Johann Probst: Meine
Geschichte über die Verschleppung der Rumäniendeutschen nach Russland im 2.
Weltkrieg – Als Siebzehnjähriger nach Russland verschleppt – Erinnerungen;
Eigenverlag, Crailsheim, 2009; Broschüre DIN A4, 57 Seiten.
Bei
Manfred Brauneck, dem Herausgeber
eines Autorenlexikons, habe ich mal gelesen, dass sich „verallgemeinerbare Kriterien“
für die Aufnahme in ein Lexikon „nicht aufstellen lassen, dass sich auch ein
einheitlicher Maßstab in der ästhetischen Bewertung nicht durchhalten lässt, zu
sehr sind die einzelnen Literaturbereiche (große epische Formen,
Reportageliteratur, experimentelle Genres, populäre Unterhaltungsliteratur
etc.) einer Eigengesetzlichkeit unterworfen.“
Seit dem Fall des Eisernen Vorhangs gibt es in Ost- und Südosteuropa auch viele Historiker, die dieses Thema der Deportation und Straflager im sowjetischen Einflussbereich aufgegriffen haben. Aber es gibt auch die Kategorie der handschriftlich verfassten, in Schubladen schlummernden und in den letzten Jahren dank neuer Techniken in gedruckte Broschüren fließenden Erinnerungen. Hier kann man auch die DIN-A4-Fassung des in Crailsheim lebenden Johann Probst einordnen. Was dem Leser darin zugemutet wird, entspringt einem nie überwundenen Trauma: Deportation, Lagerleben, Flucht und Heimkehr als Menschenwrack. Die Broschüre ist eine Aneinanderreihung von sich immer wieder verlierenden und wiederfindenden Erzählfäden. Als hätte eine unsichtbare Schere die Erinnerungen des Autors in kleine Stücke zerschnitten, die lose herumfliegen und immer wieder in der Sprache einen Halt suchen. Diese Sprache ist so einfach, wie man sie sich nur vorstellen kann. Man hat den Eindruck, Gefühlskonvulsionen zu erleben, die einen zügigen Erzählfluss im Keim ersticken. Rumänische Nachrichtensprecher warnen oft in ihren Sendungen vor „fapte care vă pot afecta emotional“, also vor affektbetonten Handlungen. Genau solche Bilder transportiert diese inkohärente Sprache.
Dabei
enthalten die Texte von Johann Probst auch eine interessante Insiderkomponente. Landsleute, oft
Freunde oder auch Feinde aus der Freiheit, sind von heute auf morgen
Leidensgenossen. Das führt zu Opfertaten, aber auch zu Schandtaten. Solche
leben auch in den Erinnerungen des Autors weiter. Sie sind unauslöschlich, drängen immer wieder an die
Oberfläche. Und sie sind mit Namen verbunden. Johann Probst nennt sie, die guten, die hilfsbereiten, die
altruistischen, aber auch die bösen, „die mächtigen Männer“. Diese Landsleute
hatten „alle Rechte und konnten machen, was sie wollten und was ihnen gefallen
hat – alles Mögliche und Unmögliche“.
Den
Weg vom per Handschrift verfassten Manuskript zur gedruckten Broschüre hat
Pastoralreferent Raimund Probst, ein
Enkel des Autors, freigelegt. Es ist zweifellos sein Verdienst, so wenig wie
möglich in die Satzgestaltung der Urfassung eingegriffen und sich wahrscheinlich auf grammatikalische
Korrekturen beschränkt zu haben. Dadurch ist die emotionale Komponente dieser
Erinnerungsschrift erhalten geblieben.
Anton Potche
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