Endlich kann man mal durchschnaufen in diesem sommerlichen und viel zu trockenen Maimonat. Dementsprechend gut schmeckt auch der Schwarze im Bahnhofscafé des bedauernswertesten Bahnhofs einer deutschen Großstadt.
- Waren die von Streetview jetzt schon da?
- Nein. Das ist eine Sauerei ohne Gleichen. Ich hab das ganze Haus gestrichen und das Hoftor erneuert und die kommen nicht. Diese Google-Knipser sind einfach eine unzuverlässige Bande.
- Vielleicht trauen die sich nicht, bei euch zu fotografieren.
- Wovor sollten sie sich fürchten?
- Na vor dem DONAUKURIER. Die von der Zeitung sind doch eine regelrechte Kampagne gegen die Amerikaner gefahren.
- Und was hab ich davon? Dass mein Freund in den Staaten mich dauernd mit unserem Verfolgungswahn hänselt?
- Na vielleicht wird es ja besser mit Streetside. Das macht jetzt Microsoft. Sind zwar auch nur Amerikaner, aber vielleicht doch zuverlässiger.
- Denkste! Schau mal her da. Damit macht der DONAUKURIER heute auf: „Der Widerstand wächst – Politiker und Datenschützer kritisieren Streetside“. Und die ganze dritte Seite haben sie mit ihrer Datenklauparanoia vollgeschrieben. Als würde dieses Land keine anderen Probleme haben.
- Aha! Die Herren verlangen ein neues Gesetz.
- Ich habe meinen Fotoapparat schon vergraben.
- ???
- Ja, wenn die mit ihrer Forderung durchkommen, werden bestimmt alle Fotogeräte beschlagnahmt oder zumindest meldepflichtig.
- Ich hab mal einen Artikel – oder Buch, ist ja Wurscht -von Herta Müller gelesen, da stand, dass in Rumänien alle Schreibmaschinen unter Ceauşescu registriert waren.
- Das kann da auch noch kommen.
- Aber die vom DONAUKURIER sagen doch, dass sie uns schützen wollen. Besser gesagt, unsere Daten.
- Vor wem? Vor Amazon? Was ist denn da so schlimm, wenn die meine literarischen und musikalischen Vorlieben kennen und mir dementsprechende Werbungen mailen? Das heißt noch lange nicht, dass die mich dann kennen.
- Und wenn schon? Ist der Peppi ein Nichts?
- Oder der Seppi?
- Hast du was zu verbergen?
- Nee! Darum gebe ich dem DONAUKURIER auch immer alle meine Daten, wenn ich ihm einen Leserbrief schicke. Sogar mein Konterfei würde ich ihnen mailen - wenn ich fotogen wäre.
- Du willst dieser Leserbriefbearbeiterin nur nicht den Tag verderben. Ich verstehe. Ja, das kann ich nachvollziehen. Aber wieso verlangen die Daten und vor allem welche Daten? Ich dachte, die wären gegen das Datensammeln.
- Schickst du ihnen per Internet einen Leserbrief, dann will der DONAUKURIER erst mal wissen, ob du Männlein oder Weiblein bist.
- Klar – Frau Seppi!
- Dann wollen sie deinen Vor- und Nachnamen.
- Logisch. „Wer seine Meinung öffentlich äußert, sollte zu ihr stehen. Wir drucken daher diese Zuschriften – von begründeten Ausnahmen abgesehen – nur mit vollem Namen des Einsenders ab. Anonyme Zuschriften werden nicht berücksichtigt. Leserbriefe geben nur die Meinung des Einsenders wieder. Die Redaktion behält sich bei Zuschriften die Auswahl und das Recht der sinnwahrenden Kürzung vor. - D. Red.“ So ähnliche Formulierungen findest du in jeder Zeitung.
- Ist ja okay! Dann wollen sie aber auch noch Straße, Hausnummer, Postleitzahl, Wohnort, Telefon und E-Mail.
- Mehr hat ein öffentliches Amt auch nicht von dir.
- Ist ja auch nicht schlimm. Das Ganze hat aber den Beigeschmack einer doppelten Moral, wenn es aus einem Haus kommt, das dauernd gegen Datenklau und unzureichenden Datenschutz wettert und alle möglichen Leute zu Wort kommen lässt, die sich auf diesem Gebiet unbedingt profilieren wollen.
- So ähnlich kann man das auch sehen. Diese orwellschen Bemühungen des DONAUKURIER nehmen langsam lächerliche Züge an.
- Aber sie scheinen zu fruchten. Google hat sich bis heute nicht getraut, bei uns zu fotografieren.
- Wenn jetzt auch Microsoft den Schwanz einzieht, bleiben wir vielleicht der einzige weiße Fleck auf der Erde.
- Auch nicht schlecht. Dann wird man erst recht auf uns aufmerksam werden. Das könnte Ingolstadt zur größten Touristenattraktion der Welt machen.
- Dank DONAUKURIER. Eine wahrlich lokalpatriotische Leistung. Hut ab! Das erwarte ich eigentlich auch von meiner Zeitung.
Die Sonne zeigt sich schon wieder. Das war eigentlich zu wenig Regen. Diese letzten Maitage werden wohl auch trocken bleiben. Laut DONAUKURIER zumindest. Das ist nicht so gut.
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