Montag, 25. November 2013

Ungeahnte Geschmacksverwandtschaft

Glosse über Karl May, Krzysztof Penderecki und die Musik

Wer nun glaubt es gäbe da keinen Zusammenhang, der irrt aber gewaltig. Es ist schlicht und einfach zu einseitig, Karl May nur mit Winnetou, Old Shatterhand & Co. in Verbindung zu bringen. Der Meisterfabulierer aus Sachsen hat auch komponiert, und das wahrlich nicht schlecht. Einige seiner Chorwerke könnten auch in den kommenden Wochen in so mancher Kirche erklingen; so etwa die Weihnachtskantate Siehe, ich verkündige euch große Freude.

Ob Krzysztof Penderecki das auch weiß, ist mir nicht bekannt. Könnte aber durchaus sein, denn schließlich sprechen wir vom bedeutendsten polnischen und einem der prominentesten zeitgenössischen Komponisten – und von einem Fan Karl Mays. Das ließ mich aufhorchen, als ich dieses Bekenntnis am Samstagmorgen in einem Interview bei BR Klassik vom großen Meister selbst hörte. Und es rief in mir sofort Erinnerungen wach, ganz abgesehen davon, dass auch meine erste Lieblingslektüre Karl-May-Bücher waren.

Es war am 10. November 2008. Wir, die Musiker der Audi Bläserphilharmonie – Wen-Sinn Yang  spielte in diesem Konzert „Casanova“ für Solocello und Blasorchester von Johan de Meij -, hatten die Anspielprobe im Carl-Off-Saal des Gasteigs gerade hinter uns gebracht, und es blieb noch etwas Zeit zum Herumgucken in den Kulissen des imposanten Musikpalastes. Da, ein Weg führte auf die Bühne der Philharmonie, den größten Konzertsaal Münchens. Und von dort kam Musik. Fesselnde Harmonien. Ungewöhnliche Klangbilder. Noch einige Schritte und ich hatte freien Blick auf das Geschehen auf der Bühne. Welch ein Anblick! Ein riesengroßer Orchesterapparat mit allen nur denkbaren Blas-, Streich-, Zupf- und Schlaginstrumenten. Die Münchner Philharmoniker probten an einem Stück von Krzysztof Penderecki. Und am Pult stand der Meister in persona. „7 Tore Jerusalems“ für Sprecher, 5 Sänger, 3 Chöre und großes Orchester kam am 11. und 12. November zur Aufführung. Ich wunderte mich damals, dass der polnische Maestro so perfekt, akzentfrei Deutsch sprach. Wenn ich mich gut erinnere, stand ich etwa 20 Minuten in einer der Zugänge zur Bühne und war tief beeindruckt von der Art und Weise wie monumentale Musik entsteht. 

Krzysztof Penderecki
Krzysztof Penderecki erzählte im Radiointerview, dass sein Großvater ein Deutscher gewesen sei; ja, und dass er, der Bub Krzysztof, sehr gerne Karl May gelesen habe. Somit wäre auch mein Staunen von vor fünf Jahren geklärt und ich freue mich kindisch über eine neue Geschmacksverwandtschaft.

Krzysztof Penderecki feierte am Samstag, dem 23. November 2013, seinen 80. Geburtstag. Ad multos annos!

Anton Potche

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen