Gerhart Hauptmann: Der Narr in Christo Emanuel
Quint – Roman; Ullstein Taschenbuch, 1981; ISBN 3-548-37132-9; (bei Amazon gibt
es mehrere Exemplare zwischen 4,98 € und 34,30 € - Stand 15.11.2012)
Emanuel Quint, ein Junge
aus armen Verhältnissen, nimmt vieles aus der Bibel wortwörtlich und
nacherlebbar. Er verlässt sein Elternhaus und durchstreift die Kreise
Reichenbach und Hirschberg an der böhmisch-preußischen Grenze. Die Menschen,
denen er in den einsamen Bergtälern begegnet, sind orientierungslose, suchende,
zu Glaubensschwärmereien neigende Gestalten. „Es kommt von Zeit zu Zeit über
die alte Welt ein Verjüngungsgefühl, verbunden mit einem neuen oder erneuten
Glauben, und gerade zu jener Zeit, um das Jahr neunzig verwichenen Säkulums,
schwamm neuer Glaube und Frühlingsgefühl in der deutschen Luft.“
1910 ist dieser Roman
erschienen. Zwanzig Jahre soll Gerhart
Hauptmann daran gearbeitet haben. Natürlich ist der Roman eine Auseinandersetzung
mit dem Leben Jesus’, aber keine theologische, sondern eine rein literarische.
Und sie gibt uns keine endgültigen Antworten über die Existenz eines Lebens
jenseits unseres menschlichen Daseins, ja über die Gottheit schlechthin. Das
ist vielleicht auch gar nicht das Wichtigste, dieses ewige Suchen (der
Gläubigen) nach der Wahrheit. Emanuel Quint, hat sich um Zweifel wenig
geschert. Er hat die Verlautbarungen der Bibel eben als schlichte Wahrheiten
akzeptiert und mit ihnen wohl auch in Frieden schwärmen können. Wenn da nur
nicht die Glaubenseiferer gewesen wären, die ihn wie Jünger umgaben und in ihm
die Möglichkeit, selbst Christus zu sein, zur Überzeugung reifen ließen. Nun
suchte der Narr in Christo aber um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert
vergeblich nach dem Jesus-Martyrium. Die paar Steine, die ab und zu mal
geworfen wurden, dürfen es ja wohl nicht gewesen sein. Gerhart Hauptmann lässt seinen Helden Emanuel Quint in den
Schweizer Bergen erfrieren.
Allein dieses Ende
rechtfertigt eine Frage nach der Glaubensstärke Hauptmanns. Es hat den Anschein, dass er Jesus doch lieber in der
Gemeinschaft der Menschen ansiedelt, als in einem unangreifbaren, Furcht
erregenden Reich absoluter Wahrheitsverkündigungen. Dass Zeitenwenden für
solche Verkündigungen schon immer der günstigste Zeitpunkt waren, hat den
schlesischen Nobelpreisträger wahrscheinlich dazu veranlasst, eine
Jahrhundertwende als Zeitrahmen seines Romans zu wählen. Dass ihm dabei ein
Begriff aus der Schreibfeder floss, der in seinen späten Lebensjahren zum
größten Desaster der Geschichte führen sollte, ist wohl eher dem Zufall als
seinen prophetischen Eigenschaften zuzuschreiben: „Die Nähe des Tausendjährigen
Reiches, das die Erde zum Paradiese umwandeln sollte, beschäftigte sie , und es
war zu merken, dass sie auf neue Leiden vor dem Eintritt des Millenniums der
Glückseligkeit nicht mehr rechneten.“ Was das Tausendjährige Reich den Menschen
dann wirklich brachte, ist hinlänglich bekannt.
Anton Potche
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