Und doch ist dieser Freitag anders. Zumindest der Vormittag. In Klagenfurt und 3sat gehen die 35. Tage der deutschsprachigen Literatur über die Bühne. Ich bin allein. Frau in der Arbeit. Tochter unterwegs. Enkelin zu Hause. Ich da - mit Staubsauger und Putzlappen.
Das musst du ausnutzen. Also um halb sechs aufstehen, damit ich um 10 Uhr aufnahmebereit bin für die Lesungen an diesem Freitagvormittag. Geschafft. Es geht los, mit dem in Berlin lebenden schweizer Schriftsteller Linus Reichlin. Ein Schuss fällt. In Afghanistan. Eine Frau wird getroffen. Geschossen hat ein Arzt. Da liegt eine Sandale im Sand. Du kannst auch mit geschlossenen Augen zuhören, denke ich und habe sofort verloren. Als ich aufwache, steuert die Geschichte auf ihr Ende zu. Für mich ist alles zusammenhanglos. Langweilig. Dann diskutieren die Juroren. Sie waren, hoffentlich, wach geblieben; auch die Zuhörer im Saal, viele Frauen und einige ältere Herren.
Ich bin wieder da und lausche Maja Haderlap, eine in Österreich lebende Slowenin, die in der Schule Deutsch gelernt hat. Ihre Gedichte hat sie in Slowenisch geschrieben, ihren Wettbewerbstext deutsch: Im Kessel - in der Wahrnehmung eines Kindes. Ich wohne gedanklich einem Waldspaziergang weit zurück in die deutsch-slowenische Vergangenheit des verflossenen Jahrhunderts bei, eine mit viel Schuld belastete Vergangenheit.
Das ist Heimatliteratur. Gute. Der Text ist bei den meisten Juroren gut angekommen. Warum verwundert mich das eigentlich? Die Zeit hält nicht inne, nicht in Klagenfurt und auch nicht in meinem Wohnzimmer. Ich mache mir eine Brotzeit zurecht und brühe mir einen Kaffee auf. Beide wandern in meinen Rucksack. Ich muss zur Arbeit, in die Spätschicht. In Klagenfurt wird weiter gelesen. Der Bachmannpreis ist nach wie vor begehrt. Tja, schreiben müsste man können.
Anton Potche
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