Montag, 15. September 2025

Jahrmarkt vor 100 Jahren – 3

 
Wie schnell aus einer landesweit aktiven Landwirtschaftsorganisation, man nannte sie damals Kammer, ein Politikum wird, konnte man aus Artikeln in der BANATER DEUTSCHEN ZEITUNG erfahren. Landwirtschaft und Politik gehören besonders in einem Agrarstaat, wie Rumänien vor 100 Jahren einer war, zusammen.

Am 22. August erschien in der BDZ ein Aufruf zu den Landwirtschaftskammerwahlen. Sie waren anberaumt für den 25. August im Konzertsaal der städtischen Musikschule. „Nachmittag von 1 bis 6 Uhr waren [neben anderen Ortschaften] Csernegyhaza und Jahrmarkt programmiert. Die Wahlberechtigten mussten nach „Feststellung der Identität“ ihre von der Gemeinde ausgestellte Wahllegitimation vorlegen. Sollte jemandem seine Wahllegitimation abhandengekommen sein, so konnte er im Eilverfahren beim „zuständigen Gemeinderichteramte oder vom Temesvarer Bezirksgericht ein Duplikat erhalten“. Weiter heißt es: „Die Gemeinderichter und Notäre haben bei der Wahl anwesend zu sein, um eventuelle Mißbrauchversuche zu verhindern und die Wähler zu legitimieren.“ Also ich würde sagen, ein ganz schöner Aufwand für eine Bauernorganisation. 

Vier Tage später konnte man in dieser Zeitung einen ausführlichen Bericht zu den Wahlen mit der Überschrift lesen: Die Landwirtschaftskammerwahlen in Temesvar – Ruhiger Wahlvorgang – Starke Beteiligung der Wähler – Mißbräuche in Rekasch – Die Deutsch-Bentscheker Wähler dürfen nicht abstimmen. Aus dem Text konnte man dann schließen, dass ein „ruhiger Wahlvorgang“ durchaus auch als „ziemlich langsam“ verstanden werden kann. So gesehen „muß die Wahl voraussichtlich um 2 Stunden verlängert werden und die Abstimmung kann erst abends 8 Uhr abgeschlossen werden.“ Auch die Csernegyhazaer und Jahrmarkter waren für den Nachmittag vorgesehen. Und die Bentscheker? Die sollten in Rekasch ihre Stimmen abgeben, wurden aber von einem „Gendarmeriekordon“ daran gehindert. Wohlgemerkt: nur die Deutsch-Bentscheker nicht auch die Rumänisch-Bentscheker. Aus der Geschichte wurde ein politischer Skandal. Die „Schwäbische Volksgemeinschaft“ hat sich eingeschaltet. Bis zum Redaktionsschluss war noch nicht klar, ob die Deutsch-Bentscheker von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen konnten. 

