Am Aufzug ins Dachgeschoss des Herzogskastens zu Ingolstadt, lächelte ein Mann mir verständnisvoll zu. Sie stehen zwar im Parkverbot, aber heute ist Sonntag, da schaut vielleicht keiner vorbei, bemühte er sich, mich zu beruhigen. Er dürfe dort parken, weil er einen Sonderausweis habe. Wir hatten das gleiche Ziel, trotz ungleicher Startbedingungen: die Lesung und Buchpräsentation mit dem Dichter, Maler und Komponisten Klaus W. Sporer sowie dem Musiker Georgi Kobulashvili, einziger Bläser des Georgischen Kammerorchesters.
Diese Kombination war nicht neu. Neu war Sporers Gedichtband spätherbst, der neunte übrigens seit 1991,alle in diszipliniertem Zweijahresrhythmus erschienen. Neu war auch das Werk der musikalischen Umrahmung: 5 Fantasien für Oboe Solo, op. 35 (2011), eine Komposition von Klaus W. Sporer. Alles neu macht nicht nur der Mai, in Ingolstadt auch der Herbst.
Wer Sporers Worten lauschte, musste dem Kulturreferenten der Stadt Ingolstadt, Gabriel Engert, recht geben. Der studierte Germanist hat drei Bauelemente ausgemacht, die das lyrische Bauwerk des Ingolstädter Dichters zusammenhalten: "musikalisches Bauprinzip, Expressivität und Genauigkeit, Reduktion und Abstraktion". Sporers Gedichte entstünden als Kontinuum, er habe immer Zettel und Schreibzeug bei der Hand.
"Das Leben ist eine Bewegung", sagte der Dichter und der Zuhörer konnte ihm zustimmen, wenn er die Themenvielfalt, die ihm hier vom Lesepult entgegenflog, in Betracht zog. Natur, Beziehungen, Vergangenheit und gebliebene oder wiederaufkommende Erinnerungen, Krankheit, Altern - hat der Dichter an einen alternden Automanager gedacht ? -, ganz (ab)normaler Alltag, und noch einiges mehr bilden und ergeben diese Lebensbewegungen des Allroundkünstlers - er ist auch Konzertmeister des Ingolstädter Kammerorchesters (nicht zu verwechseln mit den Georgiern) - Klaus W. Sporer.
Und für diese thematische Allumfasstheit seines dichterischen Schaffens findet er auch Ausdrucksmöglichkeiten in der Musik. "Die Hand auf die Klinke legen und das Tor offenhalten, das ist genug", hat der Poet rezitiert und den Interpreten zum Eintritt in seine kompositorischen Fantasien eingeladen. Der Georgier hat die Einladung des Deutschen gerne angenommen und mit seiner Virtuosität, wo immer das Notenblatt es erlaubte, ad libitum künstlerische eigene Akzente gesetzt. Und dass der Dichter den Freiheitsdrang des Musikers zu schätzen weiß, zeigen die zwei "ad lib." notierten Sätze seiner Fantasie.
Es ist unglaublich, wie schnell die Zeit vergeht, wenn man einem fünfsätzigen Lese-und Musikvortrag lauscht. Ich nahm mir keine Zeit zum Schlangestehen, um den spätherbst zu erwerben, denn mein Auto stand draußen im goldenen Spätherbst und im ... Parkverbot. Ohne Strafzettel. Gott sei's Dank. Der freundliche Herr im Aufzug hatte recht behalten - auch 75 Minuten später.
Anton Potche
Videos & Foto: Anton Potche
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