Und sie haben gut gewählt, würde
ich sagen. Und das, obwohl ich nur ein Zuschauer aus der Ferne war.
Der Wahltag fiel zwar auf Sonntag, den 18. Mai 2025, aber gewählt
wurde in der viel zitierten Diaspora der Millionen Rumänen schon ab
Donnerstag, dem 15. Mai. Die Rumänen in Neuseeland waren die ersten,
die zur Urne schritten – während in Rumänien der Stichwahlkampf
noch tobte. Aber auch die anderen Auslandsrumänen konnten schon ab
Freitag in den für sie in vielen Ländern Europas eingerichteten
Wahllokalen wählen. Rumänische Fernsehsender meldeten schon am
Freitagabend 224.000 Wähler in der Diaspora, die meisten in England
und Deutschland. Am Samstag um 11 Uhr MEZ meldete România
TV 300.000 rumänische Wähler
im Ausland, angeblich viel mehr als im ersten Wahlgang vor zwei
Wochen. Um 16:00 Uhr hieß es bereits 519.433 Wähler.
Gebracht hat eine hohe Wahlbeteiligung in der Diaspora beim ersten
Wahlgang den Proeuropäern aber bekanntlich nicht viel.
Der rechtsradikale Kandidat George
Simion reiste in der entscheidenden Wahlkampfwoche durch halb
Europa. Er schien die von ihm überraschend zahlreich erworbenen
Diasporastimmen aus dem ersten Wahlgang noch mehren zu wollen,
während er sich seines Wahlpotentials im Inland sicher wähnte. Sein
europafreundlicher Widersacher Nicușor
Dan blieb im Land und warb um
die Stimmen seiner zu Hause gebliebenen Landsleute. Von zehn
angesetzten Fernsehgesprächen der Kandidaten hat George Simion
nur zwei bestritten. Eine deutlichere Ignoranz der Bürgerschaft kann
es wohl kaum geben. In seinen seltenen Auftritten hat Simion
in den letzten Tagen vor der Wahl den Rumänen noch dazu die freudige
Botschaft übermittelt, dass er als Präsident den wie ein Guru
auftretenden Călin Georgescu
zum eventuellen Premierminister ernennen wird. Was kann man dazu
mehr als „armes Rumänien“ sagen. Das gilt sogar im wahren Sinn
des Wortes, sieht man sich nur den seit Tagen anhaltenden Sturz der
rumänischen Währung an.
Am Sonntag, dem Wahltag in Rumänien,
hatten um die Mittagszeit 25,43 %, ca. 5 Millionen, der
Wahlberechtigten ihre Stimme in der Heimat abgegeben. Um diese Zeit
lag die Wählerzahl in der Diaspora bei 917.000. In der Republik
Moldau waren es allein knapp über 100.000 abgegebene Stimmen. Um 16
Uhr meldete DIGI24 neun Millionen Wähler und in Bukarest bildeten
sich vor einigen Wahllokalen noch immer Schlangen.
Um 20 Uhr rumänische Zeit war es so
weit: 50 : 50 – bei einer Wahlbeteiligung von ca. 60 Prozent. Alles
beim Sender România TV. Bis zu
diesem Moment war noch kein Inhalt einer Wahlurne ausgezählt.
Die Spannung stieg und stieg. Bei DIGI24 sah das alles ganz anders
aus: 45,9% Simion zu 54,9% Dan. Schließlich wähnt
sich DIGI24 als best informierter Sender Rumäniens. Natürlich
wusste keiner Bescheid. Und das galt für die gesamte in- und
ausländische Medienwelt. Also hieß es warten, vielleicht bis morgen
Früh … oder genauer, bis heute Morgen.
Und das ist das Endergebnis: Nicușor
Dan – 53,6 % , George Simion –
46,4 % (19. Mai 2025, 8:00 Uhr MEZ). Der Oberbürgermeister
von Bukarest ist Präsident Rumäniens. Die Laufzeit seines Mandats
beträgt fünf Jahre. Viele Demokraten in Europa atmen auf: Ein
Rechtsruck konnte in Rumänien vereitelt werden. Kein Simion
und vor allem kein Sektierer à la Georgescu kann momentan die
Macht in Rumänien ergreifen. Was die Zukunft dann bringt, muss man
abwarten. Das Parteienspektrum in Rumänien deutet auf eine weiterhin
spannende politische Zeit hin.
Anton Potche
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