Am Folgetag hieß es dann in der BANATER DEUTSCHEN ZEITUNG schwarz auf weiß: „Die gestrigen Landwirtschaftskammerwahlen endeten im Banate mit einer Niederlage der liberalen Liste. Trotz allen Terrors, trotz aller Drohungen und Versprechungen siegte die vereinigte Liste des Schwäbischen Landwirtschaftsvereines und des ‚Sindicatul Agricol‘ mit einer mehr als doppelten Mehrheit. Dabei ist zu erwähnen, daß im Zentralbezirke sechs von den besten unserer Gemeinden (Sackelhausen, Jahrmarkt, Schag, Sanktandres, Deutsch=Sankt=Michael und Kovatschi) infolge der vorgeschrittenen Zeit überhaupt nicht mehr abstimmen konnten, da die Gemeinden zufälligerweise unter den letzten eingereiht waren.“ Es gab nur zwei Wahllisten: die Pflugliste (Schwäbische Landwirteverein & Sindicatul Agricol) und die Kreuzliste (regierende Liberalen). Auch ohne die Stimmen der nicht zur Wahl gelangten Gemeinden haben die „landwirtschaftlichen Berufsorganisationen“ die Wahl für sich entschieden. Für die Pflugliste haben 13.653 Personen gestimmt, während sich die Liberalen auf der Kreuzliste mit 6.285 Stimmen zufrieden geben mussten. Der ausführliche Beitrag in der BDZ zeigt eindeutig, dass dieses Blatt eine oppositionelle Stimmungsmache gegen die in Bukarest regierenden Liberalen fuhr, wenn es z.B. hieß: „Dieser Wahlsieg hat in mehrfacher Beziehung große Bedeutung. Vor allem hat unser Volk durch diese Wahl wieder einmal eine Feuerprobe seiner Einmütigkeit und Diszipliniertheit erwiesen. Es hat den Beweis wieder einmal dafür geliefert, daß es ein Einheitsvolk ist, als solches fortleben und behandelt werden will.“ Im Sinne dieses Banater Deutschtums klingt eigentlich auch der auf der gleichen Seite dieser BDZ-Ausgabe erschienene Nekrolog, verfasst von Robert Reiter zum Tode von Ioan Slavici. Und was die Einmütigkeit und Diszipliniertheit“ der Banater Schwaben jener Zeit betrifft, … dazu kann man in Geschichtsbüchern auch andere Meinungen lesen. 

Am 28. August titelte dann die gleiche Zeitung: Voraussichtlicher Sieg der Opposition bei den Landwirtschaftskammerwahlen – Die endgültigen Ergebnisse in Temesch=Torontal – Teilergebnisse aus dem ganzen Lande. Und da erfährt man wieder, „dass in unserem Komitate [...] Gemeinden infolge Zeitmangel nicht mehr zur Abstimmung zugelassen werden konnten.“ Dazu gehörte aus dem Zentralbezirk auch Jahrmarkt.

Am 29. September 2025 hat die Erste Jahrmarkter Sparkasse Akt.-Ges. ihre Aktionäre zu einer ausserord. Generalversammlung für den 18. Oktober 1925, nachmittags 3 Uhr in die Institutslokalitäten höflichst eingeladen. Inseriert wurde folgende Tagesordnung: 1.) Wahl eines Präses ad hoc, 2.) Eröffnung der Generalversammlung durch den Präses, 3.) Wahl des Schriftführers, 4.) Abänderung der Statuten (§§ 17, 21).

Im Herbst waren Landwirtschaft und Politik dann in einigen Artikeln der BDZ schön säuberlich getrennt und man konnte am 6. Oktober auf Seite 6 lesen: Volkswirtschaft – Prämiierungen in der Landesviehausstellung. Die Auszeichnungen wurden in fünf Gruppen (mit verschiedenen Untergruppen) vergeben: Pferdegruppe, Rindergruppe, Schafgruppe, Schweinegruppe und Kleintierzuchtgruppe. Auch zwei Jahrmarkter wurden ausgezeichnet: In der Kategorie Zuchtstuten ohne Fohlen hat Anton Loris eine Bronzemedaille bekommen und in der Schafgruppe konnte Baron Ambrozy sich über eine Silbermedaille freuen. 

Um Politik ging es zum Jahresausgang, und zwar um Volkstumspolitik. Die BDZ vom 16. Dezember 1925 berichtete vom Besuch einiger Mitglieder des Deutsch-Schwäbischen Volksrates in Jahrmarkt und Bruckenau. In beiden Ortschaften standen Wahlen auf der Tagesordnung der jeweiligen Volksgemeinschaften. Zu Jahrmarkt hieß es: „In Jahrmarkt wurde an Stelle des bisherigen Ortsobmannes Schuldirektor Andreas Willwerth, der mit viel Umsicht und Arbeitsfreudigkeit das schwierige Amt des Ortsobmannes drei Jahre hindurch führte, von der Volksversammlung einstimmig und mit Begeisterung der beliebte Ortsgeistliche, Konsistorialrat Nikolaus Anton erwählt.“


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