Glosse über Karl May, Krzysztof
Penderecki und die Musik
Wer nun glaubt es gäbe da keinen Zusammenhang, der irrt aber
gewaltig. Es ist schlicht und einfach zu einseitig, Karl May nur mit Winnetou, Old Shatterhand & Co. in Verbindung
zu bringen. Der Meisterfabulierer aus Sachsen hat auch komponiert, und das
wahrlich nicht schlecht. Einige seiner Chorwerke könnten auch in den kommenden
Wochen in so mancher Kirche erklingen; so etwa die Weihnachtskantate Siehe, ich verkündige euch große Freude.
Ob Krzysztof
Penderecki das auch weiß, ist mir nicht bekannt. Könnte aber durchaus sein,
denn schließlich sprechen wir vom bedeutendsten polnischen und einem der
prominentesten zeitgenössischen Komponisten – und von einem Fan Karl Mays. Das ließ mich aufhorchen,
als ich dieses Bekenntnis am Samstagmorgen in einem Interview bei BR Klassik vom großen
Meister selbst hörte. Und es rief in mir sofort Erinnerungen wach, ganz
abgesehen davon, dass auch meine erste Lieblingslektüre Karl-May-Bücher waren.
Es war am 10. November 2008. Wir, die Musiker der Audi
Bläserphilharmonie – Wen-Sinn Yang
spielte in diesem Konzert „Casanova“
für Solocello und Blasorchester von Johan
de Meij -, hatten die Anspielprobe im Carl-Off-Saal des Gasteigs gerade
hinter uns gebracht, und es blieb noch etwas Zeit zum Herumgucken in den
Kulissen des imposanten Musikpalastes. Da, ein Weg führte auf die Bühne der
Philharmonie, den größten Konzertsaal Münchens. Und von dort kam Musik.
Fesselnde Harmonien. Ungewöhnliche Klangbilder. Noch einige Schritte und ich
hatte freien Blick auf das Geschehen auf der Bühne. Welch ein Anblick! Ein
riesengroßer Orchesterapparat mit allen nur denkbaren Blas-, Streich-, Zupf- und
Schlaginstrumenten. Die Münchner Philharmoniker probten an einem Stück von Krzysztof Penderecki. Und am Pult stand
der Meister in persona. „7 Tore
Jerusalems“ für Sprecher, 5 Sänger, 3
Chöre und großes Orchester kam am 11. und 12. November zur Aufführung. Ich
wunderte mich damals, dass der polnische Maestro so perfekt, akzentfrei Deutsch
sprach. Wenn ich mich gut erinnere, stand ich etwa 20 Minuten in einer der
Zugänge zur Bühne und war tief beeindruckt von der Art und Weise wie monumentale
Musik entsteht.
Krzysztof Penderecki |
Krzysztof Penderecki erzählte im Radiointerview, dass sein
Großvater ein Deutscher gewesen sei; ja, und dass er, der Bub Krzysztof, sehr gerne Karl May gelesen habe. Somit wäre auch
mein Staunen von vor fünf Jahren geklärt und ich freue mich kindisch über eine
neue Geschmacksverwandtschaft.
Krzysztof Penderecki feierte
am Samstag, dem 23. November 2013, seinen 80. Geburtstag. Ad multos annos!
Anton Potche
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