Mittwoch, 12. November 2014

Ponta oder Johannis

Die Schlammschlachten vor der Präsidentschaftswahl am 2. November 2014 in Rumänien und ihre Fortsetzungen in gesteigerter Form bis zur Stichwahl am kommenden Sonntag, 16. November, sind an Geschmacklosigkeit nur schwer zu überbieten. Der Beispiele gibt es mehr als genüge. Um nur eins zu erwähnen: Am Abend des 3. November, also einen Tag nach der Wahl, behauptete ein Diskussionsteilnehmer beim Hetzssender Antena 3– davon gibt es einige in Rumänien -, Klaus Johannis könne auf einer Weltkarte nicht nur das Kaspische Meer nicht erkennen, ja, er könne nicht einmal auf Anhieb die Nachbarlandkreise seines Heimatkreises Sibiu (Hermannstadt) nennen. Das kann man wohl kaum noch als Schläge unter die Gürtellinie nennen. Solche Aussagen zeugen lediglich von der Dummheit des betreffenden Diskutanten.

Ein Blick auf das Wahlergebnis führt natürlich viel weiter als solche auch für die rumänische Medienlandschaft beschämenden Beleidigungstiraden auf irgendeinen der beiden noch im Rennen liegenden Kandidaten. Die Wahlbeteiligung lag landesweit bei 53,16%. Am höchsten war sie im Kreis Ilvov mit 65,17% und am geringsten im Kreis Vaslui mit 45,84%.

Keiner der 14 angetretenen Kandidaten hat die absolute Mehrheit erreicht, so dass die zwei Erstplatzierten sich in einer Stichwahl um das Amt des Präsidenten – Traian Băsescu darf laut Verfassung nach 10-jähriger Amtszeit nicht mehr kandidieren – bemühen werden. Der Sozialdemokrat Victor Ponta hat im ersten Wahlgang stolze 40,33% eingefahren, während der zweitplazierte Klaus Johannis es auf immerhin 30,44% gebracht hat.

