Donnerstag, 15. September 2011

Spüren ist allemal besser als analysieren

Loris steht mit Orden beladener Brust da wie ein russischer General am Tag der großen Befreiung. Und das ist sie wahrlich, diese CD, eine Befreiung aus alten Blasmusikleiden, die da wären: überbetontes Vibrato in ausufernder Melodieverliebtheit, schlechte Stimmung besonders bei den Klarinetten und vor allem der greislige Gesang.

Nichts von alldem ist hier zu hören. Das ist Bläsermusik in Reinkultur. Wen wundert’s, wenn Mathias Loris die Truppe anführt und ein Blasmusikübervater wie Franz Watz, seinen Segen - vielleicht im Stile eines Generalissimus– zu dem Projekt gibt.

Und schon sind wir bei der ersten Schwäche dieser CD. Nobody is perfect, heißt es und stellt allerorts seine Gültigkeit unter Beweis. Wer sind die Musiker dieser Original Donauschwäbischen Blasmusik. Dass hier nur Amateure am Werk waren, kann ich bei allem Respekt vor Loris’ Tätigkeit als Musikpädagoge nicht glauben.  

Es gibt nicht viele Blasmusikproduktionen, die ein so klares Klangbild vermitteln. Hier muss natürlich der Name des Tontechnikers fallen: Hans Bruss. Als musikalischer Berater wird im Booklet (drei Seiten) Richard Hummel genannt und Stephan H. Pollmann als Gesamtorganisator -Teamarbeit also.

Und doch nur ein Zwei-Mann-Projekt? Bei genauem Hinschauen kann man das durchaus annehmen. Alle 15 Stücke wurden nämlich von Mathias Loris und Franz Watz komponiert oder orchestriert. Das bewirkt eine Fokussierung des interessierten Hörers auf die Arbeit der beiden und gibt dem jeweils eigenen Geschmack die Chance, sich an der hervorragenden Papierarbeit, die hier musikalisch umgesetzt wird, zu reiben.

Das soll der „Russische“ sein? Den habe ich doch selbst vor einer gefühlten Ewigkeit gespielt. Was hat Loris daraus gemacht? Aus einem Militärmarsch eine böhmisch klingende Marsch-Polka? (So kommt er zumindest bei mir an.) Wenn mit dieser CD interpretatorisch neue, lobenswerte Wege beschritten wurden, so wandeln die zwei Komponisten und Arrangeure teilweise doch auf ausgetretenen Wegen. Das ist wahrscheinlich der Tradition, der beide entstammen, geschuldet. Nun möge man mich nicht schlecht verstehen. Hoffentlich verlassen sie diese Walzer- und Polkawelt nicht, aber ein echter Militärmarsch, ohne jedweden arrangierenden Eingriff, täte einer so tollen CD bestimmt zusätzlich gut. Dieses erfrischende Element habe ich mal bei einer Originalfassung des Radezky-Marsches bei einem Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker erlebt.

Warum ich nicht endlich zum Schluss komme und zum oder vom Kauf dieser Einspielung zu- oder abrate? Weil ich nur hören will und dieses Denken mich ablenkt vom Lauschen und Fühlen. Blasmusik spüren ist allemal besser als analysieren. Vor allem wenn sich eine instrumental und tontechnisch so gute Scheibe wie Aus der Jugendzeit gerade im CD-Spieler dreht.
Anton Potche

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