Wie schnell
aus einer landesweit aktiven Landwirtschaftsorganisation, man nannte
sie damals Kammer, ein Politikum wird, konnte man aus Artikeln in der
BANATER DEUTSCHEN ZEITUNG erfahren. Landwirtschaft und Politik
gehören besonders in einem Agrarstaat, wie Rumänien vor 100 Jahren
einer war, zusammen.
Am
22.
August erschien in der BDZ ein Aufruf zu den
Landwirtschaftskammerwahlen. Sie waren anberaumt für den 25. August
im Konzertsaal der städtischen Musikschule. „Nachmittag von 1 bis
6 Uhr waren [neben anderen Ortschaften] Csernegyhaza und Jahrmarkt
programmiert. Die Wahlberechtigten mussten
nach „Feststellung der Identität“ ihre von der Gemeinde
ausgestellte Wahllegitimation vorlegen. Sollte jemandem seine
Wahllegitimation abhandengekommen sein, so konnte
er im Eilverfahren beim „zuständigen Gemeinderichteramte oder vom
Temesvarer
Bezirksgericht ein
Duplikat erhalten“. Weiter heißt es: „Die Gemeinderichter und
Notäre haben bei der Wahl anwesend zu sein, um eventuelle
Mißbrauchversuche zu verhindern und die Wähler zu legitimieren.“
Also ich würde sagen, ein ganz schöner Aufwand für eine
Bauernorganisation.
Vier
Tage später
konnte man in dieser
Zeitung einen ausführlichen Bericht zu den
Wahlen mit der Überschrift lesen: Die
Landwirtschaftskammerwahlen in Temesvar – Ruhiger Wahlvorgang –
Starke Beteiligung der Wähler – Mißbräuche in Rekasch – Die
Deutsch-Bentscheker Wähler dürfen nicht abstimmen.
Aus dem
Text konnte man dann schließen,
dass ein „ruhiger Wahlvorgang“ durchaus auch als „ziemlich
langsam“ verstanden werden kann. So gesehen „muß die Wahl
voraussichtlich um 2
Stunden verlängert werden
und die Abstimmung kann erst
abends 8 Uhr abgeschlossen werden.“ Auch
die Csernegyhazaer
und Jahrmarkter waren für den
Nachmittag vorgesehen. Und
die Bentscheker? Die sollten in Rekasch ihre Stimmen abgeben, wurden
aber von einem „Gendarmeriekordon“ daran gehindert. Wohlgemerkt:
nur die Deutsch-Bentscheker nicht auch die Rumänisch-Bentscheker.
Aus der Geschichte wurde ein politischer Skandal. Die
„Schwäbische
Volksgemeinschaft“ hat
sich eingeschaltet. Bis zum
Redaktionsschluss war noch nicht klar, ob die Deutsch-Bentscheker von
ihrem Wahlrecht Gebrauch machen konnten.
