sie in vielen Ländern Europas eingerichteten Wahllokalen wählen. Rumänische Fernsehsender meldeten schon am Freitagabend 224.000 Wähler in der Diaspora, die meisten in England und Deutschland. Am Samstag um 11 Uhr MEZ meldete România TV 300.000 rumänische Wähler im Ausland, angeblich viel mehr als im ersten Wahlgang vor zwei Wochen. Um 16:00 Uhr hieß es bereits 519.433 Wähler. Gebracht hat eine hohe Wahlbeteiligung in der Diaspora beim ersten Wahlgang den Proeuropäern aber bekanntlich nicht viel.

Der rechtsradikale Kandidat George Simion reiste in der entscheidenden Wahlkampfwoche durch halb Europa. Er schien die von ihm überraschend zahlreich erworbenen Diasporastimmen aus dem ersten Wahlgang noch mehren zu wollen, während er sich seines Wahlpotentials im Inland sicher wähnte. Sein europafreundlicher Widersacher Nicușor Dan blieb im Land und warb um die Stimmen seiner zu Hause gebliebenen Landsleute. Von zehn angesetzten Fernsehgesprächen der Kandidaten hat George Simion nur zwei bestritten. Eine deutlichere Ignoranz der Bürgerschaft kann es wohl kaum geben. In seinen seltenen Auftritten hat Simion in den letzten Tagen vor der Wahl den Rumänen noch dazu die freudige Botschaft übermittelt, dass er als Präsident den wie ein Guru auftretenden Călin Georgescu zum eventuellen Premierminister ernennen wird. Was kann man dazu mehr als „armes Rumänien“ sagen. Das gilt sogar im wahren Sinn des Wortes, sieht man sich nur den seit Tagen anhaltenden Sturz der rumänischen Währung an.

Am Sonntag, dem Wahltag in Rumänien, hatten um die Mittagszeit 25,43 %, ca. 5 Millionen, der Wahlberechtigten ihre Stimme in der Heimat abgegeben. Um diese Zeit lag die Wählerzahl in der Diaspora bei 917.000. In der Republik Moldau waren es allein knapp über 100.000 abgegebene Stimmen. Um 16 Uhr meldete DIGI24 neun Millionen Wähler und in Bukarest bildeten sich vor einigen Wahllokalen noch immer Schlangen.

Um 20 Uhr rumänische Zeit war es so weit: 50 : 50 – bei einer Wahlbeteiligung von ca. 60 Prozent. Alles beim Sender România TV. Bis zu diesem Moment war noch kein Inhalt einer Wahlurne ausgezählt. Die Spannung stieg und stieg. Bei DIGI24 sah das alles ganz anders aus: 45,9% Simion zu 54,9% Dan. Schließlich wähnt sich DIGI24 als best informierter Sender Rumäniens. Natürlich wusste keiner Bescheid. Und das galt für die gesamte in- und ausländische Medienwelt. Also hieß es warten, vielleicht bis morgen Früh … oder genauer, bis heute Morgen.

Und das ist das Endergebnis: Nicușor Dan – 53,6 % , George Simion – 46,4 % (19. Mai 2025, 8:00 Uhr MEZ). Der Oberbürgermeister von Bukarest ist Präsident Rumäniens. Die Laufzeit seines Mandats beträgt fünf Jahre. Viele Demokraten in Europa atmen auf: Ein Rechtsruck konnte in Rumänien vereitelt werden. Kein Simion und vor allem kein Sektierer à la Georgescu kann momentan die Macht in Rumänien ergreifen. Was die Zukunft dann bringt, muss man abwarten. Das Parteienspektrum in Rumänien deutet auf eine weiterhin spannende politische Zeit hin.
Anton Potche

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