Bezogen auf die 41 Landkreise plus Bukarest sieht das Ergebnis ziemlich differenziert aus.
Geht man die administrativ-territoriale Karte Rumäniens von Osten nach Westen durch, dann bekommt man folgendes Bild:
01. Constanța: Victor Ponta – 37,36%; Klaus Johannis – 29,41%
02. Tulcea: Victor Ponta – 42,76%; Klaus Johannis – 26,25%
03. Călărași: Victor Ponta – 49,76%; Klaus Johannis – 27,36%
04. Ialomița: Victor Ponta – 53,61%; Klaus Johannis – 18,99%
05. Brăila: Victor Ponta – 51,53%; Klaus Johannis – 20,03%
06. Galați: Victor Ponta – 48,11%; Klaus Johannis – 24,97%
07. Vaslui: Victor Ponta – 54,03%; Klaus Johannis – 21,55%
08. Iași: Victor Ponta – 43,46%; Klaus Johannis – 29,73%
09. Botoșani: Victor Ponta – 55,59%; Klaus Johannis – 22,09%
10. Suceava: Victor Ponta – 43,84%; Klaus Johannis – 32,63%
11. Neamț: Victor Ponta – 49,41%; Klaus Johannis – 22,65%
12. Bacău: Victor Ponta – 49,62%; Klaus Johannis – 25,84%
13. Vrancea: Victor Ponta – 49,95%; Klaus Johannis – 26,82%
14. Buzău: Victor Ponta – 54,21%; Klaus Johannis – 19,90%
15. Giurgiu: Victor Ponta – 61,32%; Klaus Johannis – 15,40%
16. Ilvov: Victor Ponta – 39,85%; Klaus Johannis – 27,80%
17. București: Victor Ponta – 31,74%; Klaus Johannis – 27,24%
18. Dâmbovița: Victor Ponta – 52,54%; Klaus Johannis – 23,78%
19. Prahova: Victor Ponta – 39,41%; Klaus Johannis – 27,71%
20. Covasna: Victor Ponta – 13,69%; Klaus Johannis – 14,96%, Kelemen Hunor – 50,41
21. Brașov: Victor Ponta – 30,75%; Klaus Johannis – 39,00%
22. Harghita: Victor Ponta8,13%; Klaus Johannis10,76%; Kelemen Hunor – 62,97%
23. Bistrița-Năsăud: Victor Ponta – 36,28%; Klaus Johannis – 44,68%
24. Mureș: Victor Ponta – 26,49%; Klaus Johannis – 32,02%; Kelemen Hunor – 22,96%
25. Sibiu: Victor Ponta – 19,35%; Klaus Johannis69,87%
26. Argeș: Victor Ponta – 49,75%; Klaus Johannis – 20,99%
27. Teleorman: Victor Ponta – 57,92%; Klaus Johannis – 23,24%
28. Olt: Victor Ponta – 59,99%; Klaus Johannis – 18,94%
29. Vâlcea: Victor Ponta – 44,32%; Klaus Johannis – 34,42%
30. Dolj: Victor Ponta – 56,03%; Klaus Johannis – 23,64%
31. Gorj: Victor Ponta – 50,25%; Klaus Johannis – 24,38%
32. Hunedoara: Victor Ponta – 43,59%; Klaus Johannis – 31,64%
33. Alba: Victor Ponta – 27,43%; Klaus Johannis – 52,57%
34. Cluj: Victor Ponta – 23,79%; Klaus Johannis – 42,53%
35. Sălaj: Victor Ponta – 32,15%; Klaus Johannis – 34,53%
36. Maramureș: Victor Ponta36,46%; Klaus Johannis36,55%
37. Satu Mare: Victor Ponta – 31,63%; Klaus Johannis – 32,37%
38. Bihor: Victor Ponta – 32,24%; Klaus Johannis – 37,31%; Kelemen Hunor – 11,80%
39. Arad: Victor Ponta – 29,48%; Klaus Johannis – 44,55%
40. Timiș: Victor Ponta – 29,66%; Klaus Johannis – 42,03%
41. Caraș-Severin: Victor Ponta – 43,03%; Klaus Johannis – 34,48%
42. Mehedinți: Victor Ponta – 57,40%; Klaus Johannis – 21,10%
43. Rumänen im Ausland: Victor Ponta – 15,89%; Klaus Johannis – 46,17%; Monica Macovei – 15,20% (In Deutschland konnte Klaus Johannis von 8.149 gültigen Stimmen 5.048 auf sich vereinen, Monica Macovei bekam 1.594 und auf Victor Ponta entfielen 506 Stimmen.)

Man kann aus einer solchen Auflistung natürlich unendlich viele Schlüsse ziehen, allerdings ohne Endgültigkeitswert, sondern immer offen für viele Interpretationen. Klar erkennbar ist eine Linie der Wähleroptionen zwischen den ehemaligen Fürstentümern Moldau und Walachei  zu den Gebieten der verblichenen Habsburger Monarchie, Siebenbürgen und Banat. Besonders im Osten und Süden Rumäniens liegt der amtierende Premier Victor Ponta (PSD) klar vorne. In Siebenbürgen und dem Banat konnte hingegen Klaus Johannis (PNL) stark punkten. Wäre da nicht der ungarische Kandidat Kelemen Hunor (UDMR) gewesen, der in zwei Verwaltungskreisen richtig abgeräumt hat, wäre der Rückstand von Johannis auf Ponta vielleicht noch etwas geringer ausgefallen.