Am
Folgetag hieß es dann in der
BANATER DEUTSCHEN ZEITUNG schwarz auf weiß:
„Die gestrigen
Landwirtschaftskammerwahlen endeten im Banate mit einer Niederlage
der liberalen Liste. Trotz allen Terrors, trotz aller Drohungen und
Versprechungen siegte die
vereinigte Liste des Schwäbischen Landwirtschaftsvereines und des
‚Sindicatul Agricol‘ mit einer mehr als doppelten Mehrheit. Dabei
ist zu erwähnen, daß im Zentralbezirke sechs von den besten unserer
Gemeinden (Sackelhausen, Jahrmarkt, Schag, Sanktandres,
Deutsch=Sankt=Michael und Kovatschi) infolge der vorgeschrittenen
Zeit überhaupt nicht mehr abstimmen konnten, da die Gemeinden
zufälligerweise
unter den letzten eingereiht
waren.“ Es
gab nur zwei Wahllisten: die Pflugliste (Schwäbische Landwirteverein
& Sindicatul
Agricol) und die Kreuzliste
(regierende Liberalen). Auch ohne die Stimmen der nicht zur Wahl
gelangten Gemeinden haben die „landwirtschaftlichen
Berufsorganisationen“ die Wahl für sich entschieden. Für
die Pflugliste haben 13.653 Personen gestimmt, während sich die
Liberalen auf der Kreuzliste mit 6.285 Stimmen zufrieden geben
mussten. Der ausführliche Beitrag in der BDZ zeigt eindeutig, dass
dieses Blatt eine oppositionelle Stimmungsmache gegen die in Bukarest
regierenden Liberalen fuhr, wenn es z.B. hieß: „Dieser
Wahlsieg hat in mehrfacher Beziehung große Bedeutung. Vor allem hat
unser Volk durch diese Wahl wieder einmal eine Feuerprobe seiner
Einmütigkeit und Diszipliniertheit erwiesen. Es hat den Beweis
wieder einmal dafür geliefert, daß es ein Einheitsvolk ist, als
solches fortleben und behandelt werden will.“ Im Sinne dieses
Banater Deutschtums klingt eigentlich auch der auf der gleichen Seite
dieser BDZ-Ausgabe erschienene Nekrolog, verfasst von Robert
Reiter zum Tode von Ioan
Slavici. Und
was die „Einmütigkeit
und Diszipliniertheit“ der
Banater Schwaben jener Zeit betrifft, … dazu kann man in
Geschichtsbüchern auch andere Meinungen lesen.
Am
28. August titelte dann die gleiche Zeitung: Voraussichtlicher
Sieg der Opposition bei den Landwirtschaftskammerwahlen – Die
endgültigen Ergebnisse in Temesch=Torontal – Teilergebnisse aus
dem ganzen Lande. Und da erfährt
man wieder, „dass in unserem Komitate [...] Gemeinden infolge
Zeitmangel nicht mehr zur Abstimmung zugelassen werden konnten.“
Dazu gehörte aus dem Zentralbezirk auch Jahrmarkt.
Am
29. September 2025 hat die Erste Jahrmarkter Sparkasse
Akt.-Ges. ihre Aktionäre zu
einer ausserord. Generalversammlung für
den 18. Oktober 1925, nachmittags 3 Uhr in die
Institutslokalitäten höflichst eingeladen.
Inseriert wurde folgende Tagesordnung: 1.)
Wahl eines Präses ad hoc, 2.) Eröffnung der Generalversammlung
durch den Präses, 3.) Wahl des Schriftführers, 4.) Abänderung der
Statuten (§§ 17, 21).
Im
Herbst waren Landwirtschaft und Politik dann in einigen Artikeln der
BDZ schön säuberlich getrennt und man konnte am 6. Oktober auf
Seite 6 lesen:
Volkswirtschaft – Prämiierungen in der
Landesviehausstellung. Die
Auszeichnungen wurden in fünf Gruppen (mit verschiedenen
Untergruppen) vergeben: Pferdegruppe, Rindergruppe, Schafgruppe,
Schweinegruppe und Kleintierzuchtgruppe. Auch
zwei Jahrmarkter wurden ausgezeichnet: In der Kategorie Zuchtstuten
ohne Fohlen hat Anton
Loris eine Bronzemedaille
bekommen und in der Schafgruppe konnte
Baron Ambrozy
sich über eine Silbermedaille freuen.
Um
Politik ging es zum Jahresausgang, und zwar um Volkstumspolitik. Die
BDZ vom 16. Dezember 1925 berichtete vom Besuch einiger Mitglieder
des Deutsch-Schwäbischen Volksrates in Jahrmarkt und Bruckenau. In
beiden Ortschaften standen Wahlen auf der Tagesordnung der jeweiligen
Volksgemeinschaften. Zu Jahrmarkt hieß es: „In Jahrmarkt wurde an
Stelle des bisherigen Ortsobmannes Schuldirektor Andreas
Willwerth, der mit viel
Umsicht und Arbeitsfreudigkeit das schwierige Amt des Ortsobmannes
drei Jahre hindurch führte, von der Volksversammlung einstimmig und
mit Begeisterung der beliebte Ortsgeistliche, Konsistorialrat
Nikolaus Anton
erwählt.“
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