Montag, 13. Mai 2019

Krieg, Liebe, Fußball

Manchmal ist es ja doch gut, wenn ein Filmabspann lange dauert. Die Zeit reicht immerhin zum Trocknen der feuchten Augen oder sogar der Tränen. Obzwar es bei diesem Film ein eher versöhnliches Ende gab, hätte man bei der letzten Sequenz das Fallen einer Nadel hören können. Und glaubt mir, ich war dieses Mal nicht allein im Saal.

Was die Zuschauer in den zwei Stunden geboten bekommen, ist eine hochemotionale Geschichte von Krieg, Liebe und Fußball. Vor allem Fußball. Marcus H. Rosenmüllers Filmepos ist ein Hohelied auf diese Sportart. Das ist aber beileibe nicht der Fußball, wie wir ihn heute als Profigeschäft mit unzähligen Millionären vor und hinter den Kulissen kennen, sondern das reine Spiel mit dem runden Leder, wie es noch in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts gespielt, ja, gelebt wurde. Und das ganz besonders im Mutterland des Fußballs: England.

Dorthin hat der Krieg auch Bernd Trautmann, genannt Bert, verschlagen. Als seine deutschen Kammeraden aus der Kriegsgefangenschaft entlassen wurden, ist Trautmann geblieben und hat eine beeindruckende Torwartkarriere bei Manchester City hingelegt.

Marcus H. Rosenmüller sagte in einem Interview mit dem DONAUKURIER zu dem Thema seines Films: „Ich konnte gar nicht glauben, welch großartigen Filmstoff, der weit über eine Sportlergeschichte geht, ich da in den Händen hielt.“ Wahrlich. Das ist bei weitem mehr als eine Sportlerbiographie, was der Regisseur hier auf die Leinwand gebracht hat. Es gibt in dem Film viele dramatische Szenen mit zum Teil existenziellem Tiefgang. Es geht um Leben und Tod, um Schuld und Sühne, um Liebe und Gesellschaftszwänge, und die versöhnende Macht des Fußballs.

Es ist nicht einfach, ein Drehbuch für einen Tatsachenfilm so zu drehen, damit am Ende kein Dokumentarstreifen herauskommt. Rosenmüller wurde bei dieser diffizilen Arbeit von Robert Marciniak und Nicholas J. Schofield unterstützt. Dem Trio sind wunderbare Dialoge gelungen, ohne die dramatischen Momente des Films ins Kitschige abrutschen zu lassen. Gleichzeitig hat der Regisseur die fiktiven Elemente sehr glaubhaft eingesetzt und sich mit dem Tanz des Torwarts sogar einen wunderbaren poetischen Einschub erlaubt. Mich hat das an Ritterturniere im Mittelalter erinnert.

Und dann ist da noch die traumatische Aufarbeitung des Krieges. Das sind eigentlich die großen Chancen für Charakterschauspieler. David Kross (*1990) gehört zu dieser Art Schauspieler, die ohne große Gestik die tiefenpsychologischen Vorgänge im Innern eines Menschen sichtbar machen können. Marcus H. Rosenmüller konfrontiert uns mit einem Bernd Trautmann (1923 – 2013), der so gar nicht in das Bild der heutigen Fußballstars passen will. Wieviel bei diesen dramatischen Szenen Realität und wieviel Fiktion ist, wird das Geheimnis des Regisseurs und der Drehbuchschreiber bleiben. Aber vor allem sie sind es, die den Film von der Schiene des rein biographischen Erzählens in die Sphären des Schicksalhaften heben. Da mag dann die eine oder andere Träne schon erlaubt sein. Man lebt halt mit und ist in diesen Momenten in einer anderen Welt, nämlich die des Films.

Auch die anderen Besetzungen des Streifens kann man als gelungen bezeichnen. Margaret, Trautmanns Frau, wird souverän von Freya Mavor dargestellt. Und Jack, Margarets Vater und Coach des Provinzclubs St Helens Town ASC, verkörpert den fußballverrückten Leidenden am Feldrand, wie es ihn weltweit in millionenfachen  Ausführungen gibt. Er wird in sympathischer Form von John Henshaw gespielt.

Fußballliebhaber sollten sich diesen Film nicht entgehen lassen, auch wenn es in den Medien kritische Stimmen gibt, die den einen oder anderen realen Aspekt aus der Biographie des Bremers Bernd Trautmann in dem Film vermissen. Ich zumindest bin nicht ins Kino gegangen, um mir eine geschichtlich und biographisch genau recherchierte Dokumentation anzusehen, sondern einen auf (einigen) Tatsachen beruhenden Spielfilm. Und ich habe es nicht bereut.

Anton Potche

Trautmann; D; Regie: Markus H. Rosenmüller; Darsteller: David Kross, Freya Mavor, Gary Lewis, John Henshaw, Dervla Kirwan, Harry Melling, Mikey Collins u.a.; Spieldauer: 120 Minuten

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