Damit wären wir eigentlich beim Nationalitätenaspekt Rumäniens. Besonders die von Hunor erzielten Teilerfolge zeigen, dass die ungarische Minderheit klar nach ethnischen Gesichtspunkten gewählt hat. Bei Johannis kann man das so nicht behaupten, ist die Zahl der Deutschen in Siebenbürgen und dem Banat doch viel zu gering, um ein Wahlergebnis entscheidend zu beeinflussen. Das wiederum spricht aber für die Politik und den Wahlkampf des Hermannstädter Bürgermeisters. Wer die Geschicke einer Stadt so erfolgreich leitet, wie Klaus Johannis das seit 14 Jahren tut, kann ja wohl kaum alles schlecht gemacht haben. Dazu kommt sein Engagement im bürgerlichen Lager (PNL und PDL, die sich zur Christlich Sozialen Allianz, ACL, zusammengeschlossen haben), dem die Menschen im Banat und Siebenbürgen schon immer offener gegenüberstanden als der Rest des Landes. Der Blick nach Westen war hier (auch geschichtlich bedingt) schon immer schärfer.

Was die Beliebtheitsskala bei der eigenen Wählerschaft betrifft, könnte man aus der Tabelle herauslesen, dass Klaus Johannis der beliebtere Politiker ist. Sein bestes Ergebnis liegt bei 69,87% und sein schlechtestes bei 10,76%, während bei Victor Ponta dieses Verhältnis 61,32% zu 8,13% steht. Fast gleichauf lagen die zwei Kandidaten nur im Verwaltungskreis Maramureș, ganz im Norden des Landes.

Und dann wären da noch die Auslandsrumänen. Es gab bei der Wahl viele Ungereimtheiten in den anscheinend zu wenigen und vor allem zu schwach besetzten Wahllokalen in vielen Metropolen Europas. Entweder man hat das Interesse der außerhalb Rumäniens lebenden Rumänen an der Präsidentschaftswahl unterschätzt oder man hat im Regierungslager die Wahlinklination vieler dieser Menschen gefürchtet. Zumindest Letzteres könnte darauf hindeuten, denn Johannis hat bei dieser Wählerschaft eindeutig die Nase vorn. Mittlerweile ist Außenminister Titus Corlățean sogar zurückgetreten. Es wird sich bei der Stichwahl zeigen, ob die Menschen sich das stundenlange Schlangestehen vor den Wahllokalen noch einmal antun werden. Ihre eventuelle Resignation spielt natürlich dem Premier in die Karten. Das Thema kam gestern Abend beim Fernsehduell der beiden Kandidaten gleich als Erstes zur Sprache.

Die beiden Präsidentschaftskandidaten haben sich zum ersten Mal vor den Fernsehkameras getroffen. Ich habe einen sehr angriffslustigen, mit dem Faktenmaterial eines Premiers ausgestatteten Victor Ponta und einen eher staatsmännisch agierenden Klaus Johannis erlebt. Der Kontrast zwischen zwei Politikern kann kaum größer sein. Ich würde sagen, nach dem ersten Rededuell liegt Ponta vorne, weil sein forscher Stil – er scheute sich nicht zu behaupten, Johannis führe sich auf wie ein Gutsherr, und die Erwähnung von Kanzlerin Merckel sollte wohl auf eine deutsche Marionettenrolle des Siebenbürger Sachsen hindeuten (eine ganz fiese Nummer) – besonders den auf dem Lande lebenden Rumänen, und das ist immer noch die Mehrheit, eher zusagt. Denn dass es sich hier um eine reine Personen- und in keiner Weise um eine Themenwahl handelt, dürfte jedem klar sein. Heute Abend soll es eine zweite Runde auf dem Sender b1 geben.

Zieht man in Betracht, dass Victor Ponta beim ersten Wahlgang 28 Verwaltungskreise für sich gewinnen konnte, dann darf man ihn wohl so oder so als klaren Favorit der Stichwahl sehen. Da man aber nie weiß, wie die Anhänger der anderen Kandidaten, und besonders die von Kelemen Hunor, Elena Udrea und Monica Macovei in der Wahlkabine entscheiden werden, kann man Klaus Johannis ruhig und ohne Häme zurufen: Du hast keine Chance, nutze sie! Schließlich und endlich ist noch keine Wahl von Demoskopen, Journalisten und in Talk Shows herumblödelnden Politikern gewonnen worden.
Anton Potche 

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